„Deine politische Gesinnung bei Geheimdiensten“ – Demonstrations-Daten und das Trennungsgebot

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Wir wurden gefragt, ob wir an der „Blogparade“ der Humanistischen Union zum Thema „Deine Daten bei Geheimdiensten“ teilnehmen möchten. Das tun wir hiermit, und zwar gerne. :)

freiheitsfoo-Beitrag zur Blogparade „Deine Daten bei Geheimdiensten“ der Humanistischen-Union-Kampagne „Ausgeschnüffelt“

 

Als eine Antwort auf die Frage, wie Geheimdienste Daten über Menschen erhalten oder erstellen, möchten wir die Zulieferung von Daten durch Polizeien betrachten. Dabei konzentrieren wir uns auf Daten im Zusammenhang mit Demonstrationen und anderen öffentlichen Versammlungen, die als Räume für politische Meinungsäußerungen ebenso vom Grundgesetz geschützt sind (Art. 8 GG) wie die politische Meinungsäußerung (Art. 5 GG) selbst. Damit werden Versammlungen wie Meinungsäußerung in unserer Demokratie als grundlegende bürgerliche Freiheiten konzipiert, denen ein staatlicher – und sei es nur ein informationeller – Zugriff durch Polizeien und Geheimdienste entgegenarbeitet. Zudem besteht in Deutschland ein so genanntes Trennungsgebot zwischen Polizeien und Geheimdiensten, welches angesichts der Intensität der informationstechnischen Zusammenarbeit der verordneten organisatorischen Trennung zwischen beiden widerläuft. Warum das für eine demokratische Gesellschaft problematisch – in der Praxis zudem auch oft rechtswidrig – ist, soll im Weiteren dargestellt werden.

 

Trennungsgebot zwischen Polizeien und Geheimdiensten

Die heutigen „Modernen“ Demokratien werden staatstheoretisch in folgende drei Staatsgewalten unterteilt:

  1. Gesetzgebende Gewalt – Legislative (Bundestag, Landesparlamente, Stadt- und Gemeinderäte)
  2. Rechtsprechende Gewalt – Judikative (die Gerichte)
  3. Ausführende Gewalt – Exekutive (Ministerien, Behörden, Polizeien)

Geheimdienste tauchen in dieser dreigliedrigen Staatskonstruktion zunächst nicht explizit auf.

In Deutschland gibt es (wie auch in vielen anderen Ländern) dennoch einen Auslandsgeheimdienst (Bundesnachrichtendienst, kurz BND), einen militärischen Geheimdienst (Militärischer Abschirmdienst, kurz MAD) und 17 weitere Inlandsgeheimdienste (Fußnote: die von Bund und Ländern betriebenen so genannten „Ämter für Verfassungsschutz“, die in ca. der Hälfte der Fälle nicht eigenständige Behörden, sondern entsprechende Abteilungen der Innenministerien sind). Geheimdienste sind also zusammen mit den Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Exekutive zuzurechnen und werden in ihrer Schwerpunktsetzung durch die politische Führung geleitet.

Das Trennungsgebot ist ein Grundsatz deutscher Rechtspolitik, wonach die Arbeit von Geheimdiensten – euphemistisch oft auch „Nachrichtendienste“ genannt – und Polizeien zumindest organisatorisch voneinander getrennt sein muss. Auch deren Befugnisse sollen streng voneinander getrennt sein. Dieses Prinzip wurde Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der Erfahrung mit Gestapo (Geheime Staatspolizei) von den Alliierten im so genannten Polizeibrief vom 14.4.1949 aufgegeben bzw. später als Rechtsstaatsprinzip installiert. Das Bundesverfassungsgericht hat es in mehreren Urteilen inzwischen bekräftigt.

Mehr Informationen gibt es in unserem Flyer „Geheimdienste und Trennungsgebot“.

Eine Liste mit Literatur zu diesem Thema hat der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin zusammengestellt.

