Wie schon Ende Oktober 2018 veröffentlichen wir hiermit die ansonsten bedauerlicherweise nur parlamentsinterne Vorlage des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) im Niedersächsischen Landtag zu den Paragraphen 30 bis 37a des Entwurfes für ein neues Polizeigesetz (NPOG-E).
[Update 28.1.2019: Erfreulicherweise hat die Landtagsverwaltung Niedersachsens nun die Praxis eingeführt, uns die GBD-Vorlagen auf Nachfrage hin auch direkt zukommen zu lassen. Danke dafür!]
Es ist der zweite und nicht letzte Teil der GBD-Stellungnahmen zum NPOG-E. Bei den darin behandelten Paragraphen geht es u.a. um die öffentlich viel debattierten Regelungen zur polizeilichen Videoüberwachung (inkl. BodyCams und SectionControl) und um den Einsatz staatlicher Computerwanzen („Staatstrojaner“) im Zuge von Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ. Aber es geht auch um Auskunftsrechte, den Einsatz von Polizeispitzeln, den Schutz von Berufsgeheimnisträgern und parlamentarische Kontrolle polizeilichen Handelns.
Dank der uns freundlich zugedachten Datenspende des 100 Seiten (!) umfassenden Dokuments wird nun (erneut) öffentlich und deutlich,
- wie stümperhaft die Juristen der Regierungsfraktionen an einigen Stellen das neue Polizeigesetz ausgeführt haben,
- dass der GBD das Polizeigesetz in großem Umfang quasi neu verfassen und ordnen muss (was an den Gesetzgebungsprozess des Nds. Versammlungsgesetzes 2009/2010 erinnert),
- dass der alte Regierungsentwurf nur so vor verfassungsrechtlichen Bedenken strotzt,
- dass die vielfachen und wohlklingenden Behauptungen der Regierungspolitiker, man habe ein wohldurchdachtes und ausgewogenes Polizeigesetz entwickelt nichts als hohle Phrasendrescherei gewesen ist und vor allem,
- dass die zahlreichen Kritiker zumindest in vielen Punkten sehr wohl Recht hatten und nun Recht bekommen – wenn auch nicht in allen zentralen Streitpunkten.
Gemeinsam mit dem Nds. Innenministerium hat der GBD eine Reihe von markanten Änderungen oder Streichungen bewirkt, die sich insgesamt als gut und sinnvoll darstellen, wenn auch aus unserer Sicht nicht als ausreichend.
Als positives Beispiel sei (fast wahllos herausgegriffen) die vollständige Streichung des §32a genannt. Ein neuer Paragraph, den wir in Anhörung und Blogbeiträgen scharf kritisiert hatten.
Zwei Auszüge aus der GBD-Kritik erscheinen uns (neben vielen anderen) besonders hervorherbungswürdig:
„Wie bereits zu § 12 a Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs ausgeführt, ist schwer zu ermitteln, was mit der Erwartung gemeint ist, dass „innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat“ begangen wird. Was in Satz 2 Nr. 1 des Entwurfs die „ihrer Art nach konkretisierte Weise“ im Hinblick auf das Eintreten einer Rechtsgutsschädigung bedeuten soll, erschließt sich uns erst recht nicht und begegnet daher verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot.“
Und:
„Der in Satz 2 verwendete Begriff „Extremismus“ ist kaum zu bestimmen (…)“
Nun zu unserer umfangreicheren Sammlung von Auszügen aus der GBD-Kritik, die zwangsläufig lückenhaft bleiben muss.
Dazu noch ein formeller Hinweis: Die Paragraphen und Absätze beziehen sich im folgenden jeweils auf den bisher vom Landtag veröffentlichten NPOG-Entwurf und nicht auf die von GBD und Nds. Innenministerium ausgehandelten geänderten NPOG-Entwurf entsprechend der GBD-Vorlagen.
