Das Wetter ist heiß, die großen Schul-Sommerferien beginnen oder stehen kurz bevor, in Frankreich spielen viele Männer Fußball und noch mehr schauen sich das Spektakel kommentierend an, auf einer Insel wendet sich eine knappe Mehrheit der Menschen gegen die Mitgliedschaft in der Europäischen Union …
… während einige Parlamente gleichzeitig fleißig diejenigen Gesetze in einem der Demokratie unwürdigen Eiltempo durch die Gremien jagen und verabschieden, mit denen sie unter „normalen“ Umständen scheitern müssten.
Beispiele? „Gerne“:
1.) Gestern (Freitag nachmittag) hat die Bundesregierung die so genannten „Anti-Terror-Gesetze“ verabschiedet. Kurz vorher durfte der wegen seines komplett fehlenden Rechtsstaatsverständnisses und seiner Äußerungen über Edward Snowden, mit denen er von seiner Personalie abzulenken versuchte, massiv in der Kritik stehende Noch-Chef des Amtes für Inlandsspionage noch ein paar ihm liebe Änderungen hineinschreiben. Das Gesetz widerspricht dem rechtsstaatlich verankerten Trennungsgebot von Polizeien und Geheimdienste (Polizeibrief der Alliierten), aberkennt das grundsätzliche Recht auf anonyme (Tele)Kommunikation durch eine Ausweispflicht beim Aktivieren von SIM-Karten: eine „Maßnahme“, deren einziger Effekt es ist, die komplette Zivilgesellschaft durch die weiter im Ausbau befindlichen Massenüberwachungszentren in eine totalitaristische Zange zu nehmen und die daher skandalös, unverständlich und unvertretbar ist. Zu allem Überfluß befördert das Gesetz den Ausbau der Legalisierung von geheim agierenden zivilen Polizeibeamten – etwas, was unserer Auffassung nach nicht mit der Aufgabe der Polizei in Einklang zu bekommen ist. (“Wo der Staat auftritt, da muss er identifizierbar sein.” – so der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Wolfgang Müller-Riem am 21.5.2014 vor dem Innenausschuss des Landtags in Schleswig Holstein.)
Links: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Eilgesetz-Bundestag-verabschiedet-verschaerftes-Anti-Terror-Paket-3248865.html und https://netzpolitik.org/2016/grosse-koalition-winkt-anti-terror-gesetz-durch/
2.) In Berlin soll aus nicht erkennbaren oder nicht ausgesprochenen Gründen (Wahltaktik?) eine eilige Polizeigesetzänderung vorgenommen werden, die es der Polizei erlauben soll, in verfassungsmäßig mindestens zweifelhaftem Umfang öffentliche Räume (offene wie geschlossene!) mittels fest installierter Videokameras (inklusive dem Recht zur Bild-Aufzeichnung, also einer die Entfaltung der Persönlichkeit gefährdenden Vorratsspeicherung) überwachen zu dürfen, ungeachtet der Tatsache, dass es bereits viel zuviel sinnlose Videoüberwachung gibt und selbst bei Polizeibehörden ein erschreckendes Ausmaß an Unkenntnis über die oft mangelnde Rechtmäßigkeit ihrer eigenen Kamerainstallationen vorherrscht, während das juristische Vorgehen gegen die zumeist illegalen Kameras derart langwierig ist, dass diese oft jahrelang weiterbetrieben werden können. Der Innenausschuss gewährte den zur Stellungnahme aufgeforderten Personen und Verbänden nur wenige Tage Zeit, hierzu eine Äußerung abzugeben. Kritische Gruppen aus den Reihen der Zivilgesellschaft wurde eine Stellungnahme ganz verwehrt.
Links: https://netzpolitik.org/2016/polizeiliche-videoueberwachung-fuer-berlin-mit-der-idee-des-rechtsstaats-ist-das-schon-schwerlich-kompatibel/ und http://www.heise.de/newsticker/meldung/Berliner-Datenschutzbeauftragte-kritisiert-geplante-Videoueberwachung-3241133.html
3.) Ähnlich intransparent und hinterrücks erscheint ein Vorstoß des EU-Parlaments zu einer (zu noch einer!) „Anti-Terror-Richtlinie“, die neben anderen fragwürdigen Inhalten auch eine versteckte, aber nichtsdestotrotz zensierend wirkende Regelung zu „Netzsperren“ enthält. Tatsächlich ist hier also das in Planung, was die damalige Bundes-Familienministerin und passenderweise heute als „Verteidigungs“ministerin tätige Frau von der Leyen 2009 geplant hatte, aber aufgrund zahlreicher öffentlicher Kritik nie umsetzen konnte: Eine staatliche Zensur des Internets.
Wir meinen:
Regierungen und Parlamente, die eine verminderte öffentliche Wahrnehmung gezielt dazu ausnutzen, um Gesetze durchzubringen, die ansonsten aufgrund allgemeiner Kritik keine Chance auf Umsetzung in dieser Form hätten – solche Gesetzgeber sollten zumindest ein Gesetzgebungsverbot für die Zeiten von Fußball-EMs und WMs oder ähnlichen Großereignissen ausgesprochen bekommen.