[Gastbeitrag eines Menschen mit mehr als vierzigjähriger Erfahrung in den Reihen der Polizei. Mit dieser Innenperspektive aus der Behörde heraus eine mögliche Begründung für die jüngst von uns öffentlich gemachte Neuanschaffung eines neuen Panzerwagens für die niedersächsiche Polizei.]
Eine immer schneller auf Gewalt als Mittel der Wahl setzende Polizei hat offenbar großen Bedarf sich materiell aufzurüsten. Wo Mentalität und Habitus immer weniger dem Leitbild einer zivilen Bürgerpolizei sondern immer mehr einer militärischen Logik folgen, ist der Weg zum Panzer offenbar nicht weit.
Die Militarisierung der Polizei zeigt sich schon länger in der Entwicklung ihrer organisationalen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsschemata (Habitus). Sukzessive breitet sich in den Reihen der Polizei eine Gleichgültigkeit gegenüber der Integrität des Gegenübers und vor allem gegenüber der vermuteter Straftäter*innen aus. Es greift eine starke Abgrenzung des ‚Eigenen‘ von diesen ‚Anderen‘ um sich, der ein fließender Übergang in offene Freund-Feind-Bestimmungen folgt. In der Wahrnehmung der Polizei zeigen sich ihre Reviere und die Umgebung zunehmend chaotisch. Von ihrem (Selbst-) Verständnis her patrouilliert sie in Feindgebieten, in denen sie frühzeitig und in hohem Maße machtvoll eingreifen muss, um „das Chaos“ einzudämmen.
Obwohl sie in schöner Regelmäßigkeit die Transformation sozialer Probleme in Sicherheitsprobleme beklagt, fordert sie ständig mehr Ressourcen und Befugnisse, um den selbst gestellten Aufgaben gerecht werden zu können. Materielle Aufrüstung und ständige Ausweitung ihrer Befugnisse sind insoweit der sichtbare Ausdruck ihrer Entwicklung hin zur Militarisierung – und Panzerwagen sind dann nicht nur die Spitze des Eisbergs, sondern aus dem Blickwinkel der Polizeiorganisation nur logische Konsequenz. Das zeigt sich gerade auch in der Reaktion des Nds. Innenministeriums, das mit kritischen Fragen zu Ursachen und Wirkungen der Anschaffung derartiger „Rüstungsgüter“ dann offenbar gar nichts anfangen kann.
Und wo immer wieder gern Amoktaten und Terrorakte zur Begründung derartiger Aufrüstung angeführt werden, kann im Sinne von Joseph Vogel (Kulturwissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität) entgegnet werden, dass doch ein krasses Missverhältnis zwischen öffentlicher Aufregung und statistischer Wahrscheinlichkeit von Amoktaten und Terrorakten besteht.
Die fortgesetzte Überreaktion des Staates erklärt sich daraus, dass in Amoktaten und Terrorakten die Prophylaxen, Präventionsstrategien und Interventionstaktiken immer wieder so offensichtlich eklatant versagen. Wenn diese Taten ohne besondere Vorzeichen plötzlich im Alltäglichen hervorbrechen, zeigen sich die Sicherheitsdispositive moderner Präventionsgesellschaften nachhaltig provoziert. Verlässliche und nachvollziehbare Koordinaten der Bedrohung sind hingegen kaum auszumachen, so dass die Konzepte zur Begegnung dementsprechend im Ungewissen rühren – sich aber zugleich durch eine innere Maßlosigkeit auszeichnen. Wir erleben doch längst, dass in den Reaktionen der Fokus möglicher Sanktionen sich von wirklichen Vorfällen auf pure Möglichkeiten verschiebt – und am Ende geht es nicht mehr darum, was jemand tut oder getan hat, sondern zu welchen Taten er oder sie dereinst fähig sein könnte.
Die Befriedigung von Sicherheitsbedürfnissen erzeugt offenbar immer neue Sicherheitsbedürfnisse, was zur wechselseitigen Steigerung von Gefahrenwahrnehmung und Schutzverlangen führt. Terrorakte gewinnen Kontur, indem sie Präventionswälle durchbrechen und Alarmbereitschaft hintergehen. Sie versetzen die Frühwarnsysteme in dauernde Erregung und die Präventionsregimes agieren fortgesetzt als letztes Aufgebot zur Verteidigung des Inneren Friedens. Da liegen militärische Mittel (Panzer) und Optionen auf den innenpolitisch ausgerufenen Schlachtfeldern natürlich nahe.