Ende Januar 2018 hatten wir darüber berichtet, wie schwer sich die Pressestelle der Deutschen Post DHL bei der Beantwortung von Fragen zum Umfang von Videoüberwachung an Packstationen tut. Hintergrund ist ein populistischer Vorstoß des noch amtierenden Bundesinnenministers de Maiziere aus dem Dezember 2017.
Kurz nach unserer Berichterstattung teilte uns das Bundesinnenministerium (BMI) mit, dass man überhaupt keine Ahnung habe, wie DHL auf die Forderungen nach mehr Videoüberwachung an Packstationen reagiert habe. Man würde auch gar nicht mit der DHL deswegen in Kontakt stehen.
Bei unserer nachgehenden Recherche folgte ein längerer E-Mail-Austausch mit der Datenschutzbeauftragten der Deutschen Post und wegen der sehr mageren, aus unserer Sicht unzureichend dürftigen Beauskunftung durch diese haben wir uns selber auf den Weg gemacht und uns eine größere Anzahl von Packstationen etwas genauer angesehen.
Das Ergebnis: Nur zwei von 16 begutachteten Packstationen waren mit einer Überwachungskamera ausgestattet.
Mit Blick auf den ganzen Vorgang erscheint es uns so, als wolle sich keine der beiden Seiten (BMI versus Deutsche Post DHL) zu sehr mit dem Thema öffentlich beschäftigen bzw. sich dazu äußern:
Die Deutsche Post hat möglicherweise keine Lust, sehr viel Geld für eine aufwendige Videoüberwachungs-Aufrüstung an 3.400 Packstationen bundesweit zu investieren, das BMI möchte oder kann ebenfalls kein Gelder in dieser Höhe (geschätzt eine zwei- bis dreistellige Millionen-Euro-Zahl) locker machen. Vielleicht auch in dem Wissen, dass der Effekt in Sachen Strafverfolgung gegen Null tendiert – denn wer ein Paket oder Päckchen anonym aufgeben möchte, der kann das mit ein wenig Überlegung auch ganz ohne Packstation erledigen.
Ergänzend also zu unserer vorherigen Berichterstattung:
1. Was sagt die Deutsche-Post-Datenschutzbeauftragte und was nicht?
2. Faktencheck: Videoüberwachung an Packstationen in Hannover
3. Faktencheck: Anonymes Versenden von Paketen und Päckchen
4. Fazit
Im Detail:
Was sagt die Deutsche-Post-Datenschutzbeauftragte und was nicht?
Immerhin relativ flott reagierte die Datenschutzbeauftragte (zunächst noch) auf unser Auskunftsersuchen zur Dokumentation der Videoüberwachung an Packstationen.
Da es sich um ein „Jedermann“-Auskunftsrecht handelt, kam eine Antwortverweigerung (so wie bei der DHL-Pressestelle bitter erlebt) auch nicht in Betracht.
Aber: Die Auskünfte sind zum Teil derart schwammig, pauschal oder ungenau, dass wir daran zweifeln, dass sie der im BDSG festgeschriebenen Auskunftspflicht genügend nachkommen:
Die Benennung der Zweckbestimmung der Videoüberwachung mit „“Sicherheitsbelangen“ empfinden wir als viel zu ungenau. Und die Angabe zu den Löschfristen von Videobildaufzeichnungen lautet maximal unpräzise (und pauschal für alle Packstationen!): „Nach Wegfall des Zwecks der Datenverarbeitung, es sei denn, gesetzliche Aufbewahrungspflichten sehen eine längere Speicherung vor.“ Wir werden die Frage nach der Rechtmäßigkeit dieser unspezifizierten Beantwortung weiter verfolgen und haben dazu die zuständige Bundesdatenschutzbeauftragte um Untersuchung und Stellungnahme angefragt.
Doch noch weiter: Auf die konkrete Nachfrage zum Stand der Dinge bei zwei präzise benannten Packstationen erhielten wir eine bestimmte Detail-Information mitgeteilt, die wir – so die Bitte der Deutschen-Post-Datenschutzbeauftragten – nicht veröffentlichen sollen. Das erscheint uns ein wenig merkwürdig.
