Heute vor 2 Jahren: „Vereins“-Verbot gegen linksunten.indymedia – Missbrauch des Vereins(verbots)begriffs und erschreckende Verquickung von Geheimdiensten und Polizeien

Heute vor zwei Jahren, am 14.8.2017, erließ der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere ein Verbot des „Vereins“ linksunten.indymedia. Dass es sich bei der Internetplattform um gar keinen Verein handelt scherte die Zuständigen in Politik, bei Polizei und Geheimdiensten nicht, eine mehr als fragwürdige Begründungskonstruktion zu zimmern, um sich dadurch die (formelle) Berechtigung zum Ausspähen, zu unverhältnismäßigen Durchsuchungen und weiteren Repressionsmaßnahmen zu erteilen.

Das Verbot wurde erst elf Tage später, am 25.8.2017 öffentlich gemacht, als in den frühen Morgenstunden die eben genannten Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchgeführt worden sind.

Wir möchten diesen zweiten Jahrestag dazu nutzen, um an die Zwielichtigkeit und Fragwürdigkeit der Behörden zu und an den damit verbundenen schweren Schaden für die Pressefreiheit erinnern. Und um – zweitens – auf die aus unserer Sicht ebenfalls unzulässige Zusammenarbeit von Polizeien und Geheimdiensten (i.e. „Bundesamt für Verfassungsschutz“, damals noch unter dem unsäglichen Rechtsaußen, Herrn Maaßen) hinzuweisen. Dazu zitieren wir im folgenden einige uns wesentlich erscheinende Passagen eines Interviews der CILIP mit einem von den Durchsuchungsmaßnahmen Betroffenen. Das Interview ist vom 2.1.2018 und im Ganzen auf der CILIP-Homepage nachlesbar. Die Hervorhebungen stammen von uns.

Betroffener:

Während die Polizei unsere Wohnung durchsuchte, waren sie zeitgleich auch in drei anderen WGs in Freiburg und im lokalen Autonomen Zentrum, der KTS (Autonomer „Kulturtreff in Selbstverwaltung“, MM). Die Durchsuchungen richteten sich gegen fünf Personen, die als „Mitglieder“ des „Vereins“ linksunten.indymedia geführt wurden. Wie wir aus den Akten erfahren haben, waren die Durchsuchungen seit Wochen geplant und fanden gut koordiniert statt. Dort stand auch, dass neben dem LKA auch ein Verbindungsbeamter der Bundespolizei bereit stehen und MitarbeiterInnen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vor Ort sein sollten.

CILIP:

Was wollte der Verfassungsschutz vor Ort?

Betroffener:

Die Bundespolizei war für technische Unterstützung vorgesehen, der Inlandsgeheimdienst sollte noch vor Ort (abseits der Durchsuchungsobjekte) die beschlagnahmten Gegenstände durchsehen, um nach Ansätzen für weitere Razzien zu suchen, die unmittelbar durchgeführt worden wären. Zu nachträglichen Durchsuchungen kam es an dem Tag allerdings nicht, und wir haben auch keine GeheimdienstmitarbeiterInnen zu Gesicht bekommen.

Die Beteiligung des Verfassungsschutzamtes des Bundes und ebenfalls laut Akteneinsicht auch des Landesamtes Baden-Württemberg ist insgesamt bemerkenswert. Dem Bundesamt wurde bereits vor den Razzien die Beute zugesprochen: Konkret wurden ihm alle beschlagnahmten Schriftstücke direkt übergeben, während eine „Task Force“ beim LKA für die Entschlüsselung der Computer zuständig ist. Das LKA wird dabei von der Bundespolizei und vom BfV unterstützt. Anschließend sollen auch die „dekryptierten Daten“ ans Bundesamt zur Auswertung übersandt werden.

CILIP:

Wer ist deiner Meinung nach der eigentliche Akteur der Razzien? Begründet wurden sie unter anderem mit den Ausschreitungen beim G20-Gipfel…

Betroffener:

Das BfV hat vorher vermeintliche Belege geliefert, mit denen das Innenministerium die Durchsuchungsbeschlüsse beim Verwaltungsgericht Freiburg erwirkt hat. Offensichtlich handelte es sich bei dem Verbot um ein Wahlkampfmanöver der CDU einen Monat vor der Bundestagswahl und um eine Racheaktion zwei Monate nach dem linksradikalen Protest in Hamburg. Aber natürlich war allen Rechten – von AfD über Verfassungsschutz bis hin zur Regierung – die Webseite seit vielen Jahren ein Dorn im Auge.

(…)

CILIP:

Die Maßnahmen gründen auf einem Verbot der Webseite, das allerdings schon mehrere Wochen zuvor verhängt wurde. Bekannt wurde es erst am 25. August. Was genau werfen die Behörden euch vor?

Betroffener:

Zur Zeit handelt es sich bei dem Verbot der Webseite um ein Vereinsverbot nach Verwaltungsrecht, nicht jedoch um ein Strafverfahren. Wir sollen Mitglieder des Vereins sein, und die Durchsuchungen hätten das Ziel gehabt, Belege für das Vereinsverbot zu finden, das Vereinsvermögen einzuziehen und Belege für etwaige Strafverfahren zu sammeln. Was sich bisher dazu in den Akten findet, ist ziemlich dürftig. Die Zuordnung, welche die Behörden bei uns vorgenommen haben, basieren im Wesentlichen auf anonymen Denunziationen mit vermeintlichen Informationen von öffentlichen Treffen, bei denen mutmaßlich InformantInnen des BfV anwesend waren, sowie einigen wenigen Abhörprotokollen. Auf dieser Grundlage wäre jedes Strafverfahren zum Scheitern verurteilt gewesen. Schon das Vereinsverbot steht auf mehr als wackeligen Füßen.

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