Aufgepasst im Bundesrat am kommenden Freitag – neue Gesetzesinitiative mit bislang viel zu wenig Öffentlichkeit: Staatstrojaner ausreiten, „Darknet“ verbieten (Update)

Ein Gastbeitrag aus dem freiheitsfoo-Kreis

Der Bundesrat plant für den 15.3.2019 eine Gesetzesinitiative, durch die TOR-basierte Dienste leichter unter (teils erhebliche) Strafe gestellt werden können und Staatstrojaner bereits bei Verdacht auf relativ geringfügige Straftaten (u.a. Verstöße gegen Betäubungsmittelgesetz, den „Hackerparagraphen“ etc.) eingesetzt werden dürfen.

Der ursprüngliche Antrag des Landes NRW sieht vor, das „Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten“ mit bis zu zehn Jahren Gefängnis zu ahnden, sofern diese Leistung „internetbasiert“, durch TOR erreichbar ist und die Begehung rechtswidriger Taten aus einem weiten Katalog „ermöglicht“ oder „fördert“. Zur Verfolgung soll der Staatstrojaner in Form der Quellen-TKÜ erlaubt werden.

Den zuständigen Ausschüssen des Bundesrates ging dieser Antrag noch nicht weit genug, weshalb diese jetzt schon weitere Verschärfungen fordern. So soll die Strafbarkeit nicht nur für TOR-basierte Dienste gelten, sondern für das gesamte Internet und bereits bei „Zugänglichmachung“ entsprechender Dienste eintreten. Der Einsatz des Staatstrojaners soll hier auch zur sog. „Online-Durchsuchung“ erlaubt werden. Die Verschärfung kennt keinerlei Beschränkung zurechenbarer Straftaten mehr. Im Ergebnis wäre der Einsatz des großen Staatstrojaners schon bei Verdacht auf Ermöglichung irgendwelcher Straftaten erlaubt. In der Begründung ist explizit von „Äußerungsdelikten“ die Rede.

Die Notwendigkeit des Gesetzes wird u.a. mit dem Fall des Münchener Amokläufers begründet, der seine Waffe im sog. „Darknet“ bezogen hatte. Die Argumentation irritiert, denn der Betreiber wurde ermittelt, gefasst und zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt – auch ganz ohne Strafrechtsverschärfung.

Tatsächlich sollen aber nunmehr auch Betreiber.innen von Infrastrukturelementen belangbar werden, die nachweislich keine Kenntnis von konkreten Taten auf ihren Geräten hatten, eine Art Störerhaftung für alle, die möglicherweise auch Betreiber.innen von TOR-Exit-Nodes treffen könnte, wie RA Jens Ferner in seinem lesenswerten Beitrag mutmaßt.

Traurig ist auch die Degenerierung des Staatstrojaners. Zur Erinnerung: der Staatstrojaner war vom Bundesverfassungsgericht ursprünglich in engumgrezten Einzelfällen des internationalen Terrorismus ausnahmsweise gestattet worden. Heute gibt es ihn bei Rudis Resterampe zu jeder kleinen Gesetzesinitiative, die „irgendwas mit Cyber“ regelt, gratis obendrauf.

Dieser Gesetzesvorstoß ist ein weiterer Baustein einer repressiven Überwachungspolitik, der vertrauliche Kommunikation unerträglich ist.

 

[Update 23.3.2019]

Der Bundesrat hat den Entwurf beschlossen, wenn auch ohne Berücksichtigung der ausufernden Ausschussempfehlungen. Sehr lesenswert zu dem allen der am 23.3.2019 bei netzpolitik.org erschienende Gastbeitrag der Juristen Matthias Bäcker und Sebastian Golla. Darin erläutern sie die neue, bislang beispiellose „Vorfeldstrafbarkeit“, bezeichnen sie zurecht als strafrechtliche „Störerhaftung“ und erkennen wie wir die große Gefahr des Missbrauchs des geplanten neuen Paragraphen als Blankoscheck zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen (mit allem, was für die Betroffenen an Konsequenzen dazugehört!) für die Behörden.

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