Am letzten Freitag mittag (8.4.2016) wurde in Hannover ein zum Abriss verurteiltes Haus (Moritzwinkel 12) besetzt. Die Hausbesetzer stellten ihre Aktion unter das Motto „Kultur statt Zerfall“, fordern ein soziales und selbstverwaltetes Zentrum:
„Das Gebäude stand seit 3 Jahren leer. Es gibt keine Heizungen, keine Wasserleitungen und keine Perspektive. Wir haben uns entschlossen, das zu ändern! Hier soll ab jetzt ein soziales Zentrum entstehen, das Raum für vielfältige Projekte und Aktivitäten bietet. Wir wollen die stetig verfallenden Räume in Seminar- und Gruppenräume, Werkstätten, Gemeinschafts-, Sport- und Proberäume umwandeln. Es soll Raum für frei zugängliche Bildungs- und Kulturveranstaltungen geschaffen werden, der zur gemeinsamen Gestaltung und zur Partizipation am Projekt einlädt. Auch der Außenbereich soll nicht weiter verfallen. Hier sollen Gemeinschaftsgärten und Flächen für sportliche Aktivitäten entstehen.“
Die Polizei reagierte mit einem Großaufgebot von Polizisten und Polizistinnen, inklusive einer Reiterstaffel und dem Einsatz von KampfPolizeihunden. Die Stimmung unter den Polizeikräften war für Hannoveraner Verhältnisse ungewöhnlich gereizt und angespannt, obwohl die Sachlage dieses nicht begründete und die Besetzer nach vorherigen Gesprächen mit dem Eigentümer und mit der Polizei das Gebäude am späten Nachmittag schließlich sogar freiwillig verließen.
Randnotiz: Der Präsident der Universität Hannover, die das seit Jahren leerstehende Haus erst vor kurzem von der Stadt Hannover aufgekauft hatte, stellte nach seinem Gespräch mit den Hausbesetzern Strafanzeige gegen die Besetzer und ermächtigte dadurch erst die Polizei zur Anwendung von Gewalt zur Auflösung einer friedlichen Demonstration vor dem Haus.
Um diese Demonstration soll es in diesem Beitrag vor allem gehen:
Im Rahmen der Besetzung waren viele Menschen zu dieser spontanen Versammlung vor Haus zusammen gekommen, um die Forderungen der Besetzer zu unterstützen.
Die Versammlung wurde wenig später von der Polizei nach außen in weitem Abstand abgeschirmt: Menschen, die an der zu diesem Zeitpunkt offensichtlich friedlichen und fröhlichen Versammlung teilnehmen wollten, wurden von der Polizei nicht zu dieser durchgelassen. Zur Begründung wurden von verschiedenen Polizeibeamten verschiedene Scheinargumente vorgetragen, die aus unserer Sicht unhaltbar sind und die sich sogar einander widersprechen.
Aus der Protokollierung eines an der Wahrnehmung seines Demonstrationsgrundrechts Verhinderten:
Zum ersten mal untersagt wurde mir der Zugang zur Versammlung durch einen Polizeibeamten am südöstlichen Beginn des Moritzweg-Fußwegs um ca. 14:48. Dort wurde zunächst behauptet, es gäbe gar keine Versammlung. Danach hieß es, ich dürfte dort deswegen nicht hin, weil aus der Versammlung heraus Straftaten begangen würden.
Das zweite Zugangsverbot wurde mir an der Kreuzung Wickopweg/Moritzwinkel gegen ca. 14:52 Uhr durch Herrn H. – zu dieser Zeit der Einsatzleiter vor Ort – ausgesprochen. Auch hier hieß es zunächst: „Ob das eine Versammlung ist, das weiß ich noch gar nicht.“ Erst nachdem im Gespräch geklärt war, dass es sich offenbar um eine Spontanversammlung im Sinne des Brokdorf-Beschlusses, aber auch entsprechend § 5 Absatz 5 NVersG handelt, wurde mir dann als Begründung des Verbots zu meiner Teilnahme an der Versammlung erklärt: „Ja, dann bräuchten die keinen Versammlungsleiter. Aber wir lassen Sie da nicht hin. Das könnte da für Sie (…) gefährlich werden.“
Zum dritten mal wurde mir dann der Zugang an gleicher Stelle durch den Polizeibeamten Herrn M. um 15:50 Uhr verwehrt bzw. dieses Verbot erteilt, nachdem ich zuvor vergebens sowohl mit der Pressestelle der Polizei als auch mit der Versammlungsbehörde Hannover gesprochen hatte. Diese hatte mich an eine Klärung mit der Einsatzleiterin verwiesen, da die Zuständigkeit für diese Versammlung bei ihr läge. Meine Bitte um ein Gespräch mit der Einsatzleiterin zu diesem Zweck wurde trotz der augenscheinlichen zeitweise Nicht-Beschäftigung der Polizeibeamtin zugesagt, aber nicht eingelöst, bis mir Herr M. eben erklärte: „Das ist keine Versammlung, das ist auch keine Spontanversammlung nach unserer Würdigung. Sie sind kein Versammlungsteilnehmer. Bitte entfernen Sie sich jetzt von hier und gehen Sie auf die andere Straßenseite sonst lasse ich das durchsetzen.“
Zur Klarstellung: Die Polizei spricht inzwischen selber von einer Spontanversammlung. Die Demo wurde erst kurz vor 17 Uhr seitens der Polizei offiziell aufgelöst.
Damit scheint klar:
Der Polizei Hannover war es wichtiger, möglichst wenig Arbeit und Mühen mit der Auflösung einer für sie unbequemen Demonstration zu haben. Dafür hat die Polizei wissentlich etlichen Menschen ihr Versammlungsgrundrecht unzulässigerweise verweigert, um nicht zu sagen: geraubt.
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