Am 03.10.2014 kam es in Hannover zu Demonstrationen gegen die Feierlichkeiten der Einheitsfeier, die dieses Jahr in der niedersächsischen Hauptstadt ausgetragen wurden. Das Motto der großen Demonstration am 03.10.2014 war: „Was ihr feiert: Armut, Ausgrenzung, Leistungszwang“ und richtete sich hauptsächlich gegen Nationalismus, Kapitalismus und das unreflektierte Verhalten der Regierungen und der Bevölkerung.
Diese Nachricht wurde im Rahmen der angemeldeten Demo von 14:00 bis ca. 17:00 Uhr und im Rahmen von verschiedenen „Stör-Aktionen“ ab ca. 18:00 Uhr am Maschsee versucht zu überbringen, wo die Party-Meile der Einheitsfeierlichkeiten aufgebaut war.
Einige örtliche Zeitungs- und Online-Medien berichteten darüber:
http://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Einheitsfeier-174-Demonstranten-festgenommen
http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Tausend-Demontranten-ziehen-durch-die-City
Uns erscheint die Berichterstattung lückenhaft und tendentiös – zumindest geben Augenzeugenberichte ein deutlich anderes Bild.
Um ein ausgewogeneres Bild der Geschehnisse von diesem Tag zu ermöglichen, stellen wir hier der von dem Madsack-Konzern dominierten hannoverschen Zeitungspresse die uns glaubwürdig erscheinenden Erlebnisberichte gegenüber.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung („HAZ“) berichtete am 3. und 4.10.2014 zu den Protesten anhand der Einheitsfeierlichkeiten:
„Nach 19 Uhr griff die Polizei durch und am Maschsee in Höhe des Pier 51 vorläufig 174 Randalierer in Gewahrsam. Erst ab Mitternacht wurde es dann ruhig.“
Und die Neue Presse aus Hannover („NP“):
„Nach dem Ende der offiziellen Demonstration zogen viele Aktivisten dann in Kleingruppen zum Maschsee weiter und versuchten das Bürgerfest zu stören. Gegen 19.20 Uhr nahm die Polizei schließlich am Pier 51 (Höhe Altenbekener Damm) rund 130 Personen fest. Randalierer hätten „massiven Widerstand und Angriffe“ gegen Beamte geleistet, sagte Polizeisprecherin Martina Stern. Insgesamt gab es 174 Festnahmen.“
Einige Menschen von uns waren bei nahezeu allen Stör-Aktionen vor Ort. Da wir die Art und den Inhalt der bisherigen Berichtserstattung für unerträglich, diffamierend und einseitig halten, möchten wir berichten, wie es aus unserer Sicht ablief.
Ein Hinweis vorab: Natürlich können wir nicht die „Wahrheit“ wiedergeben. Genauso wenig, wie es die Polizei oder die anderen Medien können. Alle Angaben werden, so gut es eben geht, objektiv und nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Da, wo wir uns unsicher sind, werden wir dies deutlich ansprechen.
Von den Demonstrant*innen wurde der Begriff „Stör-Aktionen“ für ihre Protest-Aktionen gewählt. Dieser Begriff ist oberflächlich betrachtet vermutlich unnötig provokant, nur sagt dieser Begriff nicht mehr oder weniger aus auch als der Begriff „Demonstration“.
Bei einer Demonstration geht es auch darum, den Alltag der Menschen, Behörden oder Unternehmen so zu „stören“, dass diese auf einen aufmerksam werden und die Nachricht empfangen können, die die Demonstrant*innen mitteilen wollen.
Auszug aus dem Brokdorf-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, Randnummer 66:
„Große Verbände, finanzstarke Geldgeber oder Massenmedien können beträchtliche Einflüsse ausüben, während sich der Staatsbürger eher als ohnmächtig erlebt. In einer Gesellschaft, in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt ist, verbleibt dem Einzelnen neben seiner organisierten Mitwirkung in Parteien und Verbänden im allgemeinen nur eine kollektive Einflußnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit für Demonstrationen. Die ungehinderte Ausübung des Freiheitsrechts wirkt nicht nur dem Bewußtsein politischer Ohnmacht und gefährlichen Tendenzen zur Staatsverdrossenheit entgegen. Sie liegt letztlich auch deshalb im wohlverstandenen Gemeinwohlinteresse, weil sich im Kräfteparallelogramm der politischen Willensbildung im allgemeinen erst dann eine relativ richtige Resultante herausbilden kann, wenn alle Vektoren einigermaßen kräftig entwickelt sind.“