Aus Sicht des GBD ist sehr zweifelhaft, ob die Beschränkung der Unterrichtungspflicht auf die mit besonderen Mitteln und Methoden erhobenen Daten mit den Artikeln 12 und 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2016/680 (JI-RL) vereinbar ist (…)
Dass über Maßnahmen nach § 32 Abs. 2 nicht unterrichtet werden muss (…) begegnet aus Sicht des GBD erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken (…)
Problematisch ist aus Sicht des GBD auch der Verzicht auf eine Unterrichtung über die grundrechtsintensiven Maßnahmen nach § 32 a des Entwurfs (…)
Die Änderung in Satz 2 des Entwurfs bewirkt eine Erhöhung der Höchstfrist, nach deren Ablauf eine gerichtliche Befassung mit der Zurückstellung der Unterrichtung unumgänglich ist, von bisher sechs Monaten auf zukünftig ein Jahr. Diese Verdoppelung (…) ist auch aus Sicht des GBD problematisch.
Eine weitere verfassungsrechtliche Problematik betrifft das seit 2007 geltende Recht: Satz 2 des Entwurfs beschränkt die Regelung über die gerichtliche Zurückstellung der Unterrichtung auf eine „Maßnahme, die richterlich anzuordnen war“ (…) Der BKAG-Entscheidung sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass bei diesen schwerwiegenden heimlichen Grundrechtseingriffen auf eine richterliche Bestätigung der Nichtbenachrichtigung verzichtet werden kann, sodass aus Sicht des GBD die Entwurfsregelung insoweit verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
Die Beschränkung der Regelung auf besondere Mittel und Methoden ist auch aus Sicht des GBD nicht gerechtfertigt, denn in den Berufsgeheimnisträgerschutz kann ggf. auch durch offene Maßnahmen wie Durchsuchungen und/oder Sicherstellungen von Datenträgern eingegriffen werden.
Im Entwurf ist bei den hier erfassten Berufsgeheimnisträgerinnen/-trägern ein Schutz auf der Ebene der Speicherung und Verwertung vergleichbar dem Absatz 1 Sätze 2 bis 5 ohne Begründung nicht vorgesehen. Hierfür ist kein Grund ersichtlich.
(…) Daher ist es auch verfassungsrechtlich sicherer, auf die Vermutungsregelung in Satz 3 zu verzichten.
Satz 1 des Entwurfs regelt den Umgang mit den Daten abweichend von § 46 Abs. 8, § 49 Abs. 8 und § 51 Abs. 8 BKAG. Dort wird bestimmt, dass der BKA-Präsident (persönlich) im Benehmen mit dem Datenschutzbeauftragten des BKA und unter Zuhilfenahme von nicht mehr als zwei weiteren BKA-Bediensteten entscheidet. Der Entwurf lässt dagegen eine Entscheidung durch die Dienststellenleitung genügen und zudem nicht erkennen, welche Personen vor der Freigabe durch die Dienststellenleitung von den Daten Kenntnis nehmen dürfen. Dies begründet angesichts der Bedeutung, die das BVerfG dem Kernbereichsschutz zumisst, ein rechtliches Risiko.
(…) Der Vorschlag des MI würde allerdings nichts daran än- dern, dass die Kommunikation innerhalb besonders geschützter beruflicher Vertrauensverhältnisse teilweise dennoch dem Kernbereich zuzuordnen ist und damit § 33 unterfällt (…) Darin liegt aus Sicht des GBD ein vom MI nicht begründeter Wertungswiderspruch gegenüber dem NVerfSchG.
Auch wenn diese Problematik schon das seit 1994 geltende Recht betrifft, empfiehlt der GBD, Absatz 2 g. F. zu streichen, weil die Regelung in mehrfacher Hinsicht verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. (…) Das MI spricht sich hingegen für die Beibehaltung der Vorschrift aus.
Schon die Gesetzgebungskompetenz des Landes für die Regelung ist aus Sicht des GBD zweifelhaft.
