In unserer Kategorie „Zeitzeichen“ rezitieren wir in unregelmäßigen Abständen und in ebenso unregelmäßigem Umfang Nachrichtenschnipsel oder Zitate, die wir als möglicherweise stellvertretende Beispiele für größere Entwicklungen und gesellschaftliche Symptome empfinden: als Zeitzeichen.
Wir behalten uns vor, dieses oder jenes kurz zu kommentieren oder zu bewerten, oder auch nicht. :)
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz meint in einem NDR-Sommerinterview vom 14.7.2017, dass alle Länder jenseits Westeuropas in der G20 Diktaturen sind: „Außerdem ist es absolut notwendig, dass [G20-Gipfel] in großen Städten stattfinden kann, schon von der Logistik geht das gar nicht anders. Und wenn wir nicht wollen, dass solche Treffen nur in Diktaturen stattfinden, dann müssen wir auch wollen, dass das in den Städten Westeuropas stattfinden kann.“ Ebenfalls sehr bemerkenswert, wie etwas später der NDR-Journalist Jürgen Heuer fragend nach möglichen Konsequenzen für die Rote Flora fragt: „Was muss da jetzt passieren? Kann man sich vorstellen, die Polizei geht da rein, macht das mal platt und dann ist Ruhe?“ Mit Blick auch auf die restliche Lenkung des Interviews scheint dieser Journalist offenbar noch nichts von ausgewogener und sachlicher Berichterstattung gehört zu haben.
Neuer Aspekt zur Abschaffung der Vermummungsstrafbarkeit: Ein hochauflösendes Foto genügt häufig, um die Teilnehmer einer Demo zu identifizieren. In Russland werden mithilfe einer Gesichtserkennungs-Software so Demonstranten an den Pranger gestellt – und nicht nur sie. (Siehe auch: https://findface.ru/)
28.8.2017: Bundeskanzlerin Merkels skurrile und menschenverachtende Ideen zum Umgang mit Afrikanern bzw. mit dem (Aus)Bau einer Mauer rund um EU-Europa: „Bundeskanzlerin Merkel erwägt Kontingente für eine legale Einwanderung von Afrikanern. Die CDU-Vorsitzende sagte der „Tageszeitung“, sie könne sich entsprechende Vereinbarungen mit afrikanischen Ländern vorstellen. Dann könne eine bestimmte Anzahl von Menschen von dort hier studieren oder arbeiten. Sie nannte als Beispiel den Pflegebereich, wo Deutschland Arbeitskräfte brauche.“ Eine weitere Facette des modernen Kolonialismus. „Frankreichs Präsident Macron sagte nach einem Treffen in Paris, man sei sich einig, dass Schlepperbanden zerschlagen werden müssten. Künftig werde man sich bemühen, schon auf afrikanischem Boden zu klären, ob Flüchtlinge Aussicht auf Asyl in Europa hätten. (…) Bundeskanzlerin Merkel betonte, man habe eine humanitäre Verantwortung, die illegalen Migrationswege zu ordnen.“ Man beachte den Neusprech des „Ordnens“ als Stellvertreter für „Abschotten“ oder „Errichten von Lagern auf afrikanischen Boden“ oder „Ertrinken lassen“.
