Die FDP zieht medial gegen das geplante neue Polizeigesetz Niedersachsens zu Felde. Doch was darf man davon überhaupt erwarten?

In Niedersachsen möchten SPD und CDU schleunigst ein neues Polizeigesetz („NPOG“) installieren, an dem es allerdings viel Kritik gibt.

Nun meldet sich die sich derzeit in der Oppositionsrolle befindliche FDP zu Wort und kündigt „den Gang zum Bundesverfassungsgericht an, falls der Gesetzentwurf nicht geändert wird.“ Auf den Seiten der Niedersächsischen FDP ist dazu noch gar nichts zu erfahren, der dieses vermeldende Beitrag der Hannoverschen Monopolzeitung versteckt sich im Gesamten noch hinter eine Paywall.

Doch davon unabhängig möchten wir schon einmal kurz zusammenfassen, welche Haltung die FDP zu einzelnen Punkten des NPOG-Entwurfes einnimmt, wenn man deren Verlautbarungen zur „inneren Sicherheit“ der letzten eineinhalb Jahre zu Rate zieht.

Was von einer FDP-Verfassungsbeschwerde gegen das NPOG – falls sie denn rechtlich möglich und zulässig wäre und wenn sie denn tatsächlich erfolgen würde – nicht zu erwarten ist:

  • Keine Abkehr vom „Gefährder“-Denksytem mit allen Folgen eines polizeilichen Paradigmenwechsels und der Entwicklung hin zu einer politischen Polizei.
  • Keine Abkehr von der Einführung von Meldeauflagen, Kontakt- und Aufenthaltsverbot.
  • Keine Abkehr vom Inlandsgeheimdienst („Verfassungsschutz“), sondern stattdessen sogar dessen Stärkung und länderübergreifende Vernetzung/Verschmelzung.
  • Keine Abkehr von den das Trennungsgebot zersetzenden gemeinsamen Zentren von Polizei und Geheimdiensten (z.B. GTAZ).
  • Keine Abkehr vom Ausbau von EU-Polizei- und EU-Geheimdienst-Strukturen.
  • Keine Abkehr vom Prinzip, dass Menschen, die zwar schon mal vor Gericht standen, die aber nicht verurteilt worden sind, besonders erfasst, überwacht und benachteiligt werden.
  • Keine Abkehr vom Prinzip „Präventivgewahrsam“, also dem Einsperren von Menschen, die gar keine Straftat begangen haben, denen man aber (unter z.T. sehr fragwürdigen Rahmenbedingungen) vorwirft, darüber nachzudenken.
  • Keine Abkehr vom Aberglauben des Nutzens von Videoüberwachung, jedoch weiterhin deren rechtlich fragwürdiger Einsatz angeblich im Sinne einer besseren Aufklärung von nicht zu verhindernden Straftaten.
  • Keine Abkehr vom Irrglauben des Sinns polizeilicher BodyCams.
  • Keine Abkehr von der Praxis massenhafter DNA-Analyse mit den damit verbundenen Speicherungen personenbezogener DNA-Daten.
  • Keine Abkehr vom Wahnsinn des Ausbaus von „Cyber-Abwehrzentren“, die vielfach und in verstärktem Maße zu offensiven „Gegenhacks“ tendieren, also selber wieder Anlaß für weitere Hackerangriffe liefern bzw. diese provozieren.

Äußerst widersprüchlich zeigt sich die FDP zudem in ihrer Haltung zum „kleinen und großen Staatstrojaner“:

Im Februar 2017 heißt es (in einem inzwischen bis dato nicht mehr allgemein verfügbaren Positionspapier der nds. FDP):

„Es bedarf nach jetzigem Stand einer sog. Quellen-TKÜ oder einer Online-Durchsuchung.“

Im Zuge der trendig gewordenen pauschalen Kritik an Polizeigesetzen liest es sich dagegen in einer Pressemeldung der FDP Niedersachsen vom 10.8.2018 diametral anders:

„Für verfassungswidrig halte er [Stefan Birkner, FDP-Fraktionsvorsitzender, Anm. der Redaktion] außerdem die geplanten Eingriffe in informationstechnische Systeme in Form von Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchungen. „Um sogenannte Staatstrojaner nutzen zu können, müssen Sicherheitslücken im System offen gehalten werden. Der Staat gefährdet also bewusst die digitalen Infrastrukturen von Unternehmen, Privatpersonen oder gar Institutionen wie Krankenhäusern, statt diese zu schützen. Das sind daher rechtspolitisch die falschen Instrumente“, führt Birkner aus.“

Hat die FDP zumindest in diesem Punkt dazugelernt? Und ist dieser Lerneffekt nachhaltig?