Im Übrigen ist aus Sicht des GBD fraglich, ob der mit der verdeckten Videoüberwachung verbundene Grundrechtseingriff dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt (…)
In Satz 1 des Entwurfs wird der Regelungsbereich durch die Änderung im einleitenden Satzteil von „öffentlich zugänglichen Orten“ zu „öffentlich zugänglichen Räumen“ erheblich erweitert, was (…) erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde (…)
Aus Sicht des GBD bestehen Zweifel, ob die in Satz 3 des Entwurfs (Satz 2 g. F.) geregelten Aufzeichnungen einem Gefahrenabwehrzweck zugeordnet werden können (…)
Bisher wird im Gesetz keine Höchstspeicherfrist geregelt, was zu dem Hauptzweck der Aufzeichnungen (Gefahrenabwehr…) nicht gut passt. (…) Soweit ersichtlich, ist Niedersachsen das einzige Bundesland, das auf die Regelung einer Höchstspeicherfrist verzichtet
Die Regelungen zur sog. Body-Cam in Absatz 4 Sätze 2 und 3 des Entwurfs sowie die damit zusammenhängenden Regelungen über die Vorabaufnahmen („Pre-Recording“) in Absatz 5 des Entwurfs werfen eine Vielzahl von Rechtsfragen auf (…)
Auch hier wird – wie zu Absatz 2 Satz 1 – vorgeschlagen, den Begriff der „öffentlich zugänglichen Orte“ anstelle der „öffentlich zugänglichen Räume“ zu verwenden, um die damit verbundenen erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken zu vermeiden (…)
Die im Entwurf enthaltene Eingriffsschwelle der Body-Cam („wenn dies nach den Umständen zum Schutz … gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist“) wirft die Frage auf, ob dadurch der mit dem Einsatz der Body-Cam verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (…) gerechtfertigt werden kann.
Die Eingriffsschwelle begegnet zunächst verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot, weil nicht eindeutig ist, was die Worte „zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben“ bedeuten sollen.
Um dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen und um eine einheitliche Vollziehbarkeit der Regelung zu ermöglichen, sollte der Gesetzgeber hier eine eindeutige Formulierung wählen. Ohne inhaltliche Vorgaben kann der GBD hierzu aber keinen Formulierungsvorschlag entwickeln. Das MI hat mitgeteilt, dass es um eine „Einsatzsituation, die zu eskalieren droht,“ gehe. Warum für diese Situation der Begriff der (konkreten) Gefahr ungeeignet sein soll, erschließt sich dem GBD nicht.
Unklar ist auch, was es bedeutet, dass die Maßnahme „nach den Umständen … erforderlich“ sein muss, weil es selbstverständlich ist, dass sich polizeiliches Handeln immer an den Umständen des konkreten Falls orientieren muss (…)
Aus Sicht des GBD ist auch nicht sicher, dass die Eingriffsschwelle dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt.
Um verfassungsrechtliche Risiken zu vermeiden, wäre es aus Sicht des GBD zu empfehlen (…) Das MI hat sich allerdings gegen beide Varianten ausgesprochen.
Wenn der Ausschuss trotz unserer Bedenken dem MI folgen und die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Risiken eingehen will, sollten aus Sicht des GBD zumindest die sehr unbestimmten „Umstände“ (siehe oben unter Buchstabe a) durch „Tatsachen“ ersetzt werden (…) Das MI hat sich aber auch gegen diesen Vorschlag ausgesprochen und will an der Entwurfsfassung festhalten.
Aus Sicht des GBD bestehen Zweifel, ob die in Absatz 5 des Entwurfs geregelten Vorabaufnahmen („Pre-Recording“) einem Gefahrenabwehrzweck zugeordnet werden können oder zur Strafverfolgungsvorsorge gehören (…)
Über die Frage der Gesetzgebungskompetenz hinaus gibt es in der Literatur aber auch einige Stimmen, die die Auffassung vertreten, der mit anlasslos durchgeführten Vorabaufnahmen verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (…) verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil die Maßnahme zu einem noch unbestimmten Zweck erfolge („anlasslose Daueraufzeichnung“) (…) In Anbetracht der Kritik birgt die Regelung der Vorabaufnahmen jedenfalls ein verfassungsrechtliches Risiko (…)
In dem Gesetzentwurf aus dem Jahr 2016 wurde die von der damaligen Landesregierung beabsichtigte Streichung der Regelung der automatischen Kennzeichenlesesysteme (AKLS) in § 32 Abs. 5 g. F. auch mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründet (…) Auch der GBD hatte gegenüber § 32 Abs. 5 g. F. verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Das MI hat dazu nunmehr erklärt, dass die Regelung beibehalten werden solle, solange es keine abschließende Rechtsprechung des BVerfG dazu gebe.
