Zeitzeichen, 29

victor-klemperer-cc-by-sa-bundesarchiv_bild_183-s90733-mod-freiheitsfooIn unserer Kategorie „Zeitzeichen“ rezitieren wir in unregelmäßigen Abständen und in ebenso unregelmäßigem Umfang Nachrichtenschnipsel oder Zitate, die wir als möglicherweise stellvertretende Beispiele für größere Entwicklungen und gesellschaftliche Symptome empfinden: als Zeitzeichen.

Wir behalten uns vor, dieses oder jenes kurz zu kommentieren oder zu bewerten, oder auch nicht. :)

taz, 6.5.2024: EU-Rüstungskonferenz in Brüssel: EU will Waffenproduktion ankurbeln. Die Ukraine braucht Waffen und Munition. Europas Rüstungskonzerne sollen groß einsteigen. Auch vor Ort selbst soll produziert werden. (…) Schon jetzt sorgt die enorme Nachfrage nach Waffen und Munition dafür, dass große Waffenschmieden wie Rheinmetall ihre Produktion immer mehr auf die Ukraine ausrichten. Man sei bereits „der wichtigste rüstungsindustrielle Partner des Landes bei seinem Abwehrkampf gegen die russische Aggression“, brüstet sich der Düsseldorfer Konzern. Im laufenden Jahr will Rheinmetall der Ukraine eigenen Angaben nach „Hunderttausende“ Granaten liefern, finanziert aus Mitteln der EU. Unterstützt wird die Aufrüstung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sei jetzt auch, „Rüstungsindustrieminister“ zu sein, erklärte Habeck Ende April in Berlin. Ähnliche Stimmen kommen aus Paris. Verteidigungsminister Sébastien Lecornu drohte der Industrie zuletzt mit Beschlagnahmung, falls sie nicht schneller Waffen produziert. Noch vor ein paar Jahren wären diese Töne undenkbar gewesen. Schließlich schmückten sich die Europapolitiker in Brüssel, Berlin und Paris lange mit dem Friedensnobelpreis, der der EU 2012 in Oslo verliehen worden war. Noch 2019, zu Beginn der Amtszeit von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, war Aufrüstung kein Thema. Nun beherrscht sie die EU-Agenda. (…)“

taz, 31.5.2024: Kein gleiches Recht für alle. Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen dürfen nicht auf einer Autobahn-Auffahrt demonstrieren, Land­wir­t:in­nen aber schon. Ginge dann eine Klima-Demo mit Trecker? (…) Die Kieler „Turboklimakampfgruppe“ (TKKG) hatte eine Blockade der Auffahrt auf die A215 angemeldet. Das Bündnis „A20 -Nie!“, dem Umweltgruppen wie BUND und Nabu sowie Verkehrsklubs wie ADFC und VCD angehören, plante auf der A20 eine Fahrradfahrt gegen den Weiterbau der Autobahn. Gegen beide Demos legte das Ordnungsamt des Kreises Steinburg sein Veto ein, teilten die In­itia­to­r:in­nen mit: Der ungestörte Verkehrsfluss gehe vor. (…) Während der Demos im Frühjahr – zur Erinnerung, es ging um Proteste gegen die Reduzierung von Diesel-Subventionen – wollten Land­wir­t:in­nen am 8. Januar mit Traktoren ganztägig Ausfahrten der A11 und der A20 blockieren. Die Polizei hatte Bedenken, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gab den Bauern recht: Die Versammlungsfreiheit habe höhere Bedeutung als vermutete Gefahren oder die Behinderung des Verkehrsflusses. (…) Das Amt in der Kreisstadt Itzehoe berechnete, dass die Autobahn für die Aktion des Bündnisses „A20-Nie!“ sieben Stunden gesperrt werden müsse – das sei unverhältnismäßig. Zwar dauerte die Trecker-Sperrung im Januar ebenso lange, zudem verwiesen die In­itia­to­r:in­nen auf vergleichbare Demos, bei denen der Verkehr maximal eine Stunde ruhte. Doch es half nichts. Für die Turboklimakampfgruppe gab es immerhin eine Alternative: Sie hätten eine grüne Wiese neben der Autobahn blockieren dürfen. Statt dieses großzügige Angebot anzunehmen, sind die Ak­ti­vis­t:in­nen vors Schleswiger Verwaltungsgericht: „Die Auffahrt steht im direkten Zusammenhang mit unserer Kritik an Autobahnen. Auf der Wiese wäre unser Protest praktisch unsichtbar“, sagte eine Sprecherin. Doch noch am Freitag wies das Gericht die Klage ab, das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung. (…)“

