Solidarität mit netzpolitik.org in Sachen „Landesverrats“-Ermittlungen

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Während der Generalbundesanwalt Harald Range seit über zwei Jahren vielfältige Strafanzeigen und Anhaltspunkte über die umfangreichen Spionagetätigkeiten ausländischer Geheimdienste in Deutschland ignoriert und sich wegduckt, hat der gleiche, dem Bundesjustizminister Maas unterstellte Beamte, nun ein Verfahren gegen zwei Redakteure von netzpolitik.org sowie gegen „Unbekannt“ wegen angeblichem „Landesverrats“ (§ 94 StGB) eingeleitet. Der inkriminierte „Verrat am Land“ ist in der Bundesrepublik Deutschland mit mindestens einjähriger Haftstrafe bewehrt.

Wir sehen in diesem Vorgang einen politischen Schauspiel mit einem Generalbundesanwalt in der Hauptrolle, der Hinweisen auf einen „tiefen Staat“ und die Verselbständigungen und undemokratischen Praktiken von (deutschen wie internationalen) Geheimdiensten und dem militärisch-industriellen Komplex nicht aufklären will, stattdessen aber einen offensichtlichen Einschüchterungsversuch verantwortet und trägt. Mit der Folge, die Pressefreiheit zu beschädigen und das Recht auf Aufklärung bzw. Verfolgung von Straftaten zu vereiteln.

Deswegen erklären wir uns in diesem Kontext solidarisch mit den Bloggern von netzpolitik.org!

Die Generalbundesanwaltschaft, der Präsident des Inlandsgeheimdienstes („Bundesamt für Verfassungsschutz“) samt aller, die diese Vorgänge decken, dulden oder gar fördern, haben Ihre Glaubwürdigkeit endgültig verloren.

2015-07-24_Generalbundesanwalt-Ermittlungsverfahren-LandesverratDer heute morgen vom „Deutschlandfunk-Sicherheitsexperten“ Rolf Clement unternommene Versuch, die Situation zu beschönigen, war billig und ohne Substanz. Herr Clement behauptete trotz offensichtlich anderer Sachlage (siehe nebenstehenden Scan des Schreibens vom Generalbundesanwalt an die beiden Blogger) zu unserer Verwunderung:

„Also es ist erst einmal ein Strafverfahren gegen Unbekannt und nicht gegen Journalisten. (…) Die Zielrichtung dieses Verfahrens ist nicht so sehr die Presse an sich sondern (…) Also ich habe die Sache wie gesagt recherchiert und mir haben alle gesagt, mit denen ich darüber gesprochen habe, die Strafanzeige geht gegen Unbekannt.“

 

Daher sind wir froh, dass sich so gut wie jedes andere Medium über das eingeleitete Ermittlungsverfahren entsetzt zeigt und damit Unterstützung gegenüber netzpolitik.org ausdrückt. Mittlerweile hat auch der DLF eingestanden:

„Diesen Fehler bedauern der Deutschlandfunk und Herr Clement sehr. Rolf Clement ist ein erfahrener und respektierter Kollege mit einer großen sicherheitspolitischen Expertise. Wir werden die Situation intern besprechen und Rückschlüsse für die redaktionelle Arbeit ziehen.“

Es kann seitens eines Staates nicht legitim sein, Medien für die Veröffentlichung von Informationen anzugehen. Vor allem sollte diskutiert werden, warum Politiker und staatliche Behörden Informationen, wie die von netzpolitik.org in diesem Fall veröffentlichten, geheimhalten wollen. Geheimdienste, die (so die Idee) dem Staat und somit den Menschen und der Demokratie dienen sollen, versuchten ebendiese Informationen geheimzuhalten, in denen es um die Budgetierung für die Überwachung von Sozialen Netzwerken und somit für die Überwachung des Landes geht.

Die Negativ-Schlagzeilen der inländische Überwachungsbehörden wie z.B. das BKA und der so genannte „Verfassungsschutz“ reissen nicht ab. Die seit Jahren andauernde Debatte über die Existenzberechtigung solcher Behörden muss weitergeführt werden. Whistleblower, die wichtige Informationen der Presse zuspielen, müssen rechtlich unter Schutz gestellt werden.

Ausschnitt-Screenshot-BfV-OnlineDenn schon seit längerem macht sich der Inlandsgeheimdienst („Verfassungsschutz“) mit seinem Homepage-Header (siehe Bild rechts) lächerlich, in dem nebem einem Porträt des derzeitigen Präsidenten dieser Behörde geschrieben steht:

„Wir sind ein Dienstleister für Demokratie“.

Diesen vorgeblichen „Dienst für Demokratie“ hat netzpolitik.org jetzt zu spüren bekommen. Mit einer Abschaffung des Dienstes würde diese Art der Einschüchterung anderen Pressevertretern in Zukunft zumindest von diesem Amt erspart bleiben.

Zur Rolle und Haltung des Generalbundesanwalts möchten wir schließlich noch seine Äußerungen vom November 2013 in Erinnerung rufen.

Im Deutschlandfunk-Interview-der-Woche ergab sich folgender Frage-Antwort-Dialog:

Gundula Geuther (DLF): „Deutschland ist in der Vergangenheit zurückhaltender gewesen als andere europäische Staaten im Verhältnis zu den USA. Im Fall der sogenannten Extraordinary Renditions zum Beispiel, der Verschleppung von Terrorverdächtigen durch die CIA, da ist ein Verfahren in Deutschland stecken geblieben. In Italien wurden CIA-Angehörige in Abwesenheit verurteilt. Warum?“

Harald Range (Generalbundesanwalt): „Das ist eine politische Frage, die letztlich jeder für sich beantworten muss und in erster Linie die Bundesregierung. Aber vor dem Hintergrund und der langjährigen amerikanisch-deutschen Freundschaft und auch der engen Beziehungen, die da bestehen, kann ich dazu weiter nichts sagen, als ich das zur Kenntnis nehmen muss, wie wir auch in anderen Fällen zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Außenpolitik einen Vorrang hat vor der Strafverfolgung.“

 

Wir zumindest sehen das jedenfalls ganz anders!

Bildquellen: Oben das Bild zu einem von uns organisierten Protest anläßlich eines Range-Auftritts in Garbsen bei Hannover, Mitte der Scan des GBA-Schreibens an die netzpolitik.org-Blogger, Unten der Ausschnitt eines aktuellen Screenshots der Homepage vom Inlands-Geheimdienst (https://www.verfassungsschutz.de/)

Audioquellen: Podcasts des Deutschlandfunk, Oben ein Gespräch zwischen den DLF-Redakteuren Bettina Klein und Rolf Clement von heute, Unten ein Interview mit Herrn Range vom 17.11.2013

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