Der Wortlaut des Entwurfs und die Begründung lassen den Zweck der Datenerhebung nicht hinreichend deutlich werden.
Ob dem Land die erforderliche Gesetzgebungskompetenz zusteht, steht zwar nicht zweifelsfrei fest, das damit verbundene verfassungsrechtliche Risiko dürfte jedoch aus Sicht des GBD aus den nachfolgenden Gründen überschaubar sein.
Sollte die Abschnittskontrolle weder zur Strafverfolgungsvorsorge noch zum Straßenverkehr gehören, so unterfiele sie als Gefahrenabwehrrecht der Landeskompetenz nach Artikel 70 Abs. 1 GG (…)
In welchem Verhältnis die – bisher in keinem anderen Polizeirecht vorhandene – Vorschrift zur Sicherstellung nach § 26 g. F. steht, ist unklar. (…) Es erschließt sich uns nicht, warum in der Begründung (Drs. 18/850, S. 58) behauptet wird, dass eine Verpflichtung zur Herausgabe an die Polizei nicht bestehe.
Wenn man die Regelung nicht als Sicherstellung, sondern als Auskunftsverlangen versteht, geht sie inhaltlich sehr weit, schon wegen der mit der möglichen Vielzahl von Adressaten verbundenen Streubreite. In der Anhörung wurde die Vorschrift wegen dieser Eingriffstiefe teilweise für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig gehalten (…)
Das mit Satz 1 Nrn. 2 und 3 des Entwurfs verbundene verfassungsrechtliche Risiko ist (…) sehr hoch.
Satz 1 Nrn. 4 und 5 ist angelehnt an § 20 l Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3 und 4 BKAG a. F. bzw. § 51 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 BKAG n. F. Diese Regelungen sind aber nicht, wie in der Begründung angegeben, vom BVerfG „als verfassungsrechtlich unbedenklich bewertet worden“ (a. a. O.), sondern bedürfen einer verfassungskonformen Auslegung.
Im Übrigen könnte aus Sicht des GBD die Vereinbarkeit der Gleichbehandlung von potentiellen Terroristen (…) mit Kontaktpersonen (…) zweifelhaft sein.
Nummer 1 des Entwurfs wirft im Hinblick auf Absatz 4 des Entwurfs Fragen auf (…)
GBD und MI empfehlen einvernehmlich, die bisher in Absatz 2 Sätze 1 und 2 g. F. enthaltenen Regelungen zu streichen. Diese Vorschriften sind nicht auf die in den Absätzen 2 und 3 des Entwurfs geregelte Quellen-TKÜ abgestimmt. Satz 1 Nr. 1 ermöglicht den Zugriff auf „innerhalb des Telekommunikationsnetzes in Datenspeichern abgelegte Inhalte“. Dies dürfte Absatz 2 Nr. 1 des Entwurfs widersprechen, der die Quellen-TKÜ auf die „laufende Kommunikation“ beschränkt. (…) Was Satz 2 („Die Datenerhebung darf nur an Telekommunikationsanschlüssen … erfolgen.“) bei der Quellen-TKÜ bedeuten könnte, bleibt unklar, zumal der Begriff „Telekommunikationsanschluss“ dem TKG fremd ist. Sollte damit der „Teilnehmeranschluss“ (§ 3 Nr. 21 TKG) gemeint sein, würde Satz 2 die Überwachung von mobilen Anschlüssen ausschließen, was nicht beabsichtigt sein dürfte. Aber auch im Hinblick auf die (reguläre) TKÜ stellt sich die Frage, wozu die in Absatz 2 Sätze 1 und 2 enthaltenen Regelungen, die sich mindestens seit 2003 nahezu unverändert in § 33 a befinden, trotz der einschlägigen telekommunikationsrechtlichen Regelungen benötigt werden.