 

Schleichende Auflösung des Trennungsgebots

Die Trennung der Befugnisse und der Zusammenarbeit von Polizeien und Geheimdiensten ist schon seit den 1970er Jahren mit Verweis auf die angeblich allgegenwärtige Terrorismusgefahr mehr und mehr aufgeweicht worden. Heute wird diese Kooperation auf die Spitze getrieben: Das Trennungsgebot übergehend arbeiten in neu geschaffenen dauerhaften Zentren („Fusion Center“) bis zu 40 Polizeien, Geheimdienste und weitere Bundesbehörden (z.B. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) sowie die Bundeswehr (!) zum „Austausch von Erfahrungen und Fachwissen“ zusammen und tauschen Informationen über Menschen und Gruppen aus:

  • GTAZ – Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (seit 2004)
  • GASIM – Gemeinsames Analyse und Strategiezentrum Illegale Migration (seit 2006)
  • GIZ – Gemeinsames Internetzentrum (seit 2007)
  • NCAZ – Nationales Cyber-Abwehrzentrum (seit 2011)
  • GAR – Abwehrzentrum gegen Rechts (seit 2011)
  • GETZ – Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (seit 2012)

Weiter wurden gemeinsame projektbezogene Dateien zu verschiedenen Schwerpunkten eingerichtet, auf die sowohl Geheimdienste als auch Polizei, Zollbehörden oder z.T. auch die Bundeswehr Zugriff nehmen können. Diese tragen zur faktischen Aufweichung der informationellen Trennung von Polizeien und Geheimdiensten bei. Die „Antiterrordatei“ (ATD) ist die bekannteste dieser Datensammlungen – sie wurde in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2013 in einigen Teilen als rechtswidrig bewertet.

Derzeit wird in Berlin ohne besondere kritische Öffentlichkeit über Veränderungen an der „Anti-Terror-Gesetzgebung“ verhandelt. Bürger- und Menschenrechtler und Opposition sehen dem mit großer Skepsis entgegen.

Wir haben in Hannover als freiheitsfoo unsere eigenen Erfahrungen gemacht, wie schnell wir bzw. Daten von uns an den Geheimdienst gelangen. Ähnliches wird aus anderen Städten (z.B. Göttingen, Berlin) berichtet:

 

Hannover: Grundlose Weitergabe von Demodaten durch die Polizei Hannover an den Geheimdienst und widerrechtliche Videoüberwachung einer Demo durch diesen

Auf Nachfrage erhielten wir es schriftlich: Die Polizei Hannover hat in eigener Initiative und in ihrer Rolle als Versammlungsbehörde Demoanmelder-Daten einer Snowden-Demonstration vor dem niedersächsischen „Verfassungsschutz“ an ebendiesen weitergeleitet. Ohne irgendeinen konkreten Grund dafür zu haben und ohne die davon Betroffenen zu unterrichten.

Weiter: Der Inlandsgeheimdienst überwachte die friedliche und im öffentlichen Raum stattfindende Demo von seinem Gebäude aus und zeichnete die Demo auf; es erfolgte eine anschließende „Sichtung“ der Bildaufnahmen. Der zunächst als Begründung dafür angegebene Grund, der Protest sei eine „abstrakte Gefahr“ gewesen, wurde später als unhaltbar, als unsinnig zurückgenommen. Doch selbst dazu bedurfte es eines weiteren Briefes und einiger Monate Geduld bis zu dessen Beantwortung.

Ebenso hat die Polizei in Hannover auch die Demoanzeige der Humanistischen Union samt aller Personendaten der Anmelderin unzulässigerweise an den Geheimdienst weitergeleitet. Bei dem Protest am 9.2.2014 ging es um den Auftakt zur Kampagne „Ausgeschnüffelt“.

 

Niedersachsen: Rund 40% aller vom Inlandsgeheimdienst erfassten Personenakten illegal

Eine Arbeitsgruppe des niedersächsischen Landtags stellt fest: Rund 40% der beim niedersächsischen Inlandsgeheimdienst angelegten Personenakten sind rechtswidrig angelegt worden. Vor der Erfassung von Kindern und Jugendlichen wurde ebensowenig Halt gemacht, wie vor Einträgen aufgrund von Nichtigkeiten und Bekanntschaften aus ‚falschem Kreise‘.

Anstelle der Sache nachzugehen und die dafür Verantwortlichen auszumachen und mittels Strafverfolgung aufzuklären hat man sich unter der Verantwortung des Innenministers dazu entschlossen, die illegal gespeicherten Daten nicht zu sperren, sondern möglichst schnell zu löschen – und damit natürlich für die Ermittlungen notwendige Beweismittel zu vernichten.

