Polizeiliche Videoüberwachung in Hannover: Polizei verhüllt ihre abgeschalteten, zuvor rechtswidrig betriebenen Kameras, will sie aber später weiterbetreiben [Update]

Polizeiliche Verhüllungskunst direkt vor dem Sprengel-Museum in Hannover, in dem übrigens gerade und noch bis zum 25.4. die Ausstellung „How to survive“ zu sehen ist. Hallo Christo!

Neben der seit nunmehr über einen Jahrzehnt andauernden Posse um eine korrekte Kennzeichnung der Orte in Hannover, die von der Polizei permanent unter Videoüberwachung gesetzt worden sind, hat nun ein weiterer Streitpunkt eine neue Markierung erreicht:

Es geht um die Frage, wie mit Polizeikameras umzugehen ist, die im öffentlichen Raum aufgestellt sind, aber – zumindest den Angaben der Polizei zufolge – nicht in Betrieb sind. Davon gibt es in Hannover derzeit mindestens fünf.

In kurz und vorweg genommen: Wir haben durchsetzen können, dass diese Kameras wenn schon nicht abgebaut, dann doch zumindest verhüllt, also eingetütet werden. Doch die Polizei deutet an, dass sie nach der Rechtssprechung des OVG, die den Betrieb dieser Kameras unter den derzeitigen Bedingungen als rechtswidrig bewertet hat, dass sie die Kameras wieder aktivieren wird. Warum das dann rechtens sein soll, dazu schweigt sich die Behörde beharrlich aus.

Die ganze unterhaltsame Geschichte im Detail:

Die Polizei Hannover vertrat zunächst die Ansicht, dass das alles kein Problem sei, weil die Kameras ja abgeschaltet seien musste erst eine schriftliche Aufforderung an die Behörde ergehen, damit diese tätig werden. Denn es ist für Passanten keineswegs erkennbar, ob eine Polizeikamera ativ ist oder nicht.

Also schrieb ein Einwohner der Stadt Hannover am 24.1.2021 an die Polizei und forderte u.a.

diejenigen Polizeikameras, deren Betrieb das OVG NDS als rechtswidrig bewertet hat (Az.: 11 LC 149/16, Urteil vom 6.10.2020), zu entfernen, also abzubauen, denn für mich als jemand, der den von diesen potentiell überwachten Bereich passiert wird nicht deutlich, dass diese tatsächlich außer Betrieb gesetzt worden sind. Daran ändert auch nichts, dass die Polizei-Aufkleber größtenteils entfernt worden sind.“

Darauf reagierte der oberste Justiziar der Polizeidirektion Hannover am 8.2.2021 wie folgt:

„Zu Ihrer Ziff. 5 ist mitzuteilen, dass der Fernzugriff auf die von Ihnen genannten fünf Standorte gemäß Auftrag meiner Behörde bereits am 09.10.2020 von der ÜSTRA abgeschaltet wurden. Ohne diese – über das Leitungsnetz der ÜSTRA realisierte – Anschaltung hat die Polizeidirektion in Ihrem Lagezentrum technisch keinen Zugriff mehr auf die genannten Kamerabilder. Vor der Abschaltung wurden die betreffenden Kameras zudem in die sog. „Nullstellung“ gefahren, so dass für die Bürgerinnen und Bürger ersichtlich ist, dass keine personenbezogenen Daten erhoben werden können. Überzeugen Sie sich gerne vor Ort selbst. Sollten Sie einen anderen Sachverhalt feststellen, teilen Sie mir dies gerne mit. (…) Die Prüfung der weiteren Voraussetzungen, welche das OVG in seinem Urteil an eine Wiederinbetriebnahme geknüpft hat, dauert gegenwärtig noch an. Eine Wiederinbetriebnahme wird die Polizeidirektion rechtzeitig in ihrem Internetauftritt allgemein bekannt geben.“

Also: Eine „Nullstellung“ der Kameras, damit die Menschen erkennen könnten, dass die Kameras außer Betrieb seien.

Und: Die Kameras sollen doch wieder irgendwann eingeschaltet werden. Um das mitzukriegen, solle man – am besten täglich – die Internetseite der Polizei besuchen und auf Änderungen dort auf der Homepage achten – um nicht zu sagen: dort auf Suche nach solchen Änderungen suchen. Transparente und initiative informierende Polizeiarbeit sieht anders aus.

Nun gab es nur noch ein „Problem“: Was ist eine „Nullstellung“? Und: Warum ist eine der betreffenden Kameras dann immer noch in Bewegung bzw. ändert ihre Ausrichtung ab und zu mal?