Die Entwurfsregelung genügt insbesondere mit ihren Sätzen 4 und 5 Halbsatz 2 nicht den verfahrensrechtlichen Anforderungen des BVerfG bei eingriffsintensiven Maßnahmen (…)
Die Regelung verzichtet gegenüber dem BKAG auf eine grundrechtssichernde Regelung der Antragsbefugnis im Sinne eines Behördenleitervorbehalts. Daran möchte das MI festhalten, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegen dürfte.
Auch hier dürften die Anforderungen an die Begründung in den Sätzen 3 und 4 des Entwurfs den oben zu Absatz 5 des Vorschlags (Absatz 6 des Entwurfs) dargelegten verfahrensmäßigen Anforderungen des BVerfG nicht genügen.
Mit der Delegationsbefugnis in Satz 6 des Entwurfs bleibt der verfahrenssichernde Grundrechtsschutz allerdings hinter § 51 Abs. 3 Satz 2 BKAG zurück. Vor diesem Hintergrund wurde in der Anhörung teilweise vorgeschlagen, hier auf die Delegationsmöglichkeit zu verzichten. Das MI möchte aber an der Delegationsmöglichkeit in Satz 6 festhalten, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegt.
In der bisherigen Regelung über den sog. IMSI-Catcher wird nicht bestimmt, gegen wen der IMSI-Catcher eingesetzt werden darf. Dies sollte aus verfassungsrechtlichen Gründen geregelt werden.
Zu dem durch fehlende Behördenleitervorbehalte gegenüber dem BKAG erhöhten verfassungsrechtlichen Risiko vgl. die Anmerkungen zu § 33 a Abs. 6 des Entwurfs und zu § 33 a Abs. 7 des Entwurfs.
Die in Satz 4 aus § 33 a Abs. 5 Satz 1 des Entwurfs übernommene Eingriffsschwelle für die Erhebung von Telemedien-Nutzungsdaten, die – wie die Eingriffsschwelle in § 52 Abs. 2 BKAG – mit der Eingriffsschwelle der TKÜ bzw. der (Telekommunikations-)Verkehrsdatenabfrage übereinstimmt, wirft hinsichtlich der Verweisung auf § 33 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 die Frage auf, warum Telemedien-Nutzungsdaten von einer Person erhoben werden sollen, deren Telekommunikationsanschluss oder Endgerät von der Störerin/dem Störer genutzt wird. Weder die Begründung zum BKAG noch die Kommentarliteratur geben insoweit Aufschluss.
Die Auskunftsverlangen zu Verkehrsdaten sind aus Sicht des GBD allerdings nicht unproblematisch.
Diese Vorschrift begegnet jedoch wegen der darin enthaltenen Bezugnahme auf die „durch andere gesetzliche Vorschriften begründeten Zwecke“, die dort nicht näher präzisiert werden (z. B. Strafverfolgung, Gefahrenabwehr usw.), im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zu dem durch fehlende Behördenleitervorbehalte gegenüber dem BKAG erhöhten verfassungsrechtlichen Risiko vgl. die Anmerkungen zu (…)
Für die Auskunft zu Telemedien-Bestandsdaten und zu einfachen Telekommunikations-Bestandsdaten sind im Übrigen im Entwurf keine Verfahrensregelungen vorgesehen. Nach § 21 Abs. 1 Satz 4 NVerfSchG stehen dieselben Auskunftsverlangen durch den Verfassungsschutz unter Abteilungsleitervorbehalt und bedürfen nach § 21 Abs. 1 Satz 5 NVerfSchG einer Dokumentation der Gründe. Uns erschließt sich nicht, warum hier das Eingriffsgewicht der Maßnahmen unterschiedlich sein sollte, abhängig davon, ob die Maßnahme von einer Polizei- oder einer Verfassungsschutzbehörde durchgeführt wird.
