Corona-Versammlungsverbote: Verwaltungsgerichte trauen sich endlich (wenn auch nur zaghaft), dem Grundrecht wieder auf die Sprünge zu helfen. Das führt zu Widersprüchen in der Rechtssprechung. Ein Beispiel.

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Quelle: Störfaktor

Langsam, aber nur ganz langsam erhebt sich das Versammlungs-Grundrecht aus der Asche der obrigkeitsstaatlichen Corona-Verordnungen und der unerhört vielfachen Bestätigungen vollständiger oder fast vollständiger Demonstrationsverbote durch die Verwaltungsgerichte in diesem Land. Das führt unweigerlich zu einigen Widersprüchen in der Rechtssprechung, wie das folgende Beispiel dokumentiert.

Mit der plakativen Überschrift „10. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover stoppt Versammlungsverbot“ teilt das Verwaltungsgericht Hannover am 16.4.2020 per Pressemitteilung mit:

„Nach Auffassung der 10. Kammer kann das Verbot [der Demonstration in Hildesheim] nicht auf die Corona-Verordnung gestützt werden. Die Corona-Verordnung enthalte zwar in § 2 durch die Beschränkung von Zusammenkünften von Personen faktisch ein Versammlungsverbot. Ein solch generelles Versammlungsverbot, das keine Ausnahmen zulasse, sei aber nicht mit der in Art. 8 GG gewährleisteten Versammlungsfreiheit vereinbar. Bei kleinen Versammlungen bestehe die Möglichkeit, den Gesundheitsschutz durch Beschränkungen der Versammlung zu gewährleisten. So habe die Stadt Hildesheim die Möglichkeit, das Tragen eines Mundschutzes anzuordnen, die Teilnehmerzahl zu begrenzen, Abstandsregelungen zu treffen, dem Versammlungsleiter die Erfassung von Namen und Anschrift der Teilnehmer aufzugeben und ggf. das Versammlungsgelände zu umzäunen.“

Da hat das Verwaltungsgericht Hannover seine Auffassung allerdings radikal geändert. Denn noch drei Wochen zuvor hatte es in einem ähnlich gelagerten Fall, dem Verbot eines Protestes in Hannover mit 5 bis 15 Teilnehmern unter Einhaltung der allgemeinen Corona-Hygienevorschriften, ganz anders geurteilt:

„Ob der Antragsgegner das ihm hinsichtlich der Art und des Umfangs der Maßnahmen eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, indem er im Rahmen der hier streitgegenständlichen Allgemeinverfügung Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum auf höchstens zwei Personen beschränkt und damit Versammlungen zunächst bis zum 18. April 2020 ausgeschlossen hat, muss im vorliegenden Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz hingegen offenbleiben. Eine abschließende Prüfung der dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen ist der Kammer in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Es spricht aber Überwiegendes dafür, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift im Einzelfall – soweit notwendig – auch die Beschränkung von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum auf höchstens zwei Personen umfassen kann, um das Ausmaß der Folgen einer Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zu begrenzen, auch wenn damit erheblich in die Rechte der betroffenen Bürger – insbesondere die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG – eingegriffen wird. (…) Gemessen an diesen Maßstäben überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der sich aus der Allgemeinverfügung ergebenden Beschränkungen.“

Für den Schaden an der Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch das vom Verwaltungsgericht bestätigte Verbot der für den 28.3.2020 geplanten Demonstration kann es keine Wiedergutmachung geben, diese Grundrechte wurden durch die richterliche Entscheidung verwirkt.

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