Der 1908 geborene Statistiker Siegfried Koller machte unter der NS-Diktatur erstaunliche Karrieresprünge. Schon im Mai 1933 der NSDAP beigetreten führte er sogenannte „rassenhygienische Forbildungskurse“ durch und setzte sich für eine radikale Verschärfung des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ ein. Er wurde zum Motor einer ständigen Ausweitung von Sterilisationsverbrechen, unterstützte „Selektions“-Praktiken, half bei der Erstellung „sozialbiologischer Kataster“ mit den bekannten Folgen. Besondere „Verdienste“ erwarb sich Herr Koller insbesondere durch seine (schein)“wissenschaftlichen“ Abhandlungen zu „asozialen Personen“ und „Gemeinschaftsunfähigen“. Für diese forderte er gemeinsam mit seinem ebenso liniengetreuen und menschenverachtend wirkenden Kollegen Heinrich Wilhelm Kranz „eine Sonderbehandlung im Rahmen der rassenhygienischen Maßnahmen“. Koller und Kranz waren geistige Vordenker und Wegbereiter millionenfachen Mordes!
Was soll das alles hier?
Siegfried Kollers Karriere endete nicht mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Gegenteil stieg er bis zur Position des Vize-Präsidenten im Bundesstatistikamt auf. Etwas, worüber die Wiesbadener Statistiker bis heute nicht gerne reden oder berichten wollen. Dort initiierte er im Jahr 1957 den Mikrozensus (und erhielt übrigens noch 1982, sechs Jahre vor seinem Tod) das Bundesverdienstkreuz …).
Der Mikrozensus verfolgt seither jährlich rund ein Prozent der Bevölkerung, die zu dieser „ständigen Volkszählung“ meistens heimlich, still und leise ausgewählt und dann im Anschluss über vier Jahre hinweg eine sehr große Zahl von zum Teil sehr tief in das Privatleben eingreifende Fragen beantworten müssen.
Wer nicht antworten möchte, dem werden mehrfache Zwangsgelder zur Besserung seiner geistigen Haltung verordnet. Gerne kommen die Befrager (euphemistisch und doppeldeutig als „Erhebungsbeauftragte“ bezeichnet) mit Tablet an die Tür und möchten die Antworten sofort erledigen. Es gibt das Recht, die Fragen auch in Ruhe schriftlich zu beantworten, doch dieses Recht muss man z.T. hartnäckig einfordern.
Seit sehr kurzem scheint es so, als würde die Mikrozensus-Befragung von einigen Stellen aus dem Schatten-Dasein ins etwas Transparentere geholt zu werden, aber nicht alle Städte und Kommunen haben genügend Vertrauen in „ihre“ Bürger und trauen sich, Ihnen vorher mitzuteilen, dass es den Mikrozensus überhaupt gibt und wer, wann davon betroffen sein wird.
Während einige Städte um Hannover herum keine Probleme mit diesem Vertrauen in den Souverän haben (Beispiele Wunstorf, Barsinghausen, Stadthagen, Neustadt/Rübenberge) meint man in der niedersächsischen Landeshauptstadt, lieber gar nichts zur Sache erzählen zu wollen. Und die Begründung dafür?
Das muss wohl diese „Weltoffenheit“ sein, von der die Hochglanzprospekte der Stadt Hannover immer so schwärmen …