In § 33 a Abs. 8 Satz 2 des Entwurfs wird durch die Änderung der Verweisung der in der bisherigen Regelung enthaltene Behördenleitervorbehalt mit Delegationsmöglichkeit gestrichen. Als einzige verfahrensrechtliche Absicherung bleibt mithin die Schriftform mit Begründungspflicht. Darin liegt aus Sicht des GBD ein verfassungsrechtliches Risiko.
Die aus § 49 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BKAG übernommene Eingriffsschwelle in den Sätzen 1 und 2 des Entwurfs begegnet verschiedenen rechtlichen Einwänden, sodass GBD und MI einvernehmlich eine Überarbeitung für erforderlich halten.
Wie bereits zu § 12 a Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs ausgeführt, ist schwer zu ermitteln, was mit der Erwartung gemeint ist, dass „innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat“ begangen wird. Was in Satz 2 Nr. 1 des Entwurfs die „ihrer Art nach konkretisierte Weise“ im Hinblick auf das Eintreten einer Rechtsgutsschädigung bedeuten soll, erschließt sich uns erst recht nicht und begegnet daher verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot. Die Begründung zu dem insoweit gleichlautenden § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BKAG gibt darüber auch keinen Aufschluss.
Erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet Satz 2 Nr. 2 des Entwurfs (auch wenn diese Regelung mit § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BKAG übereinstimmt), weil das BVerfG in der BKAG-Entscheidung die identische Vorschrift in § 20 k Abs. 1 Satz 2 BKAG a. F. nur aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung nicht verworfen hat, nach der für einen Eingriff im Vorfeld einer konkreten Gefahr mindestens erforderlich ist, dass „das individuelle Verhalten eines Betroffenen eine konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass er solche [terroristischen] Straftaten in überschaubarer Zukunft begeen wird“. (…) Da der Entwurf ansonsten die Eingriffsschwellen weitgehend entsprechend der Maßgaben des BKAG-Urteils des BVerfG ausgestaltet, halten wir es für zweifelhaft, ob auch Satz 2 Nr. 2 des Entwurfs (noch) einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich wäre.
Die Verfahrensregelungen in Absatz 3 des Entwurfs entsprechen fast vollständig § 33 a Abs. 6 des Entwurfs und leiden daher unter denselben Mängeln, die durch entsprechende, teilweise an die Vorbildregelung in § 49 Abs. 4 bis 6 BKAG angepasste Vorschläge beseitigt werden sollten.
Absatz 3 verzichtet – wie § 33 a Abs. 6 des Entwurfs – gegenüber dem BKAG auf eine grundrechtssichernde Regelung der Antragsbefugnis im Sinne eines Behördenleitervorbehalts (vgl. § 49 Abs. 4 BKAG). Auch hier möchte das MI daran festhalten, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegen dürfte.
Die Regelung zur Gefahr im Verzug in Absatz 4 des Entwurfs entspricht fast vollständig § 33 a Abs. 7 des Entwurfs. Der Gesetzentwurf enthält allerdings keine Begründung, warum bei der Online-Durchsuchung eine Eilkompetenz erforderlich sein soll, obwohl es sich bei der Online-Durchsuchung um eine aufwändig vorzubereitende Maßnahme handeln dürfte und der Bundesgesetzgeber in § 49 Abs. 4 BKAG n. F. bzw. schon in § 20 k Abs. 4 BKAG a. F. auf eine solche Eilkompetenz verzichtet hat (…) Das MI hat dazu mitgeteilt, dass es auch hier an der Eilkompetenz festhalten möchte, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegen dürfte.
Zu Nummer 3 weisen wir (erneut) auf das erhebliche verfassungsrechtliche Risiko hin, das sich aus der Erweiterung des Katalogs der terroristischen Straftaten gegenüber § 5 BKAG durch Aufnahme der §§ 129 a und 129 b StGB ergibt.
