Eine Woche vor Weihnachten wurde bekannt, dass der Bundespräsident die neue Vorratsdatenspeicherung unterschrieben und damit abgesegnet hat. Vorherige Einladungen vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und von uns zu einem Gespräch dazu hatte er abgelehnt. Wir haben Herrn Gauck daraufhin auf verfassungsrechtliche Bedenken schriftlich hingewiesen.
Genau so wie Posteo erhielten auch wir einen Brief aus dem Bundespräsidialamt. Darin steht:
„Nach eingehender Prüfung ist [Herr Gauck] dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Verfassungsverstoß, der allein ihn hätte berechtigen können, die Ausfertigung zu verweigern, [bei der neuen Vorratsdatenspeicherung] nicht vorliegt.“
Wir merken uns das und haben dem Bundespräsidenten nun vier Fragen gestellt, deren persönliche Beantwortung man uns seitens der Pressestelle des Bundespräsidialamts (wie immer unverbindlich) in Aussicht gestellt hat:
1.)
Das Bundesjustizministerium (BMJV) bestätigt, dass es derzeit keine „notwendigen statistischen Informationen für eine wissenschaftlich fundierte Bewertung der Wirksamkeit“ der Vorratsdatenspeicherung gibt. Warum halten Sie es gerechtfertigt, eine derart umfassende und in die Grundrechte aller in Deutschland lebenden Menschen eingreifende Maßnahme wie diese einzuführen, wenn deren Wirksamkeit trotz der seit 2006 andauernden Diskussionen und Versuche, diese zu belegen, sachlich gar nicht untermauert werden kann?
2.)
Sie haben sowohl die Bitte des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (in 2012) als auch die Nachfrage durch unsere Initiative freiheitsfoo (in 2015) abgelehnt bzw. ablehnen lassen, sich für ein gemeinsames Gespräch zum Thema Vorratsdatenspeicherung etwas Zeit zu nehmen. In welchem genauen Umfang haben Sie sich andersweitig über Bedenken und Kritik zur Vorratsdatenspeicherung aus den Reihen nicht parteipolitisch verbundener oder an sonstige Interessengruppen gebundener Bürger oder Bürgerinitiativen informiert und welche andere Gruppen oder Personen haben Sie bei Ihrer Entscheidung zur Zeichnung oder Nichtzeichnung des Gesetzespakets beraten?
3.)
Viele Menschen haben sich seit 2006 gegen die Vorratsdatenspeicherung in offenen Bürgerinitiativen engagiert. Damals wurde Ihnen von den für die damalige Gesetzgebung verantwortlichen Politikern häufig Ablehnung, ja zum Teil sogar Abschätzung entgegengebracht, obwohl die Engagierten – meistens – um einen sehr sachlichen Tonfall bemüht waren. Erst viele Jahre später wurde ihnen in ihrer Einschätzung durch das höchste Gericht vielfach Recht gegeben. Diese Menschen erleben mit der jetzt von Ihnen unterzeichneten Gesetzgebung für eine neue Vorratsdatenspeicherung in Deutschland in alledem Ihr Déjà-vu. Wie stehen Sie zu den Befürchtungen, dass das alles bei den Menschen zu Frustration bezüglich des politischen Engagements bis hin zu Radikalisierung von Einzelnen führen könnte?
4.)
Sind Sie der Überzeugung, dass Menschen, die nur nebenberuflich oder gar ehrenamtlich journalistisch, also z.B. im Sinne des Pressecodex vom Deutschen Presserat, tätig sind – so wie wir von freiheitsfoo – nicht den gleichen Schutz vor Überwachung ihrer Telekommunikation und damit effektiven Quellenschutz erfahren dürfen wie hauptamtlich tätige Journalisten und Journalistinnen, so wie es das hier diskutierte Gesetz vorsieht?
[UPDATE 20.2.2016]
Unter Berufung auf ein frisches Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.2.2016 hat Herr Gauck entschieden – anders als zuvor von seiner Pressestelle, wenn auch unverbindlich, zugesagt – keine unserer vier Fragen zu beantworten.