DLF, 6.6.2024: „Medientreffen in Sankt Petersburg – Russlands Präsident Putin: Keine Anzeichen von Neonazismus in den Handlungen der AfD. Russlands Staatschef Putin hat Treffen russischer Vertreter mit Repräsentanten der in Deutschland in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD gerechtfertigt. Man werde mit allen zusammenarbeiten, die mit Russland kooperieren wollten, sagte Putin internationalen Nachrichtenagenturen in Sankt Petersburg. In den Handlungen der AfD sehe man keine Anzeichen von Neonazismus. Vertreter alternativer Standpunkte würden in Deutschland gleich zu Gegnern des Staates und Agenten des Kremls erklärt, meinte Putin.“

DLF, 6.6.2024: „Klimakrise – Copernicus: Zwölfter Monat in Folge weltweite Rekordtemperatur gemessen. Die globale Durchschnittstemperatur hat den zwölften Monat in Folge einen Rekordwert erreicht. Wie der EU-Klimawandeldienst Copernicus mitteilte, war der Mai 1,52 Grad wärmer als im vorindustriellen Referenz-Zeitraum von 1850 bis 1900. Andere Behörden prognostizieren weitere Höchstwerte. Die gemittelte globale Temperatur der vergangenen zwölf Monate lag laut Copernicus sogar 1,63 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Copernicus-Direktor Buontempo sagte, die zwölfmonatige Serie sei schockierend, aber nicht überraschend. Zwar werde die Abfolge von Rekordmonaten irgendwann unterbrochen werden, doch die allgemeine Signatur des Klimawandels bliebe bestehen. Nur wenn man die Konzentration der Treibhausgase in nächster Zukunft stabilisiere, könne man vielleicht bis Ende des Jahrhunderts zu kühleren Temperaturen zurückkehren.“

9.6.2024: EU-Wahl. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte (Blau: „AfD“, Schwarz und Grau: „CDU“ und „CSU“):

Bildquelle: https://www.ndr.de/nachrichten/info/Europawahl-im-Norden-Nicht-ueberall-siegt-die-CDU,europawahlnorden100.html – Man hätte auch gleich fast alles braun einfärben können …

 

DLF, 13.6.2024: Künftiges Wehrdienst-Modell – Wadephul kritisiert ungleiche Behandlung von Frauen und Männern in Pistorius-Plan (…) Statt eines großen Wurfes mit Pflichten auch für Frauen mache der SPD-Politiker einen halbgaren Vorschlag, sagte Wadephul der Deutschen Presse-Agentur. (…) Pistorius‘ Pläne sehen eine verpflichtende Erfassung junger Männer vor, die ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu einem Wehrdienst benennen müssen. Für junge Frauen wäre die Beantwortung dagegen nur freiwillig.“ Berühmt-berüchtigter „C“DU-Feminist, dieser Herr Wadephul

DLF, 14.6.2024: In der Debatte über Abschiebungen auch in Länder wie Afghanistan fordert Hessens Ministerpräsident Rhein die Bundesregierung zur Kontaktaufnahme mit den Taliban auf. Natürlich müsse man mit denen, die vor Ort das Sagen hätten, über eine Rücknahme sprechen, sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenportal „ThePioneer“. Schließlich rede man auch in anderen Fragen mit den Taliban. Ebenso halte er es für vertretbar, bei dem Thema Geld in die Hand zu nehmen. Rhein betonte, er teile die Haltung seines Parteikollegen und nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wüst, der sich zuletzt ähnlich geäußert hatte.“ Geld für die Taliban in die Hand nehmen, damit die abgeschobene IS-Rückkehrer froh zu Tode foltern können – „C“DU halt.