Auch hier genügt die Entwurfsregelung nicht den verfahrensrechtlichen Anforderungen des BVerfG bei eingriffsintensiven Maßnahmen (…)
Absatz 2 verzichtet gegenüber dem BKAG auf eine grundrechtssichernde Regelung der Antragsbefugnis im Sinne eines Abteilungsleitervorbehalts BKAG). Auch hier möchte das MI daran festhalten, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegen dürfte.
Auch hier dürften die Anforderungen an die Begründung in den Sätzen 2 und 3 des Entwurfs den verfahrensmäßigen Anforderungen des BVerfG nicht genügen (vgl. die Anmerkung zu § 33 a Abs. 7 des Entwurfs). Dem könnte durch die Streichung der Eilbefugnis abgeholfen werden, die in der Anhörung angeregt wurde (vgl. Vorlage 7 [Netzwerk Datenschutzexpertise], S. 6). Dieser Anregung möchte das MI allerdings nicht folgen.
Mit der Delegationsbefugnis in Satz 5 des Entwurfs (…) bleibt der verfahrenssichernde Grundrechtsschutz allerdings hinter § 45 Abs. 3 Satz 2 BKAG (Abteilungsleitervorbehalt) zurück. (…) Das MI hat dazu mitgeteilt, dass es auch hier an der Delegationsbefugnis festhalten möchte, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegt.
Die in Bezug genommene Eingriffsschwelle begegnet allerdings im Hinblick auf den Katalog der terroristischen Straftaten wegen der Einbeziehung der §§ 129 a und 129 b StGB verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der im Entwurf unveränderte Satz 3 („ Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.“) begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken (…)
Die in Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 des Entwurfs (Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 g. F.) enthaltene Regelung soll hingegen nicht übernommen werden, weil sie verfassungswidrig sein dürfte.
Verfassungsrechtlich durch Artikel 13 Abs. 4 GG vorgegebener Kernbestandteil der Eingriffsschwelle der Wohnraumüberwachung zur Gefahrenabwehr ist die im einleitenden Satzteil genannte „dringende Gefahr“. Absatz 1 Nr. 1 Buchst. b des Entwurfs lässt offen, in welchem Verhältnis die terroristische Straftat zu dieser dringenden Gefahr steht. Diesen Zusammenhang hat weder der Bundesgesetzgeber in der Begründung zu § 20 h Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BKAG a. F. noch das BVerfG bei der Prüfung dieser Vorschrift erklärt. Auch das MI kann diese Frage nicht auflösen.
Zu Satz 1 Nr. 2 weisen wir darauf hin, dass das BVerfG in der BKAG-Entscheidung unter Verweisung auf seine Entscheidung zum sog. großen Lauschangriff neben Tatsachen, die auf die Anwesenheit der Zielperson in der Wohnung schließen lassen, zusätzlich gefordert hat, dass eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ besteht, durch die Maßnahme „verfahrensrelevante Informationen zu gewinnen. Erforderlich sind auch insoweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Zielperson in den zu überwachenden Räumlichkeiten im Überwachungszeitraum verfahrensrelevante und im weiteren Verfahren verwertbare Gespräche führen wird“. Diese zusätzliche Anforderung findet sich in Satz 1 Nr. 2 nicht (…)
Satz 2 ergibt keinen Sinn und sollte gestrichen werden.
Die Regelung genügt nicht den verfahrensrechtlichen Anforderungen des BVerfG bei eingriffsintensiven Maßnahmen (…)
Absatz 3 verzichtet (…) auf eine grundrechtssichernde Regelung der Antragsbefugnis im Sinne eines Behördenleitervorbehalts. Auch hier möchte das MI daran festhalten, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegen dürfte.
Auch die Regelung der Gefahr im Verzug genügt nicht den verfahrensrechtlichen Anforderungen des BVerfG (…)
Das MI hat dazu mitgeteilt, dass es auch hier an der Delegationsbefugnis festhalten möchte, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegt.
Auch hier bestehen allerdings im Hinblick auf die terroristischen Straftaten verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Einbeziehung der §§ 129 a und 129 b StGB.
