Klage gegen die Section Control geht in die Berufung zum OVG Lüneburg … und ein paar kleine Widersprüchlichkeiten seitens der Polizei und des Innenministeriums

Nordbrücke der Section-Control-Pilotanlage bei Hannover

Gegen die in Niedersachsen bei Hannover befindliche Pilotanlage zur „Section Control“-Durchschnittsgeschwindigkeits-Messanlage waren zwei Klagen eingelegt worden. Bei der Behandlung der ersten Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover verfügte dieses am 12.3.2019 die sofortige Abschaltung der Erfassungs- und Überwachungsanlage mangels Rechtsgrundlage.

Wie zu erwarten hat die Polizeidirektion Hannover nun Berufung gegen das Urteil eingelegt, so dass (vermutlich allerdings erst nach erfolgter Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes inklusive der Verankerung einer Rechtsgrundlage für die Section Control) die Zulässigkeit einer Section-Control-Verkehrsüberwachung in der zweiten Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg erneut be- und verhandelt wird.

Das alles geht sowohl aus den Gerichtsakten des zweiten Verfahrens als auch aus einer (erneut zäh und nur in Teilen beantworteten) Presseanfrage an das niedersächsische Innenministerium hervor.

Daraus ergeben sich allerdings auch ein paar Merkwürdigkeiten bzw. Widersprüche:

 

Wann erfolgte die Einlegung der Berufung?

Die Polizeidirektion Hannover schreibt:

„[Wir haben] gegen den vorgenannten Beschluss am 29.03.2019 Beschwerde eingelegt.“

Das Innenministerium schreibt dagegen:

„Ein Schreiben betreffend die Einlegung der Berufung wurde seitens der PD Hannover am 15.04.2019 an das VG Hannover versandt.“

Das ist eine zeitliche Differenz von zweieinhalb Wochen.

 

Was war das tatsächliche Abschaltedatum der Pilotsprojektsanlage?

In den Medien wurde behauptet oder gemutmasst, dass die Überwachungsanlage noch am Tag des gerichtlichen Beschlusses, also am 12.3.2019 abgeschaltet worden sei. Der Gerichtsbeschluss wurde am Nachmittag dieses Tages verkündet.

Auch das Innenministerium behauptet das uns gegenüber genau so:

„Infolge der Entscheidungen des VG Hannover am 12.03.2019 wurde der Betrieb der „Section Control“ – Anlage softwareseitig noch am selben Tag beendet. Am Montag, den 18.03.2019, gegen 12.30 Uhr wurden schließlich die Spurkameras an der Anlage durch die Firma Jenoptik abgedeckt.“

Dem gegenüber schrieb uns der zu diesem Thema in der nds. SPD-Fraktion tonangebende Innenpolitiker Carsten Becker am 29.3.2019:

„Die Polizeidirektion Hannover [hat], als zuständige Behörde, die Geschwindigkeitsmessanlage nach meiner Kenntnis auch bereits am Folgetag außer Betrieb genommen.“

 

Eine in sich Widersprüchliche Erwiderung der Polizei zur zweiten Klage

In der Erwiderung der Polizeidirektion Hannover zur zweiten anhängigen Klage schreibt diese sowohl:

„In der Verwaltungsrechtssache (…) wird beantragt, die Klage abzuweisen.“

Im gleichen Schriftstück heisst es allerdings auch:

„[Die Polizeidirektion Hannover] erklärt sich vorsorglich damit einverstanden, das hiesige Verwaltungsverfahren (…) zunächst auszusetzen und den Ausgangs des Verfahrens [der ersten Klage] abzuwarten.“

Das sind zwei widersprüchliche Forderungen bzw. Ansagen. Davon unabhängig wurde gegen beide Varianten Widerspruch eingelegt.

 

Angebliches Nichtwissen des Innenministeriums über den Umgang mit bislang von der Section Control erfassten „Verkehrssündern“

Merkwürdig gestaltet sich die Antwort des Innenministeriums auf die Frage, wie denn mit den angeblich (im Durchschnitt) zu schnell gefahrenen Verkehrsteilnehmern verfahren wird, die noch vor dem 12.3.2019, also vor der gerichtlich verfügten Abschaltung, von der Section Control erfasst und identifiziert worden sind.

Dafür sei man nicht zuständig – wir sollten uns dazu an die Bußgeldbehörde der Stadt Hannover wenden.

Mal davon abgesehen, dass sich das Innenministerium für diese „Antwort“ zwei Wochen Zeit gelassen hat erscheint es bemerkenswert, dass sich Innenministerium und Polizei derart uninformiert darstellen. Das nährt die Zweifel, ob die geplante Rechtsgrundlage für den Betrieb der Section Control-Anlage im kommenden erneuerten (und umstrittenen) Polizeigesetz Niedersachsens richtig verortet und zulässig ist.

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