DLF, 14.6.2024: „Angespannter Markt – Bedarf an neuen Wohnungen weiter gewachsen. Der Bedarf an neu zu bauenden Wohnungen in Deutschland ist nach Berechnungen von Ökonomen deutlich höher als bislang angenommen. War das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln laut einem Bericht der Funke-Mediengruppe bislang von 308.000 Einheiten pro Jahr ausgegangen, werde der Bedarf nun auf 372.000 beziffert. Hintergrund sei unter anderem die Zuwanderung, die zuletzt stärker ausgefallen sei als vom IW erwartet. Demnach ist in einem Papier der Wirtschaftswissenschaftler von einem „immensen Problem“ die Rede. So werde der Druck auf den Mietwohnungsmarkt deutlich steigen, da in den sieben größten Städten im Durchschnitt lediglich 59 Prozent der erforderlichen Wohnungen gebaut würden. Im Ergebnis könnten die Mieten bei Neuvermietungen besonders in den Ballungsgebieten deutlich stärker als früher ansteigen.“ Macht die Volkszählung doch nicht alles gut?

HAZ, 14.6.2024: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will die in Deutschland lebenden wehrfähigen Ukrainer zur Rückkehr bewegen und dies auf der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche zur Diskussion stellen. „Mehrere Zehntausend Männer, die der Wehrpflicht in der Ukraine unterliegen, bekommen hier in Deutschland Bürgergeld“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das ist auch der deutschen Bevölkerung nicht mehr lange vermittelbar.“ Es könne jedenfalls nicht sein, „dass wir weitere Anstrengungen unternehmen, um die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen Russland zu unterstützen, was ich für richtig halte, und gleichzeitig prämieren, wenn jemand sich der Wehrpflicht entzieht.“ Dies gelte umso mehr, als in Deutschland selbst über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert werde. „Wir müssen bei der Innenministerkonferenz über das Thema reden“, fügte Herrmann hinzu. „Es dürfen auf keinen Fall noch Ersatzpapiere ausgestellt werden. Darüber hinaus müssen wir klar sagen, dass Leuten, die sich der Wehrpflicht entziehen, kein Bürgergeld mehr gezahlt wird.“ Ähnlich hatten sich zuvor Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) und der CDU-Wehrexperte Roderich Kiesewetter geäußert. (…)“ Na, dann müsste die Ukraine erstmal das Menschenrecht umsetzen, wonach niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen werden darf! Auch spannend: Die Bezeichnung als „Wehrexperte“ …

DLF, 16.6.2024. Noch so einer: „Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Stübgen, hat sich gegen die Zahlung von Bürgergeld an ukrainische Flüchtlinge augesprochen. Im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland kritisierte der CDU-Politiker insbesondere Leistungen an wehrfähige Männer und Frauen. Es passe nicht zusammen, davon zu reden, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen und gleichzeitig fahnenflüchtige Ukrainer zu alimentieren. Stübgen vertrat zudem die Ansicht, dass das sofortige Bürgergeld Kriegsflüchtlinge davon abhalte, zu arbeiten. Die Beschäftigungsquote von Ukrainern sei verschwindend gering.“ Hey, du populistischer Stimmungsmacher und Hassschürer!

Die FDP kann nicht widerstehen und springt auf den Populismus-Zug aufDLF-Nachricht vom 16.6.2024: „Nach Vorstoß aus CDU – FDP fordert: kein Bürgergeld für neue ukrainische Flüchtlinge. In der Debatte um die Zahlung von Bürgergeld an ukrainische Flüchtlinge hat sich auch FDP-Generalsekretär Djir-Sarai kritisch geäußert. Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen und damit geringere Leistungen erhalten, sagte Djir-Sarai der „Bild“-Zeitung. Man sollte „nicht länger mit dem Geld der Steuerzahler Arbeitslosigkeit finanzieren“. Wichtig sei es vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels vor allem, Anreize zu schaffen, damit die Menschen schnell in Arbeit kämen. Zuvor hatte sich bereits Brandenburgs Innenminister Stübgen gegen eine Zahlung von Bürgergeld insbesondere an wehrfähige Männer und Frauen ausgesprochen. Es passe nicht zusammen, davon zu reden, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen und gleichzeitig fahnenflüchtige Ukrainer zu alimentieren, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.“ So, so – „Fahnenflüchtige“ sind das. Geht noch ein bisschen mehr kriegslüsterne Sprachvergiftung, Herr Stübgen?