Der in Satz 2 verwendete Begriff „Extremismus“ ist kaum zu bestimmen und wird daher weder im NVerfSchG noch im Nds. SOG noch in sonstigen niedersächsischen Rechtsvorschriften verwendet.
Überdies dürfte die zur Streichung vorgeschlagene Beschränkung auch nicht mit den Vorgaben des BVerfG zu vereinbaren sein, das für die Verwendung einer Vertrauensperson ausdrücklich eine vorherige unabhängige Kontrolle für „unverzichtbar“ erklärt hat, unabhängig davon, gegen wen sie sich richtet.
Auch hier wird gegenüber dem BKAG auf eine grundrechtssichernde Regelung der Antragsbefugnis im Sinne eines Abteilungsleitervorbehalts verzichtet. Auch hier möchte das MI daran festhalten, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegen dürfte.
Die in den Sätzen 2 und 3 des Entwurfs geregelte Möglichkeit, die Verwendung von Vertrauenspersonen für ein Jahr anzuordnen bzw. um sechs Monate zu verlängern (§ 45 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 und Satz 4 BKAG: drei Monate), begegnet angesichts des BKAG-Urteils aus Sicht des GBD verfassungsrechtlichen Bedenken.
Auch hier bestehen allerdings im Hinblick auf die terroristischen Straftaten verfassungsrechtliche Bedenken (…)
Auch hier wird gegenüber dem BKAG auf eine grundrechtssichernde Regelung der Antragsbefugnis im Sinne eines Abteilungsleitervorbehalts verzichtet. Auch hier möchte das MI daran festhalten, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegen dürfte.
Die in Satz 2 des Entwurfs geregelte Möglichkeit, die Verwendung von verdeckten Ermittlerinnen/Ermittlern für sechs Monate anzuordnen, begegnet angesichts des BKAG-Urteils aus Sicht des GBD verfassungsrechtlichen Bedenken.
Auch hier genügt die Regelung der Gefahr im Verzug nicht den verfahrensrechtlichen Anforderungen des BVerfG.
Das MI hat dazu mitgeteilt, dass es auch hier an der Delegationsbefugnis festhalten möchte, auch wenn darin aus Sicht des GBD ein – gegenüber dem BKAG – zusätzliches Risiko liegt.
Absatz 1 ist trotz der mittlerweile ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Datenschutz seit 1994 nahezu unverändert geblieben. Die Regelung ist schon deswegen problematisch, weil sie insgesamt schwer verständlich ist (…)
Die Eingriffsschwelle enthält keine nähere Konkretisierung des absehbaren Geschehens, was bei einer heimlichen Maßnahme von dieser Eingriffstiefe problematisch sein dürfte.
Aus Sicht des GBD ist fraglich, ob die Ausschreibung, die nach dem Entwurf (zunächst nur) dem Behördenleitervorbehalt (Satz 1) mit Delegationsmöglichkeit (Satz 2) unterliegt, wegen ihrer Eingriffstiefe nicht generell dem Richtervorbehalt unterworfen werden müsste (…)
Aus Sicht des GBD ist fraglich, warum Maßnahmen nach § 32 Abs. 6 des Entwurfs (AKLS) nicht in die Vorschrift aufgenommen werden, wie in der Anhörung angeregt wurde, weil auch diese Maßnahmen verdeckt durchgeführt werden können. Das MI spricht sich dagegen aus, diese Maßnahmen in die Regelung über die parlamentarische Kontrolle aufzunehmen.
Fraglich ist aus Sicht des GBD, warum die in § 37 Abs. 2 Satz 2 NVerfSchG geregelte Möglichkeit des Ausschusses, die Vertraulichkeit nach Maßgabe der GO LT einzuschränken oder aufzuheben, hier weggelassen wurde.
Das BVerfG hat im BKAG-Urteil – neben der parlamentarischen Kontrolle – verlangt, dass „regelmäßige Berichte … gegenüber Parlament und Öffentlichkeit gesetzlich sicherzustellen“ sind.