Der schienengebundene öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) Niedersachsens (Züge, Straßenbahnen) wird von der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) organisiert und strukturiert. Die LNVG hat den Betreibern des Zugverkehrs vorgeschrieben, diesen zukünftig nur noch flächendeckend videoüberwacht durchzuführen.
Das zu verhindern hätte die (derzeitig rot-grüne) Landesregierung alle Zügel in der Hand, ist die LNVG doch ein Unternehmen des Landes Niedersachsen. In einer Petition forderten mehrere Menschen genau dieses von der Regierung … und kassierten nun eine Abfuhr.
Damit nicht genug ließen sich die Landtags-Grünen im Rahmen einer kurzen Landtagsdebatte anlässlich dieser Petition sogar darauf ein, deren Ablehnung zu verteidigen und zeigten sich noch nicht einmal dazu bereit, weitere Informationen und Statistiken zu diesem Thema vorzulegen bzw. anzufordern, um den (Un)Sinn von Videoüberwachung sachbetont besser analysieren zu können.
Es handelt sich – zur Erinnerung – um diejenigen „Grünen“, die sich sonst gerne als Vertreterpartei für Bürgerrechte und Privatsphäre präsentieren.
Wie hieß es noch so schön im Grünen-Prospekt aus dem November 2010, als diese Partei noch in der Opposition des niedersächsischen Landtags saß:
„Die moderne Informationstechnologie ermöglicht immer stärker die flächendeckende Überwachung des öffentlichen Raumes. Mit Zustimmung der FDP wurde die Videoüberwachung nach Polizeirecht in Niedersachsen deutlich ausgeweitet. Es hängen mittlerweile Polizeikameras in jeder größeren Stadt und kontrollieren die Öffentlichkeit. Videokameras breiten sich aus wie das Öl im Golf von Mexiko und haben eine ähnlich fatale Wirkung: Sie verseuchen öffentliche Güter. (…) Das Bundesverfassungsgericht hat in verschiedenen Urteilen zur Videoüberwachung zwar klare Eingriffsschwellen und Tatbestandsvoraussetzungen gefordert, aber genutzt hat das bisher wenig, um die Kameraflut im öffentlichen Raum einzudämmen. Wir brauchen deutlich mehr Sensibilität für unsere Grundrechte, sonst stirbt die Freiheit scheibchenweise. Eine Alternative zur Videoüberwachung sind bessere Beleuchtungskonzepte und aktive kommunale Präventionsräte.“
Schön gesagt!
Doch diese glänzenden Sätze scheint man inzwischen vergessen zu haben … sie machen aber zugleich das Dilemma der derzeitigen „demokratischen Verhältnisse“ klar: Nun sitzt in Hannover die FDP in den Sesseln der Opposition und kann leichtfüßig lautstark mehr Datenschutz und weniger Videoüberwachung im öffentlichen Raum verlangen. Es scheint ein ewiges „Bäumchen wechsle dich“-Spiel zu sein, bei dem es nur einen Verlierer geben kann: Die Freiheit und Anonymität des öffentlichen Raums, die wesentlich ist für die Entfaltung von Menschen und für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit.“Kulturelle Störgeräusche – Wer hat das Sagen im öffentlichen Raum?“
Wer sich für die flächendeckende Videoüberwachung in Zügen und Straßenbahnen einsetzt verkennt, dass er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln einen Bereich überwacht, auf die viele Menschen im Alltag angewiesen sind. Ein Ausweichen ist also nicht möglich. Doch darf angenommen werden, dass hochrangige Landespolitiker tendentiell eher nicht zu der Bevölkerungsklientel gehören, der man diese Dauerüberwachung aussetzt …
Bei dieser Gelegenheit möchten wir auf das gelungene, ca. 53minütige Radio-Feature „Kulturelle Störgeräusche – Wer hat das Sagen im öffentlichen Raum?“ des Deutschlandfunks hinweisen, als Text und noch für wenige Monate als mp3-Hördatei frei herunterzuladen und anzuhören.