1. Stör-Aktion am Niedersächsischem Landesmuseum gegen 18:00 Uhr.
In der Zeit vor 18:00 Uhr versammelten sich nach und nach Demonstrant*innen, um auf den Start der Aktion zu warten. Wir konnten beobachten, dass Besitzer von (Verkaufs-)Ständen die Polizei schon alamiert hatten, weil sie aus ihrer Sicht links-aussehende Menschen entdeckt hatten, die auf der Wiese saßen.
Gegen 19 Uhr befanden sich ca. 40 Menschen auf den Treppen des Eingangs-Bereiches des Landesmuseums und fingen an, entsprechende Parolen zu rufen. Welche dies genau waren, wissen wir nicht mehr. Die üblichen waren aber „A-Anti-Anticapitalista“, „Nie wieder Deutschland“, „Die Nazis morden der Staat schiebt ab, es ist das gleiche Rassisten-Pack“ sowie vereinzelt „Alerta Antifascista“ und „Siamo tutti antifascisti“.
Der gemietete „Security-Dienst“ und ein paar Polizist*innen (insgesamt ca. 10 Personen) waren sofort vor Ort, aber griffen nicht ein. Vereinzelt machten Antifaschist*innen von der anderen Straßenseite aus bei den Rufen mit. Nach etwa 5 Minuten beendeten die Demonstranten ihre Aktion. Ein Großteil ging am Rudolf-von-Bennigsen-Ufer in südlicher Richtung entlang. Kurze Zeit später kamen ca. 7 Polizei-Busse an und fuhren in die selbe Richtung, den Demonstrant*innen nach. Dabei fiel auf, dass die Polizei sehr schnell fuhr (ca. 50 km/h), was als ziemlich riskant bewertet werden kann, da das gesamte Rudolf-von-Bennigsen-Ufer voller Menschen war.
Während der Demo-Aktion konnte man auf der anderen Straßenseite mitbekommen, wie einige wenige Besucher des „Festes“ die Demonstranten als „linkes Gesindel“ (u.ä.) beleidigten. Daher fanden auch vereinzelt Streitgespräche statt, die völlig ohne körperliche Angriffe vonstatten gingen.
Mindestens ein Demonstrant wurde von der Polizei mitgenommen.
Auszug aus dem Brokdorf-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, Randnummer 69:
„Nach alledem werden Versammlungen in der Literatur zutreffend als wesentliches Element demokratischer Offenheit bezeichnet: „Sie bieten … die Möglichkeit zur öffentlichen Einflußnahme auf den politischen Prozeß, zur Entwicklung pluralistischer Initiativen und Alternativen oder auch zu Kritik und ProBVerfGE 69, 315 (346)BVerfGE 69, 315 (347)test …; sie enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren.“
2. Stör-Aktion am Sprengel-Museum gegen 18:30 Uhr.
Weiter südlich vom Landesmuseum befindet sich das Sprengel-Museum. Vor der Aktion saßen die Demonstrant*innen entspannt am Museum rum und vertrieben sich die Zeit. Als es gegen 18:30 Uhr ging und schon ca. 70 Leute dort waren, konnte mensch sehen, dass die Polizei wieder Wind von der Sache bekommen hatte. Die Polizei fing an (zunächst ca. 20 Polizist_Innen) sich zwischen die sitzenden Demonstranten zu bewegen und Präsenz zu zeigen.
Davon unbeeindruckt stiegen zwei Menschen auf eine naheliegende Mauer (in ca. 1,5 m. Höhe) und hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Was ihr feiert: Armut, Ausgrenzung, Leistungszwang“ hoch. Gerufen wurde zunächst nichts. Die anderen Demonstranten versammelten sich dann vor der Mauer. Nach paar Minuten fingen einige an zu klatschen und die anderen Menschen stimmten ein. Nach weiteren Minuten des Klatschens begannen einige Protestierende damit, Parolen zu rufen. Da dieses mal die Polizei schon zahlreich vor Ort war, bildeten diese sofort eine Reihe, um sich vermutlich startklar zu machen. Nach 4-5 Minuten stiegen die 2 Menschen mit dem Transparent von der Mauer herab und wollten durch die Menge als Demonstrationszug laufen. Die Polizei verhinderte das Gehen und fing an, die Demonstranten einzukesseln – zumindest von der Seite des Festes aus. Nun gibt es zwei Meinungen über den weiteren Verlauf.
