Zur Bundestagswahl: Welche Haltung offenbaren (einige) Parteien zu speziellen bürgerrechtlichen Themen?

In gut drei Wochen findet die nächste Bundestagswahl statt. Anders als zum Teil zuvor haben wir die Parteien nicht (mühsam) um Stellungnahme zu bestimmten Themen gebeten sondern zu von uns ausgewählten sechs Themen oder Themengebieten in deren Wahlprogrammen nachgeschaut, ob und wie sich diese dazu äußern.

Es ging uns dabei um die folgenden, relativ willkürlich ausgesuchten Themenbegriffe bzw. -komplexe:

  • Videoüberwachung
  • Versammlungsfreiheit
  • Staatstrojaner
  • Geheimdienste
  • Vorratsdatenspeicherung
  • Polizei
  • Frontex

Wenn sich die zum Teil sehr umfangreichen und ausschweifend formulierten (und damit schlecht lesbaren und gehaltsarmen) Wahlprogramme nicht zu einem Thema äußern, so kann das bedeuten, dass den Verantwortlichen in der Partei das Thema nicht so wichtig war. Oder: Dass man sich hinsichtlich etwaigen späteren Regierungshandelns alle Optionen offen halten möchte!

Unsere Zusammentragung der Auszüge aus den Wahlprogrammen will nicht den Anspruch der Vollständigkeit oder Neutralität erheben. Möglicherweise haben wir sogar irgendwo etwas Inhaltliches übersehen, das ist dann aber unwissentlich geschehen. Jedenfalls haben wir aus zeitlichen und Haltungsgründen nur fünf Parteien zum Vergleich ausgewählt.

Hier geht es zum PDF-Dokument mit allen Auszügen.

Grobe und subjektive Zusammenfassungen zu den Themenkomplexen im Einzelnen:

Videoüberwachung

CDU ist für Videoüberwachung und automatisierte Gesichtserkennung, die LINKE pauschal dagegen. GRÜNE und FDP sind nicht gegen Videoüberwachung, sprechen sich aber gegen Gesichtserkennung aus, wobei die FDP dann doch irgendwie „intelligente Videoüberwachung“ nicht so schlecht findet. Die SPD will lieber gar nichts zum Thema sagen …

Versammlungsfreiheit

Für dieses fundamentale Grundrecht haben die meisten Parteien keine Partei ergriffen oder Stellung bezogen: CDU, SPD, FDP. Die GRÜNEN belassen es bei einer Phrase zur Demonstrationsfreiheit, die LINKE spricht sich gegen „allgemeine Versammlungsverbote“ aus.

Staatstrojaner

Die CDU will mehr Staatstrojaner. SPD und FDP zünden verbale Nebelkerzen und tun so, als seien sie dagegen, was der genaue Wortlaut aber jeweils nicht hergibt. Die GRÜNEN behaupten, gegen Staatstrojaner zu sein, haben auf Länderebene aber oft eine andere Politikpraxis an den Tag gelegt. Die LINKE will ein Verbot von Staatstrojanern.

Geheimdienste

Keine einzige Partei außer der LINKEN traut sich, eine Abschaffung von Geheimdiensten als Fremdkörper in einer Demokratie zu verlangen. Selbst die LINKE spricht nur von einer „perspektivischen Abschaffung“. Neben dieser wollen auch GRÜNE eine „Neuordnung/Neustrukturierung“ des Inlandgeheimdienstes („Verfassungsschutz“), die im Detail aber halbherzig und schwammig erscheint. Die FDP will Inlandsgeheimdienste mehrer Bundesländer zusammenziehen/konzentrieren und verlangt die Aufnahme des Aliierten-Trennungsgebots in das Grundgesetz, will aber nichts an der längst vonstatten gegangenen Aufweichung des Trennungsgebots ändern. Und auch CDU und SPD wollen die Geheimdienste an Mitteln, Personal und Befugnissen ausbauen.

Vorratsdatenspeicherung

Die Vorratsdatenspeicherung war noch vor wenigen Jahren ein Aufregerthema. Und nach wie vor will sich die SPD hierzu am liebsten gar nicht äußern und könnte im Falle der Übernahme von Regierungsverantwortung sich auf diesen Standpunkt zurückziehen, dass man sich ja nicht gegen die VDS positioniert habe. Die CDU will eine VDS auf EU-Ebene re-etablieren. GRÜNE, LINKE und FDP sind dagegen.

Polizei

Alle Parteien lassen sich sehr ausführlich zu ihrer Haltung zu Polizeien aus. Das alleine stimmt nachdenklich und ist ein markantes, besorgniserregendes Zeitzeichen. Man kann grob zusammenfassen, dass alle Parteien außer der LINKEN mehr Polizei mit mehr Befugnissen fordern und dieses fördern wollen, wenn auch im Detail mit unterschiedlicher Vehemenz. GRÜNE und FDP fordern unglaublicherweise den Ausbau von Europol zum EU-FBI, zum „Europäischen Kriminalamt“. CDU und FDP wünschen sich – ebenso bedenklich und krass – mehr Übertragung von Polizeibefugnissen an private Sicherheitsunternehmen und Einbeziehung letzterer in „staatliche Sicherheitsstrukturen“. Die CDU will das Recht auf Schleierfahndung im gesamten Bundesgebiet. Auch beim Thema Polizei ist die SPD erstaunlich schmallippig und hält sich damit faktisch alle Türen für die Realpolitik offen … Die LINKE geht am kritischten mit der Polizei um, fordert allerdings genau wie die GRÜNEN die Schaffung einer „Finanzpolizei“.

Frontex

Die SPD schweigt sich wissentlich dazu aus, die CDU will mehr Frontex und kehrt die menschenrechtlichen Skandale der EU-Grenzschutzagentur damit unter den Teppich. Die LINKE fordert deren Auflösung. GRÜNE und FDP kritisieren Frontex, wollen sie aber nicht abschaffen. Die FDP fordert dagegen sogar einen Ausbau, will aber – inhaltlich etwas unscharf – zugleich dafür sorgen, dass dieselben Grenzmilitärs, die derzeit Menschen ertrinken lassen oder sogar dazu beitragen künftig Seenotrettung betreiben sollen. Realitätsferner geht es kaum.

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