Widerspruch zur Forderung des niedersächsischen Innenministers Pistorius (SPD) zur Vorratsdatenspeicherung

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Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius meldet sich in der heutigen Ausgabe der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) mit der Forderung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu Wort.

Von einem „dringenden Bedürfnis aufgrund von Sicherheitserfordernissen“ ist die Rede und dass es im Internet „auch keinen rechtsfreien und strafverfolgungsfreien Raum geben dürfe.“

Dazu nimmt die Initiative freiheitsfoo wie folgt Stellung:

1.) „Das“ Internet ist und war niemals „rechtsfreier Raum“, sofern man „das Internet“ vernünftigerweise überhaupt als „Raum“ bezeichnen kann. Straftaten, die mittels Telekommunikation oder mittels TK-Medien begangen werden, werden von der Polizei seit jeher erfolgreich verfolgt – ihre Aufklärungsquote (2011: 65%) liegt deutlich über denen anderer Straftaten außerhalb „des Internets“ (54%).

2.) Einen sachlichen Beleg des „dringenden Bedürfnisses“ bleibt Herr Pistorius schuldig, denn eine ständig wiederholte Erzählung schlimmer Einzelfälle, deren Belegbarkeiten in diesem Zusammenhang zudem entweder anzuzweifeln sind oder meistens ganz fehlen, darf niemals als Begründung für die Durchsetzung neuer Gesetzgebungen missbraucht werden. Vor allem dann nicht, wenn damit schwerwiegende Grundrechtseingriffe verbunden sind.

3.) Die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung bedeutet einen juristischen Paradigmenwechsel und die Abkehr vom Grundsatz der Unschuldsvermutung.

4.) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung ausdrücklich auf eine anzustellende Überwachungs-Gesamtrechnung hingewiesen. Im Lichte des sich fortlaufend ausweitenden Skandals sich verselbständigender Geheimdienste (auch in Deutschland!) und nach Einführung von SWIFT- und Fluggastdatenspeicherungs-Abkommen ist eine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland alleine deswegen nicht mehr tragbar. Der allgemeine Überwachungsdruck ist schon jetzt unerträglich hoch und schadet den Menschen und unserer Gesellschaft.

5.) Ob der Europäische Gerichtshof die derzeitige EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung „nur“ beschränkt, aussetzt oder ganz kippt, ist unsicher. Der EU-Generalanwalt hat aber sehr klar ausgedrückt, dass die derzeitige und seit Jahren von CDU/CSU verteidigte Richtlinie auf jeden Fall mit der in der EU verankerten Grundrechte-Charta unvereinbar ist!

6.) Die seinerzeit von der EU-Kommission angedrohte Strafzahlung bei Nicht-Umsetzung der somit unhaltbaren EU-Richtlinie ist insofern gar nicht mehr durchsetzbar. Eine solche Strafzahlungsdrohung hat im übrigen das Land Niedersachsen auch nie gekümmert, als es sich über viele Jahre hinweg den Forderungen der EU-Kommission zur Änderung des VW-Gesetzes verweigert hat.

7.) Im niedersächsischen, rot-grünen Koalitionsvertrag heißt es auf Seite 80: „Die rot-grüne Koalition wird sich auf Europa- und Bundesebene, im Bundesrat und in der Innenministerkonferenz, gegen die derzeit diskutierten Varianten der Vorratsdatenspeicherung einsetzen. Sie hält dieses Verfahren für einen hochproblematischen Eingriff in die Grundrechte.“ Schnee von gestern?

8.) Wenn CDU/CSU- und SPD-Politiker öffentlich von Umsetzungszwang oder Alternativlosigkeit der Vorratsdatenspeicherung sprechen, dann offenbart dieses nicht nur ihren Hang zum Populismus sondern belegt auch einen konkreten Mangel an politischer Gestaltungskraft.

 

Wir von freiheitsfoo bedauern den einseitigen und offensichtlich innerhalb der niedersächsischen Regierungskoalition unabgesprochenen Vorstoß des niedersächsischen Innenministers.

Wir lehnen jede Form der Vorratsdatenspeicherung kategorisch ab und werden uns bei der Einführung einer solchen Regelung mit allen uns zur Verfügung stehenden technischen Mitteln offen dagegen zur Wehr setzen.

Privatsphäre und Anonymität sind Grundbedürfnisse menschlichen Lebens und notwendig, damit sich Menschen frei und selbstbestimmt entfalten und entwickeln können, so wie es der Artikel 2 des Grundgesetzes verspricht. Eine Vorratsdatenspeicherung würde beides empfindlich verletzen. Dagegen möchten und werden wir uns einsetzen.

 

Weitere Informationen auf der dazugehörigen Seite im freiheitsfoo-Wiki.

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