Mit grob dreieinhalbjähriger Verzögerung ging heute – recht kurzfristig erst vor zwei Tagen angekündigt – das Pilotprojekt zur „Section Control“ – Streckengeschwindigkeitskontrolle in den Probebetrieb.
Das niedersächsische Innenministerium bewirbt den Betriebsstart der Pilotanlage, welche alle durchfahrenden Kraftfahrzeuge zweifach fotografiert und jeweils mindestens kurzzeitig per Kfz-Kennzeichen-Scanner identifiziert, mit zum Teil unwahren Behauptungen, wie z.B.:
„Bei der Vorstellung der Anlage sagte der niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius: „(…) Vor allem führt diese Art der Geschwindigkeitsmessung dazu, dass die Geschwindigkeit der Fahrzeuge nicht wie bisher nur punktuell, sondern über einen längeren Streckenabschnitt gemessen wird. (…)“
Zu den Vorteilen der Abschnittskontrolle zählen: Das Messsystem sorgt im Gegensatz zur punktuell wirkenden Überwachungstechnik für die Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit in dem gesamten überwachten Streckenabschnitt.“
Jedem logisch denkenden Menschen wird sofort klar, dass diese Behauptungen blanker Unsinn sind, denn erfasst bzw. ermittelt wird lediglich die rechnerische Durchschnittsgeschwindigkeit des Fahrzeugs zwischen den beiden Kennzeichen-Scanner-Brücken.
Eine Rechtsgrundlage für diese Anlage existiert derzeit nicht, soll aber – als eines der vielen versteckten und öffentlich bislang wenig diskutierten Details – mittels des geplanten umstrittenen neuen Polizeigesetzes für Niedersachsen („NPOG“) nachgereicht und entsprechenden juristischen Klageärger zu verhindern versuchen.
Dessen ungeachtet kündigt Patrick Breyer als renommierter Bürgerrechtler der Piratenpartei Klagen gegen das System vor dem Verwaltungsgericht Hannover an und sucht in diesem Zusammenhang nach Autofahrer*innen, die von dieser Pilotanlage südlich von Hannover direkt betroffen sind und bereit sind, sich von dem Juristen unterstützt auf den Klageweg (mit) zu begeben.
So sieht Herr Breyer u.a. überhaupt keine Zuständigkeit des Landtags, im Rahmen der geplanten Änderung des Polizeigesetzes für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zu sorgen.
Vielleicht für die technisch versierten Lesenden hier von Interesse: Die Anlage zur Abschnittskontrolle (Section-Control) ist von der Firma Jenoptik Robot GmbH entwickelt worden. Die Anlage gehört zur Bauart TraffiSection S450.
Vorgaben zur – aus der Sicht von Datenschützern, nicht von Persönlichkeitsrechtsschützern! – regelkonformen Ausgestaltung einer gesetzlichen Grundlage sind in einer Stellungnahme des ULD aus 2015 (damals noch unter Thilo Weichert) nachzulesen.
Weitere Bilder der Anlage finden sich auf unserer Wikiseite zur „Section Control“-Pilotanlage.