1. Meinung
Eine kleine schwarze Rauchfontäne wurde gezündet. Die Demonstranten zogen sich zurück Richtung Sprengel-Museum. Dann sah man, dass ohne offensichtlichen Grund ca. 10 Demonstranten sehr schnell weg rannten. Kurz danach jagten ca. 8 Polizisten auf Pferden die Personen in einem sehr schnellen Tempo. Subjektiv betrachtet könnte man das Tempo als das eines geübten Sprinters einschätzen.
2. Meinung
Dann sah man, dass ohne Vorwarnung ca. 10 Demonstranten schnell wegrennen. Daraufhin jagten ca. 8 Polizisten auf Pferden die Personen in einem sehr schnellen Tempo. Subjektiv betrachtet könnte man das Tempo als das eines geübten Sprinters einschätzen. Eine kleine schwarze Rauchbombe wurde gezündet. Die Demonstranten zogen sich zurück Richtung Sprengel-Museum.
So oder so konnte sich der Großteil der Demonstranten entfernen. Festnahmen der Polizei konnten nicht beobachtet werden.
Auszug aus dem Brokdorf-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, Randnummer 64:
„In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, wobei die Teilnehmer einerseits in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art. des Auftretens und des Umganges miteinander oder die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.“
3. Stör-Aktion am Pier 51 gegen 19 Uhr.
Als wir am Pier 51 ankamen, hatten ca. 20 Personen schon angefangen hatten Parolen zu rufen. Da es schon am dämmern war, konnten wir die tatsächliche Menge an Demonstranten nicht einschätzen. Der „Trampelweg“ am Ufer war aber in der Breite ausgefüllt. Passanten und Gäste wurden durchgelassen. Zwischen den Rufen konnte man ca. 2-3 Mal das Knallen eines Böllers hören. Der Böller war von der Lautstärke her kaum lauter als die Rufe, stach aber aufgrund seines typischen Knalls deutlich hervor. Nach ca. 7 Minuten kam die Polizei auch hier hin und fing an, die Demonstranten einzukesseln. Einige flüchteten dann zwischen den (Verkaufs-)Ständen, aber wie man in den anderen Medien auch lesen konnte, wurden wohl viele mitgenommen.
Auszug aus dem Brokdorf-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, Randnummer 62:
„Als Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugute kommt, gewährleistet Art. 8 GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art. und Inhalt der Veranstaltung und untersagt zugleich staatlichen Zwang, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fernzubleiben. Schon in diesem Sinne gebührt dem Grundrecht in einem freiheitlichen Staatswesen ein besonderer Rang; das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, galt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewußten Bürgers. In ihrer Geltung für politische Veranstaltungen verkörpert die Freiheitsgarantie aber zugleich eine Grundentscheidung, die in ihrer Bedeutung über den Schutz gegen staatliche Eingriffe in die ungehinderte Persönlichkeitsentfaltung hinausreicht.“
Fazit
Es waren „Stör-Aktionen“, wie es jede Demonstration auch eine ist. Von den Böllern und der Rauchbombe abgesehen, die es am Anfang ja auch nicht gab, konnte man aber schon erkennen, dass die Polizei unverhältnismäßig hart reagierte. Letztendlich waren es nur nicht-angemeldete Demonstrationen. Also Ordnungswidrigkeiten. Und deswegen dann z.B. Menschen in schnellem Tempo mit Pferden zu jagen, halten wir für völlig überzogen und zeigt das nicht-neutrale Auftreten der Polizei.
Dieser Bericht ist zwar nicht sehr lang und ausführlich, aber immerhin doch etwas genauer als die wenige Zeilen langen und aus unserer Sicht insgesamt unrichtig wiedergebenen Darstellungen der Medien des Madsack-Konzerns.