Wir haben bereits im November 2017 darüber berichtet, dass die Bundesregierung ohne öffentliche Beachtung eine möglicherweise folgenschwere Änderung der Strafprozessordnung (StPO, dort der § 163 Absatz 3) vorgenommen hat, die die Befugnisse der Polizei erneut ausbaut und je nach (unklarer) Auslegung einen erheblich repressiven Charakter annehmen kann.
Um etwas Licht in die praktische Umsetzung der unscharfen Gesetzesformulierung zu bekommen, haben wir insgesamt zwölf Polizeidirektionen bzw. Polizeistellen in jeweils unterschiedlichen Bundesländern angeschrieben und drei aus unserer Sicht wichtige Fragen gestellt. Den Gehalt der Antworten haben wir in einer übersichtlichen Tabelle zusammengetragen (siehe Bild rechts) und eine subjektive Bewertung der Antworten vorgenommen, die Tabellenfelder entsprechend farblich hinterlegt.
Zwei Polizeien (Düsseldorf und Mainz) haben uns bis Redaktionsschluss trotz einiger Nachfragen gar keine Antwort oder Rückmeldung zukommen lassen. Die Polizei Stuttgart hat sich einer Beantwortung ausdrücklich verweigert und meinte, diese gar nicht beantworten zu können, was sachlich unrichtig ist. Die Polizeien Frankfurt/Main und Berlin haben uns erst auf Drängen geantwortet, die Münchner Polizei wollte unsere Redaktion anfangs gar nicht erst als frageberechtigt anerkennen, auch dort mussten wir erst umfänglich nachhaken, um Antworten auf drei einfache Fragen zu erhalten.
Von diesen Erfahrungen bei den Anfragen abgesehen ergibt die Übersicht ein uneinheitliches Gesamtbild. Zumindest zu den Fragen, ob die Staatsanwaltschaft so genannte Pauschal-Auftragserteilungen zur Vorladungen erteilen darf/kann/wird oder nicht und die Frage, ob die Vorladungen ggf. auch mündlich erfolgen können und dieses dann rechtskräftig sind (mit allen Konsequenzen), zu diesen beiden Fragen also erhielten wir inhaltlich weit auseinander liegende Antworten. Ein klares Anzeichen dafür, dass die Bundesregierung bei dieser Gesetzgebung schwammige, also unklare Vorgaben zur gelebten Praxis der neu geregelten polizeilichen Vorladungsbefugnis erteilt hat.
Eine unsaubere Gesetzgebungsarbeit also, ob gewollt oder nicht, das lässt sich nicht sagen. Dass die polizeiliche Flickenteppichpraxis aber mitunter stark repressiv ausgerichtet sein wird, das steht fest bzw. ist zu befürchten. Wer der Pflicht zum Erscheinen vor den in Verhörtechnik psychologisch gut geschulten und erfahrenen Polizisten nicht nachkommt, der/die muss beispielsweise mit Polizei-Besuch in Schule, Familie oder auf dem Arbeitsplatz rechnen. Eine entsprechende nachhaltige Stigmatisierung der so behandelten Menschen in ihrem alltäglichen sozialen Umfeld – ganz unabhängig von Schuld- oder Unschuldfragen – ist damit vorprogrammiert. Und mitunter vermutlich auch genau so gewollt.