Einer geht noch! DLF, 20.6.2024: Der thüringische CDU-Vorsitzende Voigt hat das Bürgergeld für ukrainische Kriegsflüchtlinge als schweren Fehler der Politik bezeichnet. Menschen empfänden es als Ungerechtigkeit, dass Ukrainer dieselben Ansprüche wie Deutsche hätten, ohne jemals etwas im Land beigetragen zu haben, sagte Voigt dem „Tagesspiegel“. Man müsse Menschen in Arbeit bringen, statt sie bedingungslos zu alimentieren. Voigt ist Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl in Thüringen im Herbst. Der ukrainische Botschafter Makeiev appellierte an die Union, Schutzsuchende aus der Ukraine nicht zu instrumentalisieren. Die Opfer des Krieges hätten es nicht verdient, Opfer von Wahlkampf-Populismus zu werden, schrieb Makeiev auf der Plattform X.“

Die Polizei Hannover am 14.6.2024 noch so: „Palästinensische Versammlung durch die Versammlungsbehörde verboten. Am Samstag, 15.06.2024, sollte zwischen 16.00 und 17.00 Uhr die Versammlung „Leid der Palästinenser. Aktuelle Lage in Gaza (Rafah).“ stattfinden, die nach umfangreichen Ermittlungen des polizeilichen Staatsschutzes durch die zuständige Versammlungsbehörde [das ist in Hannover die Polizei selber! Anmerkung der Redaktion] verboten wurde. Die umfangreichen Ermittlungen des polizeilichen Staatsschutzes führten zu Erkenntnissen, die die These stützen, dass im Rahmen der Versammlung die Begehung von Straftaten zu erwarten gewesen wäre. Die Polizei rechnete mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung. Da die Sicherheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie unbeteiligter Dritter im Falle der Durchführung der Versammlung nicht hätte gewährleistet werden können und eine solche Versammlung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen hätte, wurde die Versammlung verboten.“ Ach wie gut, dass die polizeiliche-„staatsschützende“ Glaskugel das alles vorher schon weiss, wie sich Demonstrierende verhalten werden. Noch besser aber, dass es Gerichte gibt, die dem Versammlungsrecht den ihm zugehörigen Wert eines wesentlichen Grundrechts nach Art. 8 GG (zuletzt noch von allen hoch gefeiert!) nicht ab- sondern anerkennen – die Polizei meldete dann am Folgetag ergänzend: „Nachtragsmeldung: Palästinenser-Demo findet doch statt. Die gestern Abend verbotene Kundgebung „Leiden der Palästinenser. Aktuelle Lage in Gaza (Rafah)“ findet heute wie angezeigt zwischen 16.00 und 17.00 Uhr auf dem Steintorplatz in der Innenstadt Hannovers statt. Der Verbotsbescheid der Versammlungsbehörde [=Polizei, Anm. d. Red.]  wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover außer Vollzug gesetzt. Aber die Polizeidirektion Hannover versuchts halt doch immer wieder … Von einer „unfriedlichen“ Demo berichtete die Polizei infolge dann einfach gar nicht mehr. Passte wohl nicht so richtig zusammen, die Polizei-Vorhersage mit der Realität. Da ist eine Entschuldigung der Behörde oder der verantwortlichen Polizeibeamt*innen noch offen und notwendig.