Wir kommen dem Wunsch der Deutschen Post im Rahmen eines fairen Miteinanders nach, nachdem man uns mitgeteilt hat, dass die betreffende Information nach Meinung der Deutschen Post DHL nicht im Rahmen des Jedermann-Auskunftsersuchens erteilt worden sei.
Stattdessen machen wir aber mit diesem Blog (im nachfolgenen Punkt) öffentlich, was wir bei der Besichtigung von 16 Packstation-Standorten in Hannover selber gesehen und gelernt haben.
Wie schon erwähnt, haben wir inzwischen die Bundesdatenschutzbeauftragte eingeschaltet. Die DHL-Datenschutzbeauftragte hatten wir zunächst um Auskunft darüber gebeten, ob die BfDI denn überhaupt die richtige, also die formell zuständige Datenschutzbehörde für den halbstaatlich geführten Konzern der Deutschen Post AG und ihrem DHL-Tochterunternehmen sei.
Bemerkenswert: Erst, nachdem wir nach vorheriger Anfrage bei der BfDI unsere Anfrage zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der DHL-Überwachungspraktiken und der DHL-Beauskunftung zugesendet hatten, meldete sich die Deutsche-Post-Datenschutzbeauftragte und teilte uns mit, dass das BfDI zuständig sei. Da waren aber schon prinzipiell zwei Wochen seit unserer Bitte vergangen, uns die zuständige Stelle zu benennen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …
Faktencheck: Videoüberwachung an Packstationen in Hannover
Die DHL-Packstationen werden – wie auch in vielen anderen Ländern für andere Paketdienstleister – vom österreichischen Unternehmen KEBA hergestellt. Keba liefert an die DHL ausschließlich Outdoor-Varianten des Systems „KePol FS“ (Broschüre / Technische Daten) ein – zumindest bei den von uns in Augenschein genommenen Anlagen war das bis auf eine Ausnahme der Fall, selbst wenn die Anlagen wie in zwei untersuchten Fällen innerhalb eines Gebäudes aufgestellt ist.
In Hannover gibt es knapp 40 DHL-Packstationen. Wir haben 16 Stück davon besucht und uns genauer angeschaut.
Von diesen 16 Packstationen wiesen lediglich zwei Anlagen je eine einzelne, in der Anlage integrierte Überwachungskamera auf. Ob diese jeweils aktiv ist und aufzeichnet oder nicht, war von außen nicht ersichtlich.
Und auch die Kennzeichnung – aus unserer Sicht übrigens nicht den einschlägigen Vorschriften des §6b BDSG genügend – lässt keine Rückschlüsse darauf zu, denn alle 16 Packstationen sind mit Aufklebern versehen, die behaupten, dass alle Packstationen videoüberwacht seien. Eine Lüge, zumindest in 13 von 16 Fällen.
Denn bei einer weiteren Packstationen war diese im Vorraum einer Postfiliale aufgestellt. Ein Raum, der mit insgesamt drei Überwachungskameras ausgerüstet ist, die aber mutmasslich nicht oder nur peripher den Bereich vor der Packstation erfassen.
Bei noch zwei weiteren Packstationen war ein Bedienfeld-Modell verbaut worden, das den Einbau einer Überwachungskameras ermöglicht, jedoch hatten diese beiden Anlagen – soweit ersichtlich und mit vergleichendem Blick auf die eine Anlagen mit eingebauter Kamera – keine Überwachungskamera eingebaut.
