Niedersachsen: Neue rot-grüne und schwarze Pläne für die Verschärfung des Polizeigesetzes

Das niedersächsische Justizministerium (Bündnis 90/Die Grünen) und das niedersächsische Innenministerium (SPD) haben in in zwei Etappen bekannt gegeben, dass man das nds. Polizeigesetz (NdsSOG) bzw. dessen Neu-Entwurf (NGefAG) weiter verschärfen wolle. Es gehe dabei um mehr „Sicherheit und Prävention“. (Zur sowieso schon harten und umfangreichen Kritik am Entwurf des NGefAG siehe z.B. hier und hier und hier und hier.)

Die beiden Bekanntmachungen der rot-grünen Landesregierung in Hannover sind vom 30.1.2017 und vom 1.3.2017.

Zwischendurch hat die niedersächsische CDU einen eigenen Entwurf für ein neues Polizeigesetz nach den eigenen Wünschen vorgestellt, große Teile davon allerdings direkt vom rot-grünen Entwurf abgeschrieben (Pressemitteilung/CDU-Gesetzentwurf).

Nachfolgend eine brachial kurze und sicherlich nicht vollständige Zusammenfassung der Inhalte dieser Vorstöße:

 

Ankündigung Rot-Grün vom 30.1.2017:

  • Einführung des polizeigesetzlichen Begriffes einer „terroristischen Straftat“, anhand dessen dann weitere polizeiliche Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen festgemacht werden können, wie z.B. eine offene Observierung von „Gefährdern“. (Dieser Begriff soll dann ebenfalls an der „terroristischen Straftat“ definiert werden.)
  • Einführung der elektronischen Fußfessel für a) „Gefährder“, b) für Leute, denen man verboten hat, die Bundesrepublik zu verlassen (!) und c) für Menschen, die man abschieben möchte.
  • Die Initiierung einer Bundesinitiative zur Vereinheitlichung der technischen Überwachungsinfrastruktur für elektronische Fußfesseln.
  • Eine weitere noch stärkere Ausweitung der gesetzlichen Befugnisse zur Videoüberwachung durch die Polizei.
  • Ausbau der Maßnahmen zur Erfassung und Überwachung von Finanztransaktionen.

 

Ankündigung Rot-Grün vom 1.3.2017:

  • Rücknahme der eigentlich geplanten Reduzierung der zulässigen Dauer eines so genannten „Unterbindungsgewahrsahms“ (manchmal auch als „Präventivgewahrsam“ bezeichnet) auf 4 Tage. Es soll also bei den derzeit schon gültigem „Recht“ bleiben, Menschen bis zu 10 Tage ohne Gerichtsurteil gefangen nehmen zu dürfen, wenn die Entscheider meinen, dass von einer bestimmte Person die Gefahr einer terroristischen Straftat ausgeht.
  • Initiative der nds. Landesregierung innerhalb der Innenministerkonferenz (IMK), bundesweit in den jeweiligen Landesgesetzen eine Vereinheitlichung des Begriffs der „terroristischen Straftat“ zu erzielen bzw. diese in den Polizeigesetzen zu verankern, um mit Bezug darauf dann den „Gefährder“-Begriff vorgeblich rechtssicher verankern zu können.

 

Polizeigesetz-Entwurf der nds. CDU vom 21.2.2017:

  • Neue, zusätzliche Befugnisse für die Polizei:
    a) Meldeauflage
    b) Kontaktverbot (!)
    c) Hausarrest
  • „Präventivgewahrsam“ (Einsperren ohne Verurteilung) von bis zu 18 Monaten dauer statt „nur“ 10 Tagen wie derzeit zulässig.

Das soweit genannte ist das, was die CDU der Presse in einer Kurzübersicht („Handout“) präsentiert hat. Die Unterschiede des „schwarzen“ Gesetzentwurfs zum rot-grünen im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Polizeigesetz gehen aber noch weiter darüber hinaus, wenn man in den Gesetzestext im Detail reinschaut. Zum Beispiel:

  • Einführung von Ausnahmeregelungen für die Benachrichtigungspflicht im Falle einer durchgeführten Überwachungsmaßnahme an einer Person.
  • Zulässigkeit der Nutzung polizeilicher Videoüberwachung öffentlicher Räume unter Umständen auch im Zusammenhang mit dort stattfindenden Demonstrationen – versammlungsrechtlich sehr heikel.
  • Zulässigkeit der permanenten Videoüberwachung von Gefangenen (im Einzelfall).
  • Erhöhung der Speicherdauer polizeilicher Videoüberwachungs-Aufzeichnungen auf pauschal zwei Monate.
  • Aufbohren der Zulässigkeitsbedingungen für Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen (Abhören, Mitschneiden, Abruf von Verbindungsdaten etc.): Nicht nur bei gefahr für Leib und Leben sondern ganz allgemein auch „zur Verhütung von Straftaten erheblicher Bedeutung“.
  • Zulässigkeit der TK-Überwachung auch von „potentiellen Kontaktpersonen“ und von Personen, denen man zutraut, dass sie ihren Computer, ihr Telefon oder Smartphone anderen ins Visier der Polizei geratenen Menschen ausleihen könnten.
  • Erweiterung der zulässigen Daten, die bei einer TK-Überwachung abgefragt/überwacht werden dürfen. (Neu: Die Nutzungsdaten nach §15 TMG.)
  • Polizeitrojaner („Staatstrojaner“, „Polizeiliche Computerwanzen“, „Quellen-TKÜ“) zum Abschnorcheln von Kommunikationsdaten direkt vom Smartphone/Computer der Verdächtigen, um so z.B. den Schutz persönlicher Daten durch Verschlüsselung aushebeln zu können.
  • Erweiterung des Lauschangriffes auch auf Messengerdienste und Chats.

Nebenbei: Bei der Darlegung, wer alles eine elektronische Fußfessel angelegt bekommen darf, heißt es im CDU-Entwurf u.a.: „Personen, deren individuelles Verhalten eine konkrete Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass sie eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird.“ Was ist denn genau unter dem Begriff einer „konkreten Wahrscheinlichkeit“ zu verstehen? Wie kann eine Wahrscheinlichkeit mit dem Adjektiv „konkret“ bezeichnet werden?

Dieser Beitrag wurde unter Bericht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.