DLF, 26.6.2024: „Die CDU-Politikerin von der Leyen steht vor einer zweiten Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission. Die Unterhändler der Europäischen Volkspartei, der Sozialdemokraten und Liberalen verständigten sich auf die Besetzung des Spitzenpostens (…) Auch die FDP-Europaabgeordnete Strack-Zimmermann betonte, von der Leyen müsse vom Parlament gewählt werden und nicht von den Regierungschefs. Ihre Wahl sei kein Selbstläufer. Die Liberalen erwarteten von der Kommissionspräsidentin eine Politik der Wirtschaftswende, Bürokratieabbau und eine konsequente Migrationspolitik betonte Strack-Zimmermann.“ Tja – „konsequent“ ist da wohl nur ein anderes Wort für „brutalstmöglich und mörderisch“. Passt dann gut zur Kriegstante. Inwiefern deren Frisur und Grauhaarigkeit zur Schaffung einer medialen (Schein-)Autorität beiträgt müsste mal untersucht werden …

heise.de am 28.6.2024: Ausländer sollen abgeschoben werden können, wenn sie auch nur eine einzelne terroristische Tat gutheißen. Es gibt Streit, ob ein Like dafür ausreichen könnte. Die Bundesregierung hat eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes auf den Weg gebracht. Damit sollen Ausländer, die terroristische Straftaten billigen, begrüßen oder verherrlichen, leichter ausgewiesen und im Anschluss abgeschoben werden. Eine strafgerichtliche Verurteilung muss dafür noch nicht erfolgt sein. Es soll in solchen Fällen ein „besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ gelten, wie es bisher etwa in den Bereichen der Schleusungs- und der Betäubungsmittelkriminalität besteht. Die Schwelle für das Greifen der neuen Klauseln hat das federführende Bundesinnenministerium (BMI) bewusst niedrig angesetzt. Dafür reiche bereits das Billigen beziehungsweise Werben für „eine einzelne terroristische Straftat“, erklärt das Ressort. Bisher war ein Befürworten mehrerer solcher Verbrechen erforderlich. Fortan kann so laut dem BMI „schon ein einzelner Kommentar, der eine terroristische Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen“. Den Begriff terroristischer Schriften im Strafgesetzbuch (StGB) will die Regierung durch „Inhalt“ ersetzen. Dieser bezieht sich laut Paragraf 11 StGB unter anderem auf Content auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen. In der Begründung heißt es weiter: „Unter Verbreitung eines Inhalts kann daher nunmehr etwa auch das Markieren eines Beitrags durch ‚Gefällt mir‘ auf den Sozialen Medien wie YouTube, Instagram, TikTok etc. fallen.“ (…) Die Rechtsexpertin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, sprach vom „vorläufigen Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung“. Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland gehe, empörten sich deutsche Politiker zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines Likes in den sozialen Medien verfolgt oder gar inhaftiert werden könnten. Doch längst bewege sich die Bundesrepublik selbst in diese Richtung. Ausweisungen lösten aber keine gesellschaftlichen Probleme. (…)“ Crimethink.

DLF, 29.6.2024, inmitten der Fußball-EM-Achtelfinalspiel-Ablenkung: „Bundesjustizminister Buschmann will mit einer Verschärfung des Strafrechts den Schutz von Polizisten und Rettungskräften vor Gewalt und Anfeindungen verbessern. In einem Referentenentwurf heißt es, die Angriffe und die darin zum Ausdruck kommenden Verrohungstendenzen könnten gravierende Auswirkungen haben. Neben den individuellen Folgen für das Opfer sei auch die Funktionstüchtigkeit des Gemeinwesens gefährdet. Der Entwurf enthält zwei Ergänzungen des Strafgesetzbuches. Geplant ist etwa eine Reform des Paragrafen 113, der den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte regelt. Künftig soll auch ein „hinterlistiger Überfall“ einen besonders schweren Fall des Widerstands darstellen – und mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren belegt werden können.“ Die Erweiterung eines bereits seit 2017 bestehenden Sonderstrafrechts, mit dem einige Menschen gleicher als andere gestellt werden. Auchdas erinnert an George Orwell, diesmal an die Farm der Tiere.

taz, 15.8.2024: „V-Personen des Verfassungsschutzes könnten den Rondenbarg-Prozess zum Einsturz bringen. Wie in der Hauptverhandlung bestätigt wurde, hatte das niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz mehrere V-Personen bei den Protesten gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 im Einsatz. Das hatte der Abteilungsleiter Linksextremismus des niedersächsischen Landesamtes, Marc-Alexander Schindelar, Ende Juli im Prozess ausgesagt.“ Surprise!