Wir baten die Polizeidirektion Hannover darum, den Begriff der „Nullstellung“ zu bestimmen. Diese antwortete:

„Hierzu verweisen wir auf unsere Antwort vom 08. Februar 2021: „…so dass für die Bürgerinnen und Bürger ersichtlich ist, dass keine personenbezogenen Daten erhoben werden können.“ Ergänzend kann mitgeteilt werden, dass eine Vielzahl solcher „Nullstellungen“ möglich ist: gg. eine Hauswand gerichtet (kein Fenster), nach oben in den Himmel gerichtet, in eine Baumkrone gerichtet, senkrecht nach unten, etc.; die Auswahl der geeigneten „Nullstellung“ richtet sich nach den örtlichen Bedingungen.“

Und zur Frage, mittels welcher Maßnahmen und wann die bislang vom OVG Lüneburg als rechtswidrig verurteilten Kameras dann doch angeblich rechtlich korrekt wieder in Betrieb genommen werden – dazu wollte uns die Polizei gar nichts mitteilen.

Am 2.3.2021 teilten wir der Polizei dann mit, dass einige der Kameras die von ihr selber aufgestellten Bedingungen einer „Nullstellung“ gar nicht erfüllten. Und dass die Kamera am Lister Platz – nach Angaben der Polizei längst außer Betrieb – sogar zwischenzeitlich bedient, nämlich geschwenkt worden ist. Und überhaupt: Dass die polizeilich definierte „Nullstellung“ gar nicht ausschließt, dass die Kamera Menschen und ihr Verhalten erfasst und erst recht nicht für Passanten erkennbar machen kann, dass die Kamera außer Betrieb gesetzt ist.

Nun erst lenkte die Polizei ein und teilte zwei Wochen später mit, dass …

„… der von Ihnen genannte Kamerastandort nun auch noch, zusätzlich zu den Ihnen bereist bekannten Maßnahmen, abgedeckt beziehungsweise verhüllt worden [ist].“

Tatsächlich hat die Polizei dann aber alle fünf strittigen Kameras mit Plastikfolien verhüllt (bzw. durch einen Subunternehmer verhüllen lassen), wohlahnend, dass sie diese ansonsten hätte abbauen müssen.

Auch eine weitergehende Anfrage beantwortete die Polizeidirektion dann nur noch lapidar und wenig aussagekräftig:

„Die Abschaltung der Aufnahmefunktion einer Kamera erfolgt unabhängig von deren Bewegung. Da die Abschaltung der Aufnahmefunktion der Kamera am „Lister Platz“ definitiv bereits im vergangenen Jahr erfolgt ist, liefert diese der Polizei seitdem definitiv keine Aufnahmen von dem betreffenden Standort. Da die Technik jedoch noch immer mit Strom versorgt wird, ist nicht auszuschließen, dass es zu einer unbeabsichtigten Bewegung gekommen sein kann.

Kurios: Eine herrenlose, stationäre Überwachungskamera im öffentlichen Raum, die sich von selber – und ohne Zutun der Betreiber – bewegt? Eine Geisterkamera?

Die Polizei schrieb denn auch noch:

„Eine verhüllte Kamera stellt aus Sicht der Polizeidirektion Hannover darüber hinaus keinen Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung dar.“

Ja, das sehen wir genau so und haben das auch nie anders behauptet. Es ist schon merkwürdig, wie die Polizei nun den Eindruck erwecken will, als seien die Kameras doch schon immer verhüllt gewesen. Das war jedenfalls nur das Ergebnis unserer beharrlicher Nachfragen.

Immerhin insoweit eine kleiner Erfolg der nun seit dreizehn Jahren andauernden kritischen Begleitung polizeilicher Videoüberwachung in Hannover.

Schließlich hat ein Bewohner der Stadt Hannover die Behörde nun noch dazu aufgefordert, die aus seiner Sicht unrichtig bzw. zu viel angebrachten Kennzeichnungsschilder zu entfernen oder zu versetzen.

Indes: Wann und unter welchen Bedingungen die verurteilen Polizeikameras wieder in Betrieb gehen, bleibt unklar und die Polizei will hierzu auch keine Aufklärungsarbeit leisten. Weitere Klageschritte stehen also im Raum.

 

[UPDATE 14.4.2021]

Hier noch ein paar Bilder zu den Situationen vor Ort. Es ist nicht immer einfach zu erkennen, dass die Kamera verhüllt ist und keine Bilder mehr an die Polizei liefern kann. „Bestes“ Beispiel dafür ist die Kamera am Schützenplatz.

Schützenplatz

Niedersachsenstadion

Sprengelmuseum/Maschsee-Nordufer

„Expo-Plaza“

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