 

Berlin: Die Polizei als Berichterstatter des „Verfassungsschutzes“

In Berlin hat sich durch Einsicht in Polizeiakten gezeigt, dass personenbezogene Daten von Anmeldern und die so genannten Verlaufsberichte über Versammlungen anlasslos an den Geheimdienst (Abteilung II der Senatsverwaltung für Inneres und Sport) weitergeleitet worden sind. Ausgangspunkt war beispielsweise eine friedliche Satire-Aktion zur Kritik am ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wegen dessen plagiierter Doktorarbeit. Doch das reichte der Polizei Berlin offenbar aus, um einen inhaltlich kritikwürdigen Demonstrationsbericht zu erstellen und diesen an den Berliner „Verfassungsschutz“ in Form einer internen E-Mail-Korrespondenz weiterzugeben.

Auch die anwesenden Journalisten von „ARD, RTL und RBB“ werden darin von der zuständigen Polizeiführerin in absurde politische Kategorien eingeordnet:

„Die Unmutsäußerungen und die polizeilichen Maßnahmen wurden intensiv durch Vertreter der linksorientierten Presse verfolgt.“

Nach den bewiesenen Speicherungen beim Niedersächsischen Geheimdienst stellt sich deshalb auch in Berlin die Frage, ob Journalisten wegen ihrer Tätigkeit bespitzelt worden sind.

 

Fazit: Von der Demoteilnahme über Polizeiberichte in die politischen Datenbanken bei Geheimdiensten

Die drei Fälle zeigen, dass der Weg von der Teilnahme an einer beispielsweise humoristischen Demonstration über fragwürdige Demoeinordnung der Polizei bis zur Personenakte und damit dem Eintrag in Datenbanken bei Geheimdiensten sehr kurz sein kann und – wie in Niedersachsen belegt – auch oft ist.

Die Konstruktion der politischen Einstellung oder Gesinnung von Teilnehmern als „links“ ist dabei analog zur Presseeinordnung in Berlin sicherer, als dass sich Polizei und Geheimdienste bei der Datenverarbeitung an rechtsstaatliche Prinzipien halten. Aber unabhängig davon, dass sich Polizeien und Geheimdienste bei Demonstrationsüberwachungen, Identitätsfeststellungen von Teilnehmer*innen und der Datenverarbeitung rechtswidrig verhalten, ist aus Sicht der im Grundgesetz festgeschriebenen bürgerlichen Freiheitsrechte hier das Problematische – wenn nicht gar Skandalöse – wie die exekutive Gewalt die politische Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit nicht nur missachtet, sondern beides gezielt nutzt, um Profile politisch Aktiver zu erstellen und Datenbanken politischer Gesinnung zu füllen. Diese Praxis erfolgt nachweislich unabhängig jeglicher tatsächlichen oder vermeintlichen Gefährdung durch Versammlungen, bewirkt aber durch die repressiven Möglichkeiten von Polizeien und deren geheimdienstlichen Zuträgern die Einschüchterung demonstrationswilliger Menschen und generell politischer Aktivist*innen.

Dabei wird bei der dargestellten Praxis sogar das Trennungsgebot aufgehoben, welches in der organisatorischen Trennung zwischen anlassbezogenem Zugriff (Information führt zu Handeln: Polizei) und anlassloser Überwachung und Unterwanderung (Handeln generiert Information: Geheimdienste) innerhalb des ausführenden Gewaltapparates sowieso hauptsächlich ein politischer Kniff und sozio-psychologische Augenwischerei ist, um ein umfassendes Vorgehen gegen politische Gegner legitimieren zu können.

Nichtsdestotrotz ist die zunehmende organisatorische und praktische Erosion dieser Trennung eine fatale Fehlentwicklung, die fundamentale Prinzipien bundesdeutscher Rechtsstaatlichkeit und damit bürgerlicher Freiheiten aushöhlt. Und dies kann nicht mit der Behauptung, es gehe nur um den „Austausch von Informationen und Wissen“ – in Form von Daten – weggewischt werden, denn die informationstechnische Zusammenarbeit zwischen Polizeien und Geheimdiensten ist nicht nur ein Teil, sondern die vollständige Aufhebung der Grenze zwischen beiden.

 

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