Der Chef der „christlichen“ Union, Friedrich Merz ab 24.8.2024 in den Medien: „Trotz seiner Kritik schließt die CDU ein Bündnis mit dem BSW nicht grundsätzlich aus, wie Merz erklärte. Was nach den Wahlen geschehe, sei „offen“ und liege „in der Hand der Landesverbände“. Ursprünglich hatte Merz sich gegen eine Koalition positioniert. Wagenknecht zögerte zuletzt ob dieser Frage. Zudem warnte er vor Einmischung, nachdem der Sozialflügel der CDU eine Zusammenarbeit mit dem BSW als „toxisch“ bezeichnet hatte. „Ich rate uns allen aus der westdeutschen Komfortzone, sich mit öffentlichen Ratschlägen zurückzuhalten. Den Landesverbänden, die unter schwierigsten Bedingungen Wahlkampf führen, hilft das sicher nicht.““ Mit „westdeutscher Komfortzone“ mal wieder ein echt asozialer Klopfer des aktuellen „C“DU-Chefs …

DLF-Meldung vom 5.9.2024: „Migrationspolitik – FDP-Politiker Stamp schlägt in Asyldebatte neues Ruanda-Modell vor. Der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Stamp, wirbt in der Asyldebatte für ein überarbeitetes Ruanda-Modell. Man könne die Verfahren von Menschen, die über Russland und Belarus kämen, in das afrikanische Land auslagern, sagte der FDP-Politiker dem Medienunternehmen „Table Briefings“. In Ruanda ließen sich die ursprünglich für ein Abkommen mit Großbritannien vorbereiteten Kapazitäten nutzen. Der fundamentale Unterschied müsse nur sein, dass das Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Verfahren durchführe. – Russland und Belarus wird vorgeworfen, gezielt Migranten in die EU zu schleusen, um für Destabilisierung zu sorgen. Stamp meinte, mit dem Ruanda-Modell würde deren Propaganda bei Irakern, Syrern und Afghanen nicht mehr verfangen. Die Staatschefs Putin und Lukaschenko könnten ihnen nicht mehr sagen: Kommt, wir bringen euch nach Europa. CDU/CSU fordern seit Längerem eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten.“ Klingt eher wie Menschen, die „ausgelagert“ werden sollen. Eine Politik, die mit dem Leid von flüchtenden oder heimatlosen Menschen spielt ist das, eine menschenverachtende Politik. Und es macht es keinen Deut besser, wenn andere Staaten, wie Russland oder Weißrussland damit angefangen haben sollten.

DLF-Kurznachricht vom 21.9.2024: „Aktionstag – Faeser (SPD): Deutsche brauchen neues Bewusstsein für das Thema Bevölkerungsschutz. Der Bund und das Land Hessen haben in Wiesbaden den bundesweiten Tag des Bevölkerungsschutzes eröffnet.“ Gut, dass unsere Obrigkeit, die Innenministerin so gut weiß, was die Menschen brauchen.

heise.de, 28.9.2024: „Wegen Fake-Shops: Bundesrat will Aus für anonyme Domain-Registrierungen. Die Länderkammer fordert eine Pflicht zur Identitätsprüfung von Domain-Anmeldungen. Die Registrierungsdaten sollen genau hinterlegt und abgefragt werden können.“ One more step …

