Veröffentlicht: Trickreiche Anweisungen des nordrhein-westfälischen Innenministeriums an die Landespolizei zur möglichst vollständigen Verhinderung von Demonstrationen

Dass die derzeitige Praxis der Mehrheit von Gerichten und der fast ausschließlichen Gesamtheit der Bundesländer-Corona-Verordnungen, Demonstrationen so gut wie vollständig zu verhindern, ja sogar unter Strafe zu stellen absurd, zumindest aber verfassungsrechtlich in diesme Ausmaß unhaltbar sein wird, das setzt sich als Erkenntnis langsam durch.

Einen weiteren negativen Höhepunkt dieses Trends stellt der am 9.4.2020 mit dem Titel „Einsatzmaßnahmen der Polizei aus Anlass von Versammlungen“ betitelte Eilerlass des nordrhein-westfälischen Innenministeriums dar, den wir hiermit veröffentlichen.

In dem Erlass heißt es – sofern nicht als Zitat gekennzeichnet – sinngemäß:

1.

Alle Demonstrationen sind verboten.

2a.

In Ausnahmefällen davon soll die Polizei Sonderrechte eingeräumt bekommen und bevorzugt gegenüber denjenigen eingebunden werden, die ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen wollen. Im Wortlaut:

„Die Kreispolizeibehörden haben im Rahmen der Einbindung der zuständigen Ordnungsbehörden darauf hinzuwirken, dass die Bedingungen, unter denen diese eine Versammlung ausnahmsweise zulassen, mit der Versammlungsbehörde einvernehmlich abgestimmt werden, insbesondere um Wechselwirkungen in der rechtlichen Ausgestaltung und Auswirkungen auf die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung ausreichend berücksichtigen zu können.“

2b.

Das „Vermummungsverbot“ mis- oder unvollständig interpretierend weist das NRW-Innenministerium an, dass seitens der Versammlungsbehörden „keine Schutzmaskenpflicht angeordnet werden sollte.“ Man könnte auch sagen: Pauschale und anlassbefreite Unterstellung einer gewalttätigen Demo geht vor dem Schutz der Gesundheit der Demoteilnehmer.

3.

Im Widerspruch zum Vorgenannten soll die Polizei dafür sorgen, dass die Ordnungsbehörden die Demonstrationen begleiten und „die Einhaltung angeordneter Vorgaben (…) überwachen und bei Nichteinhaltung“ für die Auflösung der Demo sorgen. Eine Art Blockwartfunktion, die man hier dem Ordnungsamt beimisst. In Verbindung mit Punkt 2b scheint es sich hierbei um ein mittelbares „Rezept“ zur erfolgreichen polizeilichen Verhinderung jeder auch im Ausnahmeverfahren geregelten Demonstration zu handeln. Zumindest das Potential für derart willkürliches Polizeihandeln ist somit gegeben.

4.

Das Innenministerium droht implizit damit, die in § 11 (3) definierte Ausnahmeregelung der Corona Schutzverordnung (CoronaSchVO) abzuschaffen (zu lassen), falls sich irgendein (einzelner) Anlass dafür bietet.

Der Erlass dieser „Einsatzmaßnahmen“ ist im Zusammenhang mit den vom NRW-Innenministerium nicht gern gesehenen Demonstrationen gegen die Urananreichungsanlage in Gronau unter dem Motto „Urananreicherung beenden – Atomwaffen ächten“ zu sehen.

Alles in allem kann man konstatieren, dass dieser vom NRW-Innenminister Reul zu verantwortende Erlass ein weiteres Beispiel dafür ist, welche Missachtung das für eine Demokratie maßgebliche Versammlungsgrundrecht derzeit erfährt. Man könnte auch sagen: Mit den Füßen getreten wird.

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