Eine freiheitsfoo-Presseinformation anläßlich der am Donnerstag, den 17.11.2016 stattfindenden Anhörung zum neuen Polizeigesetz für Niedersachsen:
Wenig bekannt: Am morgigen Donnerstag verhandelt der Innenausschuss des Niedersächsischen Landtags über das neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NGefAG“).
Noch weniger bekannt: Ohne irgendeine öffentliche Diskussion dazu will die rot-grüne Landesregierung durch die Einfügung eines einzelnen Wortes (im § 69 Absatz 4) die Möglichkeit der breiten Anwendung von Taser-Elektroschock-Waffen für Polizeibeamte verankern. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs geht nicht hervor, welche Absichten zur Ausweitung des Einsatzes dieser Elektroschocker dahinter stecken. Auf jeden Fall schafft dieses Gesetz aber in Zukunft eine allgemeingültige Grundlage dafür. Auf Nachfrage hierzu wollte/konnte sich im Innenministerium bislang noch niemand dazu äußern.
Bedenklich: Unter den bislang 29 (in Worten: neunundzwanzig) zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf angeschriebenen Gruppen und Personen ist lediglich eine einzige aus dem Kreise der Zivilgesellschaft. Vertreter von Interessengruppen der Polizei oder polizeibehördenfreundliche Sachkundige sind in der Überzahl.
Skandalös: Während man bei der mündlichen Anhörung die Zivilgesellschaft, also Vertreter von Bürger- und Bürgerinneninteressen gänzlich ausschließt, darf am kommenden Donnerstag ein Vertreter desjenigen Industrieunternehmens (Taser) vor den Parlamentarieren für seine Produkte werben, das die Elektroschock-Pistolen monopolartig herstellt und vertreibt. Da passt ganz gut ins Bild, dass der Taserkonzern gerne (auf eigene Kosten) innerhalb der Polizeigewerkschaften für seine Elektroschockergeräte lobbyiert oder Polizeigewerkschaften sogar direkt Geld von Taser annehmen. Der leichtfertige Einsatz der Waffen ist nach Angaben von amnesty international schon für einige hunderte Tote alleine in den USA verantwortlich. Neben Berlin und Rheinland-Pfalz arbeitet die niedersächsische Regierung hier also am Dammbruch der Ächtung von Elektroschock-Waffen in der Hand von häufig überforderten und schlecht ausgebildeten Streifenpolizisten.
Zynisch: In einer parlamentarischen Antwort der rot-grünen nds. Landesregierung aus dem August 2014 heißt es zum Einsatz von Taser-Waffen durch die SEKs Niedersachsens: „Zudem darf außer in Fällen der Notwehr und Nothilfe das Gerät nicht gegenüber Kindern eingesetzt werden. Bei erkennbar schwangeren Frauen, herzvorgeschädigten Personen oder bei Personen unter Drogeneinfluss wird aus vorbeugenden Gründen auf den Einsatz verzichtet.“ Schwangere Frauen und herzgeschädigte Menschen sollten sich zukünftig also einen deutlichen Hinweis auf ihren Zustand an ihre Kleidung heften …
(Un)Heimlich: Neben vielen anderen Punkten (siehe unsere schriftliche Stellungnahme an den Landtag in Niedersachsen) kritisieren wir, dass die rot-grüne Landesregierung anders als angekündigt möglichst heimlich, still und leise und ohne eine öffentliche Diskussionen BodyCams und Taser als Standard für die niedersächsische Polizei einführen möchte, mindestens aber die rechtlichen Grundlagen dafür schafft. Für diese Vermutung spricht zumindest die Tatsache, dass die Stellungnahmen der angefragten Gruppen und Personen seitens des Landtags geheim gehalten werden sollen. Das wiederum belegen unsere Nachfragen zur Veröffentlichung dieser Dokumente und die mitunter merkwürdig begründeten Absagen der Angefragten zu dieser Bitte insbesondere durch diejenigen Organisationen und Sachkundigen, die der Polizei oder der Landesregierung tendenziell eher nahe stehen.
Ungeklärt: Die Gruppe der SPD-geführten Innenministerien hat am 7.11.2016 intern vereinbart und beschlossen, dass die Landespolizeigesetze u.a. (!) derart aufgebohrt werden sollen, dass der Einsatz polizeilicher Computerwanzen („Staatstrojaner“) in privaten Computern auch auf Landesebene rechtlich ermöglicht wird. Dazu findet sich derzeit allerdings noch nichts im offiziellen Gesetzentwurf. Eine Nachfrage an das Innenministerium in Hannover, inwiefern der Entwurf des NGefAG eventuell nachträglich noch verschlimmert werden soll, blieb bis zur Veröffentlichung dieser Pressemitteilung ebenfalls unbeantwortet.
[Hinweis: Alle fotografischen Bilder dieses Beitrags stellen von Taser-Elektroschockwaffen versuchsweise getroffene Menschen dar. Eine Anregung für einen Selbstversuch für all diejenigen, die sich im Diskurs für diese Waffe einsetzen? Alle Bilder unter Public Domain.]