Und noch so ein Neusprech, dieses mal vom BMI im Zuge der presseoffiziellen ZITiS-Eröffnung vom 14.9.2017: „Hacken heißt jetzt Forschen.“
Der stellvertretende Vorsitzende des „Bundes der Deutschen Kriminalbeamten (BDK)“, Sebastian Fiedler, lässt in einem DLF-Interview vom 18.9.2017 durchblicken, dass er das aus den Lehren des deutschen Nazi-Regimes entstandene Trennungsgebot zwischen Polizeien und Geheimdiensten am liebsten überwunden haben will und spricht von einem „Trennungsgebot, was wir in Deutschland zwischen Polizei und Nachrichtendiensten noch haben.“ Ach wie gut, dass wir keinen Blick in die Schubladen der Polizeifunktionäre mit all den auf ihren Abruf wartenden Pläne und Wünsche werfen können …
Der „Historiker“ Michael Wolffsohn popularisiert in einem Interview des DLF vom 21.9.2017 die Mär und den Sprachgebrauch der „Flüchtlingswelle“, die schuld am Terrorismus sein soll: „Es stimmt teilweise, dass es in der AfD alte und neue Nazis gibt. Aber warum ist der Einzug der AfD historisch, und das kann man eben nicht mehr mit der Nazi-Vokabel begründen. Denn erstmals in der deutschen Geschichte gibt es tatsächlich neue Gründe, die weite Teile der Bevölkerung von traditionell eher links bis rechts beunruhigen, und das sind zwei Punkte. (…) Und zum Zweiten: Ja, wir hatten auch früher schon Flüchtlingswellen. Ich erinnere an die frühen 90er-Jahre. Das waren Flüchtlinge aus dem Balkan. Aber erstmals gibt es einen nicht zu leugnenden Zusammenhang zwischen der Flüchtlingswelle und dem Anstieg des Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland. Das heißt nicht, dass alle Flüchtlinge Terroristen wären, aber dass es unbestreitbar einen Zusammenhang gibt zwischen den Flüchtlingen aus ganz neuen Regionen, erstens Syrien/Irak und Nordafrika, und das sind die Regionen, aus denen bislang die Terroristen kommen. Das kann man eben nicht bestreiten und das sind keine Nazi-Probleme, und eine Vokabel wie Nazi zeigt im Grunde genommen die Hilflosigkeit der nicht nur Politik, sondern Gesellschaft, mit diesem neuen Phänomen einer extremen Rechten fertig zu werden.“ Herr Wolffsohn hat 31 Jahre lang an der Bundeswehr-Universität München gelehrt und prägte den Ausspruch: „Wenn wir mit Gentleman-Methoden den Terrorismus bekämpfen wollen, werden wir scheitern. […] Als eines der Mittel gegen Terroristen halte ich Folter oder die Androhung von Folter für legitim.“ Gut zu wissen, wer da den Soldaten der „Bundeswehr“ „Ethik“ und eine sehr eigene, persönliche Weltsicht lehrt und einprägt …
Der Vizepräsident der „Republicans Overseas“, Ralph Freund, plädiert am 21.9.2017 in einem Radio-Interview für den möglichen Einsatz von Atombomben: „Sie können mit Diktatoren nicht verhandeln. Das hat die Vergangenheit bewiesen. Weder ein Hussein wäre jemals aus Kuwait rausgegangen durch Diplomatie. Weder wird ein Putin jemals von der Krim runtergehen. Sie müssen die militärische Option auf den Tisch legen; sonst brauchen Sie auch keinen Militäretat. Ob sie dann wirklich gezogen wird, ist eine andere Sache. Aber Sie brauchen sie als Druckmittel und ich halte das auch für richtig, um zurückzukommen zum Iran. [Nachfrage des Redakteurs: Auch mit Atomwaffen?] Warum haben Sie ein Atomwaffenpotenzial, wenn Sie damit noch nicht mal drohen? – Diese Diktatoren müssen Sie damit zum Bewusstsein rufen, dass es noch andere Kräfte gibt. Ich halte das für richtig. Ich glaube nicht, dass dann letztendlich die Atomwaffe gezogen wird, aber man muss zumindest diese Militäroption gegenüber Diktatoren ziehen.“
Forscher ohne Gewissen und Verantwortungsbewusstsein: „Ab welchem Zeitpunkt lassen sich verwertbare Fingerabdrücke von Neugeborenen abspeichern? Diese und noch mehr Fragen wurden auf der Konferenz BIOSIG in Darmstadt behandelt. (…) Wie Yoshinori Koda von NEC berichtete, hat seine Firma Kinderfinger-Abdruckensoren mit 1270 ppi entwickelt, die bereits sechs Stunden nach der Geburt verwertbare Daumenabdrücke abspeichern können und eine Identifizierung bis zum 5. Lebensjahr gestatten. Nachteilig soll allein die Oberflächentemperatur der Geräte von 40 °C sein, vor der manche Neugeborene erschrecken. Dies werde bei der Entwicklung von 240 ppi-Sensoren verbessert werden müssen. Vanina Camacho von der Universität der Republik Uruguay erklärte, wie in dem kleinen südamerikanischen Land vorgegangen wird. Dort müssen die Babys spätestens mit 45 Tagen mit Daumenabdruck registriert sein, was zum fünften Lebensjahr von der biometrischen Erfassung aller Finger abgelöst wird.“ (Quelle: heise-Bericht vom 25.9.2017)