Für alle, die sich eine eigene Meinung bilden möchten nachfolgend die Quellen für die vorangegangenen Aussagen und Behauptungen:

 

Aus dem Positionspapier der niedersächsischen FDP vom 15.2.2017, also rund eineinhalb Monaten nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt:

[Im Folgenden Zitate und Zitatfragmente aus dem FDP-Positionspapier, die uns von Bedeutung erscheinen.]

  • Wir bauen auf einen starken Staat.
  • Konzentration des Staates auf seine Kernaufgabe der inneren Sicherheit.
  • Effektive Überwachung und Festsetzung von Gefährdern.
  • Strenge Meldeauflagen.
  • Das BKA soll als zentraler Koordinator für die Sicherheitsbehörden in Deutschland gestärkt werden.
  • Zusammenlegung von Verfassungsschutzbehörden: Etablierung von vier bis sechs länderübergreifenden Behörden, die die bisherigen Landesämter für Verfassungsschutz ersetzen.
  • Bei mobilen „Gefährdern“ muss eine durchgehende Zusammenarbeit der Behörden des Bundes und der betroffenen Länder stattfinden, um Informationsdefizite konsequent zu vermeiden.
  • Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum des Bundes und der Länder (GTAZ) benötigt deshalb eine rechtlich klare Festlegung seiner Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse.
  • Es ist notwendig, die Außengrenzen der EU effektiv zu schützen. Zu diesem Zweck wollen wir Frontex zu einem echten europäischen Grenz- und Küstenschutz weiterentwickeln. Auf dem Weg dorthin muss das Personal von Frontex aufgestockt sowie mit Mandaten ausgestattet werden.
  • Europol zu einem Europäischen Kriminalamt ausbauen.
  • Das EU-Anti-Terrorzentrum stärken.
  • Nachrichtendienstlichen Datenbanken aller EU-Staaten zu vernetzen und einen Zugriff der EU-Sicherheitsbehörden auf die Daten von EURODAC unter strengen rechtsstaatlichen Regeln ermöglichen.
  • Auch das gerade in der Entwicklung befindliche Pilotprojekt ADEP, das eine automatische Analyse eines „Background-Checks“ von polizeilich bzw. strafrechtlich auffälligen Personen zwischen Polizeien ermöglicht, sollte auf alle Mitgliedstaaten und auch auf Europol ausgeweitet werden.
  • Die Überwachung von identifizierten Gefährdern hat höchste Priorität.
  • Wir lehnen eine vorgeschlagene Kürzung der [Präventivhaft-]Gewahrsamszeit von 10 auf 4 Tagen ab.
  • Zur Erleichterung der Abschiebehaft sollten die bestehenden Regelungen im Aufenthaltsgesetz zur Abschiebungssicherungshaft drastisch vereinfacht werden, um sie für Behörden und Gerichte handhabbar zu machen.
  • Es bedarf nach jetzigem Stand einer sog. Quellen-TKÜ oder einer Online-Durchsuchung.
  • Maßnahmen der Videoüberwachung (…) dienen zur Bewahrung unserer Unversehrtheit und Freiheit.
  • Mehr Kameras führen somit in der Regel nicht zu mehr Sicherheit, aber zu besserer Aufklärung.
  • Alle Videokameras sollen mit modernster Technik ausgestattet sein.
  • Dem Einsatz von Bodycams stehen die Freien Demokraten grundsätzlich offen gegenüber.
  • Die niedersächsischen Kapazitäten zur DNA-Analyse sind erheblich und zeitnah auszubauen.
  • Wir unterstützen eine Weiterentwicklung des nationalen Cyber-Abwehrzentrums in der Weise, dass dieses bei komplexen Schadenslagen die Federführung an sich ziehen kann.

Die Quelle dazu ist leider auf den Seiten der FDP nicht mehr auffindbar – wir hatten sie glücklicherweise rechtzeitig gesichert und stellen Sie hiermit der daran interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung: https://wiki.freiheitsfoo.de/uploads/Main/2017-02-15-Positionspapier-Innere-Sicherheit-FDP-Nds.pdf

 

Ergänzend aus dem Wahlprogramm der FDP Niedersachsen zur Landtagswahl im Oktober 2017:

  • Wir solidarisieren uns menschlich mit allen Angehörigen unserer Bundeswehr sowie den aktiv tätigen Reservistendienstleistenden.

Quelle: http://www.fdp-nds.de/fileadmin/ltw-18/FDP_NI_Wahlprogramm_A5_Ansicht.pdf

 

Abschließend:

Nun führt die FDP auch einige menschen- und persönlichkeitsrechtlich lobenswerte Absichten im Schilde, die wir hier aber nicht im Detail aufführen, die aber in den genannten Quellen leicht nachlesbar sind.
Uns liegt es mit diesem Beitrag daran, im Kontext der medialen Rezeption des FDP-Vorstoßes im Zuge der NPOG-Debatte ein etwas differenzierteres Bild von dem zu zeichnen, was von einer FDP-Verfassungsbeschwerde erwartet werden darf bzw. was eben eher nicht.

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