In einem von uns veröffentlichten Schreiben kündigt der oberste Justiziar der Polizeidirektion Hannover an, die derzeit 78 Polizei-Überwachungskameras „deutlich zu reduzieren“.
Hintergrund ist eine seit Jahren angebrachte Kritik an der polizeilichen Videoüberwachungspraxis in Hannover und ein dazugehöriges, anhängiges Gerichtsverfahren, in dem die Verfassungswidrigkeit der aktuellen Rechtsgrundlage festgestellt werden soll – was die Abschaltung aller Kameras nach sich ziehen würde.
Der Vorgang im Detail und Zusammenhang:
Seit 2008 fordern wir (damals noch als Ortsgruppe Hanonver des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung) den Rückbau der mindestens zum Teil rechtswidrig betriebenen 78 Polizei-Überwachungskameras in Hannover.
In 2011 errangen wir vor dem Verwaltungsgericht Hannover einen ersten Erfolg und brachten die Polizeidirektion Hannover dazu, die Kameras im öffentlichen Raum zu kennzeichnen sowie eine Übersicht über die Kameras und ihre einzelnen Standorte zu veröffentlichen.
In diesem Zusammenhang brandmarkte das Gericht die derzeit immer geltende Rechtsgrundlage als verfassungswidrig, also gingen wir ebenfalls noch in 2011 erneut vor Gericht, verklagten das Land Niedersachsen und forderten den Abbau der Kameras.
Das ist nun viereinhalb Jahre her, das Verfahren wurde zu Anfang aus formellen Gründen, später aus nicht erkennbaren Gründen verschleppt und erst seit kurzem kommt endlich wieder Bewegung ins Spiel, obwohl die Polizeidirektion nicht müde wird, auf die angeblich immer wieder bald zu erwartende Reform des niedersächsischen Polizeigesetzes (NdsSOG) hinzuweisen und damit auf Zeit zu spielen versucht. (Siehe dazu auch: Schrieben niedersächsiche Gerichte am neuen Entwurf für das Polizeigesetz mit?)
Am 29.3.2016 wurde es dann aber für die Polizei in Hannover doch ernst, denn das Verwaltungsgericht Hannover schrieb der Behörde wie folgt (Hervorhebung durch uns):
„[Es] wird um Darlegung gebeten, nach welchen Kriterien Sie die Videokameras an welchen Standorten aufgestellt haben. Ausweislich Ihres Schriftsatzes vom 5.1.2012 sollen Kameras nur dort aufgestellt worden sein, wo dies zur Abwehr von Straftaten an Kriminalitätsschwerpunkten oder zur Abwehr von Gefahren von Gewicht, z.B. für die Sicherheit von Verkehrsteilnehmern geboten sei. Insofern wird um Vorlage einer Karte mit den genauen Standorten sowie Angaben zum jeweiligen Zweck der Gefahrenabwehrmaßnahme gebeten, damit nachvollzogen werden kann, ob die jeweiligen Standorte der jeweiligen Zweckbestimmung entsprechend ausgewählt worden sind.„
Bereits in der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2011 zum vorherigen, von uns gewonnenen Gerichtsverfahren ist deutlich geworden, dass die Polizei Hannover mit solchen Informationen bzw. Argumenten für die allermeisten Kamerastandorte gar nicht dienen kann und eine Vielzahl der 78 Überwachungskameras selbst unter der geltenden Rechtslage gar keine Grundlage aufweisen, also abgeschaltet gehören.
Dementsprechend fällt nun die Reaktion der Polizei aus – der Justiziar der Polizeidirektion Hannover bat erfolgreich um eine Fristverlängerung bis zum Mai 2016 und begründete diese in einem Schreiben vom 20.4.2016 wie folgt (Hervorhebung durch uns):
„Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Gesetzesänderung und der technischen Überalterung mancher Geräte findet in der Polizeidirektion Hannover gegenwärtig eine kritische Überprüfung des vorhandenen Bestandes an Überwachungskameras statt mit der Absicht, diesen deutlich zu reduzieren. Es ist zu erwarten, dass eine Reihe von Kameras kurzfristig außer Betrieb genommen wird.„
Das bewerten wir als einen Erfolg nach 8jähriger, beharrlicher Arbeit an diesem Thema!
Zugleich bleibt abzuwarten, was tatsächlich passieren wird, in welchem Umfang bestehende Überwachungsanlagen abgebaut oder deren Betrieb ggf. nur an andere Betreiber, wie z.b. die Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) in Hannover übertragen werden, die der Polizei dann weiterhin die Bilder übertragen. (Dazu werden wir zu einem späteren Zeitpunkt noch von weiteren Rechercheergebnissen im Detail berichten.)
Auch werden wir etwaige Modernisierungsmaßnahmen, also den Ausbau der Kameratechnologie an bestehenden Standorten kritisch und aufmerksam zu begleiten versuchen.
Davon unabhängig:
Die mündliche Verhandlung zum laufenden Gerichtsverfahren ist vom Verwaltungsgericht Hannover nach derzeitigem Stand der Dinge für den 9.6.2016 um 9:30 Uhr anberaumt worden.