In aller Kürze zusammengefasst:
Nur zwei von 16 Packstationen haben eine speziell für die Überwachung der Packstationen vorgesehene Überwachungskamera eingebaut, die anderen 14 Anlagen haben das nicht. Und nur zwei weitere Anlagen ermöglichen einen nachträglichen Einbau einer solchen Kamera ohne größeren Umbau/Aufwand – wir schätzen den finanziellen Aufwand dafür auf einen zwei-, ja vielleicht sogar dreistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Faktencheck: Anonymes Versenden von Paketen und Päckchen
Vor einigen Jahren noch gab es die Möglichkeit, an den Packstationen mittels Bargeld Prepaid-Paketaufkleber zu erwerben, die man dann zur Versendung mittels Packstationen nutzen konnte.
Mittlerweile geht das nicht mehr (Anmerkung: Aber auch schon früher war die Bezahlung mittels Geldscheinen und -münzen zum Teil dauerhaft deaktiviert!) und man muss mittels Smartphone-App oder anders online solche Prepaid-Paketaufkleber erwerben, was einen anonymen Erwerb solcher Paketscheine auf diesem Wege so gut wie unmöglich macht, denn als Bezahlmethode werden nur Paypal und Postpay zugelassen.
Eine weitere Möglichkeit tut sich jedoch durch den Erwerb von Prepaid-DHL-Paketmarken auf, die man u.a. in Postfilialen gegen Bargeldbezahlung aber auch in den üblichen Online-Verkaufsportalen wie z.B. „ebay-kleinanzeigen“ erwerben kann.
Mittels dieser Paketmarken kann man an (den zumeist nicht videoüberwachten) Packstationen ein Paket zum Versand aufgeben, ohne weitere Angaben zur eigenen Person machen zu müssen.
Ja, die Menüführung erlaubt es sogar, die Sendungsnummer der Paketmarke nicht nur per Barcode-Scanner zu erfassen, sondern manuell per Zifferneingabe mitzuteilen. Selbst wenn man hier eine imaginäre Sendungsnummer eingibt, nimmt die Packstation ein Paket (mit nicht oder nicht korrekt frankiertem Paketaufkleber) an und öffnet dafür ein Fach der gewünschten Größe. Wie die DHL und die für sie arbeitenden Menschen dann aber mit so einem abgegebenen Paket umgehen, das ist nicht klar.
Überhaupt scheint die Möglichkeit, ein Paket oder Päckchen anonym zu versenden, am einfachsten zu sein, indem man das in einer größeren oder kleinen Postfiliale aufgibt. Bezahlung per Bargeld ist dort kein Problem und eine Absender-Identifizierung wird glücklicherweise (noch?) nicht verlangt – wäre im echten Leben für viele Konstellationen auch äußerst unpraktisch. Und für den Fall, dass die Filiale videoüberwacht ist finden sich mit einiger gedanklichen Anstrengung einige Möglichkeiten, sich dieser zu entziehen oder dort gar nicht erst persönlich vorstellig werden zu müssen.
Wir sind der Meinung, dass es ein Recht auf anonyme Kommunikation und auch auf anonyme Paketpost geben muss und dass bei allem technischen Fortschritt auf dieses geachtet, dieses gewahrt werden muss.
Der nun bald aus dem Amt scheidende Bundesinnenminister hat mit seiner öffentlichkeitswirksam angebrachten Forderung nach mehr Videoüberwachung von Packstationen eine für ihn typische, mit dem schwelenden Brandgeruch des Populismus verhaftete Stimmungsmache betrieben, die sich bei näherer, sachlicher Betrachtung als effektiv nutzarmen Unsinn entpuppt.
Aber mehr noch:
Offenbar blieb die Pressearbeit des BMI-Chefs ohne irgendwelche Konsequenzen, noch nicht einmal Gespräche zwischen BMI und der Deutschen Post DHL hat es gegeben. Weder BMI noch DHL wollen sich rühren, um den aus der Öffentlichkeitsaktion entstandenen Handlungsdruck möglichst zu umschiffen.
Solch ein Politikgebahren ist nichts anderes als ein lautes, aber hohles Getöse. Wer nach diesem Rezept Politik betreibt handelt unverantwortungslos und verspielt seine Glaubwürdigkeit und Autorität. Und darf sich nicht über die daraus resultierenden Folgen wundern oder beschweren.