heise.de, 28.9.2024: Die weltweit größten Internet-Plattformen haben ein riesiges Überwachungsnetzwerk aufgebaut, um die persönlichen Daten ihrer Nutzer insbesondere mit gezielter Werbung zu Geld zu machen. Dabei schützen sie die Privatsphäre der Verbraucher – insbesondere von Kindern und Jugendlichen – bei Weitem nicht ausreichend. Zu diesem Schluss ist die Federal Trade Commission (FTC) nach einer vierjährigen Untersuchung der einschlägigen Praktiken von Amazon nebst Tochter Twitch, Meta mit Facebook und WhatsApp, YouTube von Google, Twitter (X), Snap, der chinesischen TikTok-Mutter ByteDance, Discord und Reddit gekommen. Der ausgemachte Überwachungskapitalismus bedrohe die Grundfreiheiten der Bürger, warnt die FTC-Vorsitzende Lina Khan. (…) Die US-Handelsaufsicht dokumentiert in dem jetzt vorgelegten, einstimmig angenommenen Bericht, dass die großen Social-Media- und Streaming-Portale „Unmengen an Daten“ einschließlich Informationen undurchsichtiger Marktplätze und Auskunfteien über User und Nichtnutzer ihrer Plattformen sammeln. Sie hebt hervor, dass viele der einbezogenen Konzerne einen „umfassenden Datenaustausch“ betreiben, der „ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit der Kontrollen und Aufsicht“ aufwerfe. (…) Laut der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) unterstreicht der Bericht ein grundsätzliches Problem: „Bei diesen Datenschutzverletzungen handelt es sich nicht um gelegentliche Fehltritte.“ Vielmehr seien diese „ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells der verhaltensbasierten Online-Werbung“.“

taz, 30.9.2024: Nach tödlichen Schüssen auf Lamin Touray: Keine Verfahren gegen Polizisten. Die Staatsanwaltschaft Verden stellt die Ermittlungen gegen alle 14 Po­li­zis­t*in­nen ein – auch die gegen den suspendierten rassistischen Beamten. Ein gutes halbes Jahr nach den tödlichen Schüssen auf den 46-jährigen Gambier Lamin Touray hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen 14 Po­li­zis­t*in­nen eingestellt. Die 14 Einsatzkräfte seien in Lebensgefahr gewesen und hätten die Waffen als letztes Mittel eingesetzt, so die Begründung der Behörde. Die Schüsse seien gerechtfertigt gewesen, weil durch zwei Messerstiche in Richtung der Be­am­t*in­nen unmittelbare Lebensgefahr bestanden habe. (…) Im Obduktionsbericht steht, dass Touray acht Kugeln trafen, Herz und Leber wurden zerstört, zwei Kugeln waren tödlich. (…) Die Ereignisse am Karsamstag in Nien­burg sorgten überregional für Aufregung, auch weil eine Nachbarin die letzten Sekunden im Leben von Lamin Touray gefilmt hat. In diesem Video ist auch die Schussabgabe dokumentiert. Zunächst sind zwei Schüsse zu hören, dann nach kurzer Pause fünf weitere und dann ein zeitlich abgesetzter weiterer Schuss. Die Szene zeigt einen undeutlichen Ausschnitt der Situation. (…) Touryas Freundin sagte wenige Tage nach der Tat im Gespräch mit der taz, sie habe den Notruf gewählt, da ihr Freund sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe. Bereits am Abend vor den tödlichen Schüssen habe sie versucht, Hilfe für ihren Freund zu rufen – erfolglos. Am Morgen des Karsamstags dann wählte Tourays Freundin erneut den Notruf. Damit begann der tödlich endende Polizeieinsatz. Als die Po­li­zis­t*in­nen eintrafen, traten sie die Tür zu Tourays Wohnung auf und die Lage eskalierte immer weiter. Vor Ort habe die Freundin angeboten, so schildert sie es der taz, ihren Freund zu beruhigen und ihn zur Aufgabe zu überreden. Das habe man ihr aber nicht gestattet und stattdessen einen Hund eingesetzt. (…) Recherchen der taz hatten ergeben, dass einer der beiden Diensthundeführer, die an dem Einsatz beteiligt war, auf seinen zwei Facebook-Profilen allerlei extrem rechte Inhalte und Verschwörungsideologien verbreitete. Kurz nach dem tödlichen Einsatz postete er etwa ein Video, in dem es heißt: „Man flutet unser Land mit kulturfremden Menschen.“ (…)“ Siehe oben, nach Orwell: Manche Menschen sind gleicher als andere.

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