Gemeinsam mit der Polizei Nordrhein-Westfalens hat das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) die polizeiliche Videoüberwachung in sieben großen Städten des Bundeslandes untersucht und zu ermitteln versucht, inwiefern diese tatsächlich Straftaten verhindern können.
Im Fazit des vom KFN veröffentlichten, 109 Seiten starken Ergebnisberichts heißt es:
„Der wissenschaftliche Nachweis eines allgemein kriminalitätsreduzierenden Effekts der Videoüberwachung konnte bisher allerdings nicht überzeugend geführt werden. Für städtische und zentrumsnahe öffentliche Plätze fallen die Effekte sehr unterschiedlich aus, lediglich für die Eindämmung der Kriminalität in Parkhäusern und auf Parkplätzen sowie des Raubes und Diebstahls im öffentlichen Personennahverkehr erweist sich die Videoüberwachung nach bisherigen Befunden als wirksam (Welsh & Farrington, 2009). Bezüglich des Nutzens für die polizeiliche Ermittlung und Aufklärung ist die Befundlage uneindeutig. Allerdings stellt sich angesichts der enormen technologischen Entwicklungen in diesem Bereich die Frage der Aktualität gerade der älteren Befunde, weshalb polizeiliche Praktiker besonders das Potential der Videoüberwachung betonen.“
Wohlgemerkt: Dieses Fazit wurde in Zusammenarbeit mit der Poizei erstellt! Man darf sich eigene Gedanken dazu anstellen, wie es ausgefallen wäre, wenn das KFN alleine für die Gestaltung der Zusammenfassung zuständig gewesen wäre …
Zurecht schreibt denn auch das Westfalen-Blatt in einem Bericht vom 22.6.2018 unter der Überschrift:
„Video-Überwachung schreckt nicht ab“
dann folgendes:
Beugen Videokameras im öffentlichen Raum der Kriminalität vor? Das NRW-Innenministerium hat die Kameraüberwachung in sieben Städten vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) untersuchen lassen.
Die mehr als 100 Seiten starke Studie kommt zu dem Ergebnis: Die Kameras wirken kaum oder gar nicht, in Dortmund nahm die Straßenkriminalität im videoüberwachten Bereich sogar zu.
»Die Videobeobachtung hat nur in einer Stadt zu einer nennenswerten Reduktion des Kriminalitätsaufkommens beigetragen. Der beobachtete Effekt fiel darüber hinaus sehr schwach aus. In zwei weiteren Städten ergaben sich allenfalls Tendenzen in diese Richtung, und in einer Stadt zeigte sich sogar ein Effekt in die gegenteilige Richtung«, lautet das Fazit der Untersuchung wörtlich.
Polizeiliche Videobeobachtung von Straßen und Plätzen gibt es in Düsseldorf (10 Kameras), Mönchengladbach (7), Aachen (7), Essen (16), Dortmund (14), Duisburg (19) und Köln (25).
(…)
Professor Dr. Thomas Bliesener, Direktor des KFN: »Sieht man sich nur die Prozentzahlen an, könnte man vermuten, in der Mehrzahl der Städte gebe es einen positiven Effekt.« Etliche dieser Prozentzahlen seien aber mit Vorsicht zu betrachten, weil die zugrundeliegenden Fallzahlen sehr gering seien. Deshalb habe man ein weiteres statistisches Verfahren (Odds ratio) angewandt. »Dabei kam heraus, dass die Videoüberwachung nur in Duisburg zu einer nennenswerten Abnahme der Kriminalität beigetragen hat.« Der Effekt sei aber sehr schwach gewesen.
Mit seinem Forschungsergebnis steht das KFN nicht alleine da. »Würdigt man die bisherige Forschung zusammenfassend, lässt sich feststellen, dass die Videobeobachtung nicht uneingeschränkt bejaht werden kann«, heißt es in der Studie. Am ehesten könnten Diebstähle verhindert werden, weil sie in der Regel vom Täter geplant würden. Gewaltdelikte geschähen aber oft im Affekt, da machten die Täter keine Risiko-Nutzen-Abwägung.
Das alles ist keine Neuigkeit, aber es wert, sich in diesen Zeiten in Erinnerung zu rufen – und den vielen Populisten unter die Nase zu reiben, wenn sie (wie derzeit in einigen Bundesländern) die Polizeigesetze verschärfen und polizeiliche Videoüberwachung öffentlichen Raums noch sehr viel mehr Spielraum als bisher einräumen möchten, und vermutlich auch werden …
Vielen Dank an die Menschen von „dieDatenschützer Rhein-Main (ddrm)“ für den Hinweis auf die KFN-Studie!