Busse und Stadtbahnen in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover werden von der im wesentlichen im öffentlichen Besitz befindlichen üstra AG betrieben. In aller Regel zur großen Zufriedenheit der Kundschaft. Erneut gab es zur am letzten Donnerstag (25.8.2022) stattfindenden jährlichen Hauptversammlung der AG auch Fragen aus unseren Reihen an Vorstand und Aufsichtsrat, die sich in voller Länge in unserem Wiki nachlesen lassen.
Hier ein paar fragmentarische Auszüge aus den Antworten, die Informationen enthalten, die uns wichtig erscheinen. Kommentierungen stehen in [eckigen Klammern].
- Die üstra betreibt 3.999 Kameras in Bussen und Bahnen, an Haltestellen und Bahnhöfen. [Man darf damit von einer fast flächendeckenden Videoüberwachung des Raumes im und um den ÖPNV Hannover sprechen. Das BVerfG hat einer flächendeckenden Videoüberwachung stets eine pauschale Absage erteilt und davor gewarnt. Auf den ÖPNV Angewiesene können dieser faktisch nicht mehr ausweichen.]
- In 2021 wurden in 634 Fällen Aufzeichnungen der üstra-Überwachungskameras abgegriffen, in 247 Fällen davon der Polizei übergeben.
- Dem Unternehmen liegen allerdings keinerlei Informationen dazu vor, ob diese massive Überwachung ihrer Kundschaft auch in nur einem einzigen Fall bei der Aufklärung von Straftaten hilfreich war. Geschweige denn, ob die Überwachung Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verhindern konnte. [Den Nachweis der Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit bleibt die üstra also schuldig.]
- In 57 Fällen, bei denen die üstra gerne Kameraaufzeichnungen abgreifen wollte musste sie feststellen, dass die Kameras entweder defekt waren oder keine Aufzeichnungen gesichert werden konnten. [Das sind rund 9% aller Fälle.]
- Die Bilder der üstra-Kameras können in Fällen von Anschlägen oder Katastrophen in Echtzeit der Polizei zugeschaltet werden. Dieser Fall sei bislang aber noch nie eingetreten. [Dass der Zugriff technisch möglich ist, macht nachdenklich.]
- Die jährlichen Betriebs-, Führungs- und Instandhaltungskosten für die Videoüberwachungstechnik betrugen in 2021 128.000 Euro. [In 2019 betrugen diese noch 340.000 Euro. Die Nutzer des ÖPNV in Hannover müssen für ihre eigene Überwachung also auch noch nicht zu knapp bezahlen.]
- Die üstra betreibt in Hannover ein Lichtwellenleiter-Datennetz (LWL, Glasfaser), das auch von der Polizei mit genutzt wird, u.a. zur Übertragung der Bilder ihrer Überwachungskameras. Dafür zahlt die Polizei der üstra jährlich einen „geringen 5stelligen Betrag“.
- Die Anzahl üstra-intern registrierter „Vorfälle“ zu möglichen Straftaten hat von 2020 zu 2021 um 5,3% zugenommen.
- Am 4.2.2022 führte die üstra eine sog. „Schweigeminute“ für zwei zuvor in Rheinland-Pfalz getötete Polizisten durch. Für andere im Dienst oder bei der Arbeit getötete Menschen werden keine Schweigeminuten eingelegt. Die üstra Begründet diese Ausnahme bzw. Hervorhebung damit, dass „die GdP Niedersachsen und das Niedersächsische Innenministerium“ zur Beteiligung an der bundesweiten Aktion des Gedenkens aufgerufen hätten. [Ein bemerkenswerter Einfluss von Polizeilobby und Landesregierung! Und eine erneut bevorzugende Behandlung der Menschen im Polizeidienst gegenüber allen anderen Menschen.]
- Der Internetauftritt der üstra lässt sich nicht mittels Tor-Browser aufrufen. Begründung: „Der Zugriff auf unsere Systeme via Tor-Netzwerk ist gesperrt, weil Tor zunehmend für Cyberangriffe genutzt wird.“ [Das ist eine verschleiernde, ausweichende Antwort und wirft Fragen auf, inwiefern die Absicherung eines unbefugten Zugriffs mittels Aufruf der üstra-Homepage möglich sein könnte …]
- Anfang 2022 feierte man bei der üstra bzw. bei ihrem Tochterunternehmen protec die Einführung eines Teleskop-Schlagstocks. Neusprechartig wird dieser als „Einsatzstock, kurz, ausziehbar“ oder – noch kürzer und weniger treffend – mit „knackigen Namen“ als „EKA“ verniedlichend betitelt. Weiter wird die Wirkung der Waffe im Beitrag weiter als „Begleitutensil“ oder auch als „ein kleiner Stock für Deeskalation und Sicherheit“ fragwürdig beworben. Der Schlagstock habe eine „deeskalierende Wirkung auf alle Fahrgäste“. Auf Nachfrage hin liegen der üstra keine Studien oder andere Belege für diese Behauptung vor. [Tatsächlich widerspricht sich die üstra in einem eigenen Blogbeitrag wie auch auf der Hauptversammlung sogar: Einerseits soll dieser Schlagstock weniger sichtbar sein als die zuvor eingesetzte Tonfa. Andererseits soll das sichtbare Vorhandensein der Waffe deeskalierend wirken. Siehe dazu auch unseren Blogbeitrag vom Februar 2022.]
- Die üstra und die Protec haben keine Ahnung, wie oft dieser oder jener Schlagstock eingesetzt werden. Dazu würden keine Daten erhoben und keine Statistik geführt. [Ohne eine solche lassen sich Wirkung und (Un)Sinn der Waffen nicht bewerten. Und auch nicht, wie sich der Waffenwechsel auf dessen Einsatzhäufigkeit auswirkt.]