Überblick: Videoüberwachung der Straßenverkehrswege in Niedersachsen durch die Verkehrsmanagementzentrale und die Zusammenarbeit mit der Polizei [Update]

Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen betreibt mehr als 350 Überwachungskameras, die das Erfassen von KFZ-Kennzeichen ermöglichen und erlaubt der Polizei den Zugriff auf das gesamte Videoüberwachungssystem. Zulässig?

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Karte: VMZ-Videoüberwachung in der Region Hannover

Wie viele Überwachungskameras betreibt die niedersächsische Verkehrsmanagementzentrale (VMZ), wo befinden sich diese, mit welcher Qualität arbeiten die einzelnen Kameras und in welchem Umfang gibt die Landesbehörde Bilder oder Aufzeichnungen an Polizei und Geheimdienste weiter?

Hierzu haben wir bei der VMZ seit Dezember 2015 nachgefragt und Stück für Stück Antworten erhalten, auch wenn die Beantwortung der Fragen mal drei Monate, mal sechs Wochen gedauert hat bzw. die letzten Rückfragen bis heute noch immer unbeantwortet geblieben sind.

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Karte: VMZ-Videoüberwachung in Niedersachsen (Überblick)

Die VMZ ist eine niedersächsische Landesbehörde, die anders als es der Name vermuten lässt, hauptsächlich für den Straßenverkehr und dessen „Management“ zuständig ist und dazu eine Reihe von Aufgaben zugeteilt bekommen hat. (Siehe auch die Selbstdarstellung der VMZ.) Dazu wurde die Behörde u.a. mit einigen Hundert Videoüberwachungskameras ausgerüstet, um den Straßenverkehrsfluß an verschiedenen Stellen und Brennpunkten in Niedersachsen, insbesondere aber in Hannover überwachen zu können.

Bis ca. 2011 hat die VMZ eine unrühmliche Rolle beim unzulässigen Betrieb einer Videoüberwachungszentrale gemeinsam mit der Polizei Hannover gespielt: Beide Stellen erlaubten sich gegenseitig unbeschränkten Zugriff auf Steuerung und Bilder der Überwachungskameras der jeweils anderen Behörde. Erst durch hartnäckige Intervention der niedersächsischen Landesdatenschutzbehörde wurde dieser rechtswidrige Überwachungseinheit aufgelöst bzw. mittels eines Anordnungskatalogs die Zusammenarbeit von Polizei und Verkehrsbehörde geregelt. (Siehe dazu auch S. 111 des XX. Tätigkeitsberichts der nds. Landesdatenschutzbehörde.)

Mit unseren Nachfragen wollten wir einen Überblick über Umfang und Technik der Videoüberwachung der VMZ erhalten. Die uns dazu erteilten Informationen haben wir in unserem Wiki dokumentiert und fassen sie im folgenden stichpunktartig kurz zusammen:

  • Die VMZ hat Zugriff auf landesweit 353 Überwachungskameras in Niedersachsen, davon befinden sich 141 Kameras in Tunneln, 51 Kameras an Lärmschutzwänden und 94 Kameras entlang eines längeren Autobahnabschnitts bei Walrsrode/Uelzen.
  • Im Raum Hannover kann die VMZ alleine mittels 67 Kameras alle wesentlichen Straßenknoten und -strecken der Landeshauptstadt videoüberwachen. Die allermeisten Fahrzeuge, die in die Stadt einfahren oder diese verlassen werden durch mindestens eine dieser Kameras erfasst.
  • Die VMZ benutzt 45 Kameras der Polizeidirektion Hannover mit bzw. hat Zugriff auf diese und darf diese bedienen.
  • Die VMZ ist dabei, viele ihrer Kameras in der Region Hannover technisch aufzurüsten (von Stabkameras zu Domkameras). Die Aufrüstung kostete in einem konkreten Einzelfall 5.500 Euro.
  • Die von der VMZ betriebenen Domkameras arbeiten mit einem 1/4″-CCD-Chip mit einer Auflösung von 976 x 582 Pixel und Brennweiten von 3,3-119 mm (36facher Zoom). Die älteren Stabkameras haben einen 1/2″-CCD-Chip mit einer Bildauflösung von 650 x 502 Pixel und Brennweiten von 7,5-75 mm (10facher Zoom).
  • Nach eigenen Angaben des VMZ seien die Kameras bei geeigneten Sichtverhältnissen in der Lage, KFZ-Kennzeichen lesen und auswerten zu können. („Es kann nicht vollständig ausgeschlossen werden.“) Betriebsanweisungen sollen den Mitarbeitern der VMZ allerdings untersagen, das auch zu tun.
  • Die Polizei Hannover hat die Möglichkeit, auf sämtliche Kameras der VMZ und deren Bilder zuzugreifen.
  • Auf der Autobahn A2 werden zwischen Hannover und Lehrte in Kürze vier weitere Dom-Überwachungskameras installiert.
  • Zu der Frage, ob die Polizeidirektion Hannover den Betrieb einiger ihrer derzeit noch 78 Überwachungskameras an die VMZ übertragen und sich so bei einem Rechtsstreit aus der Affäre ziehen möchte, erhielten wir von der VMZ zur Veröffentlichung dieses Blogbeitrags noch keine Antwort.
  • In der VMZ weiß man angeblich nichts von einer Zusammenarbeit mit deutschen Geheimdiensten: „Kenntnisse über Zugriffe von Geheimdiensten auf die von der VMZ betriebenen Videokameras liegen mir nicht vor.“

Mit Blick auf die von der VMZ genannten Fähigkeit, dass die Verkehrskameras u.U. die Erfassung von KFZ-Kennzeichen ermöglichen, halten wir es für fraglich, ob der Zugriff der Polizei auf diese Systeme rechtlich zulässig ist.

Unsere Wikiseite zu dieser Recherche: https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.VMZ-Nds-VUE

 

UPDATE 1.6.2016

Aus einer weiteren Rückmeldung der VMZ an uns geht nun – anders als von der Behörde bisher dargestellt – hervor, dass die VMZ auf sämtliche Polizeikameras Hannovers zugreifen kann und nicht nur auf eine besondere Auswahl von 45 Stück.

Weiterhin ist nun seitens der Polizeidirektion Hannover verfahrensintern angekündigt worden, 37 von aktuell 77 Polizeikameras abzubauen oder – und das scheint uns wahrscheinlicher und war von uns befürchtet worden – deren Betrieb formell an die VMZ zu übertragen.

Faktisch würde sich an der Nutzung der Kameras durch die Polizei in der Folge dann überhaupt nichts ändern, heißt es doch seitens der VMZ:

„Die in der Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen/Region Hannover (VMZ) diensthabenden Polizeibeamten der Polizeidirektion Hannover haben grundsätzlich Zugriff auf alle Kameras und entscheiden lageangepasst im Einzelfall über eine Kamerabedienung und Freigabe/Übermittlung von einzelnen Bildern/Einstellungen an die VMZ.“

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