Polizei Hannover kennzeichnet Flächen als videoüberwacht, die es gar nicht sind – Beschwerde an die niedersächsiche Landesdatenschutzbeauftragte eingereicht

Amtlich verhüllte Polizeikamera am Hannoverschen Congress Centrum

Die Polizeidirektion Hannover ist ein Freund der Videoüberwachung öffentlichen Raums. Und das schon seit weit über 40 Jahren. Der Streit um die Rechtmäßigkeit und Kennzeichnung der Kameras ist dagegen zwar erst gut ein Dutzend Jahre alt und treibt dennoch immer neue Blüten.

So handelt die Polizei in der niedersächsischen Landeshauptstadt recht halbherzig, wenn es um eine korrekte Beschilderung der Videoüberwachung geht. Man mag es auch als sorglos oder gar schlampig bewerten, wenn die Polizei zwar einerseits behauptet, sich regelmäßig und ordentlich dokumentierend um die Hinweis-Schilder und -Aufkleber zu kümmern, zugleich aber eine nicht geringe Anzahl alter Kennzeichnungen im öffentlichen Raum belässt, obgleich dort keine Polizeikamera (mehr) betrieben wird. Oder gar ganz neu: Straßen oder Straßenzüge als videoüberwacht zu brandmarken, die von der dazugehörigen Kamera gar nicht erfasst werden können.

Auf diese Fehlleistung angesprochen reagierte die Polizei bislang ausweichend bis ignorierend [1, 2, 3, 4, 5, 6. 7].

Wir dokumentieren im Folgenden eine Beschwerde, die bei der Niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten eingereicht wurde und die die „Über-Beschilderung“ an konkreten Beispielen dokumentiert und das Einschreiten der Datenschutzbehörde erbittet:

 

Beschwerde über fehlerhafte Kennzeichnung polizeilicher Videoüberwachung öffentlichen Raums in Hannover

Ausgelöst durch ein Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Hannover in 2011 begann die Polizeidirektion Hannover damit, die mittels ihrer stationären Videokameras potentiell überwachten Bereiche des öffentlichen Raums (mehr oder weniger) zu kennzeichnen. Verursacht durch sich fortsetzende Kritik und ein weiteres Gerichtsverfahren, das erst 2020 vor dem Oberverwaltunsgericht Lüneburg endete (Az. 11 LC 149/16) hantierte die Behörde in diesem Zusammenhang mit insgesamt vier verschiedenen Kennzeichungsvarianten:

  1. Hochformatige Aufkleber an Stahl- und Beton-Pfosten in zwei verschiedenen Größen (ab 2011/2012).
  2. Querformatige Blechschilder an wenigen bestimmten, nach nicht bekannt gewordenen Kriterien ausgewählten Standorten (ab 2012).
  3. Hochformatige DIN-A4-große Aufkleber an Stahl- und Beton-Pfosten (Ende 2019, Anfang 2020).
  4. Querformatige Blechschilder als Ersatz zu 3. in Folge des OVG-Urteils aus dem Oktober 2020 (Anfang 2021).

Die Polizeidirektion führt seit 2012 eigenen Angaben zufolge ein Kataster über die von ihr angebrachten Kennzeichnungen (Quelle: Niederschrift einer mündlichen OVG-Verhandlung vom 21.1.2020) und führt darüber hinaus angeblich zweimal jährlich (jeweils zum 1.3. und zum 1.9. eines Jahres) eine vollständige Überprüfung aller Kennzeichnung auf Vorhandensein und Beschädigungen derselben durch (Quelle: Internes Dokument der Polizeidirektion zur 10. Fortschreibung der Lage zur Überprüfung der Regelung zum Betrieb und zur Nutzung der Polizeikameras vom 19.12.2019).

Hiermit lege ich Beschwerde ein, dass die Polizeidirektion Hannover die Kennzeichnung ihrer Videoüberwachungskameras nur halbherzig durchführt, insbesondere alte Schilder bzw. Aufkleber an Stellen, die ehemals videoüberwacht waren, dieses inzwischen aber nicht mehr sind, nicht oder nur unvollständig entfernt, was vermuten lässt, dass das polizeieigene Kataster und die halbjährlichen Überprüfungen nicht sorgfältig geführt bzw. durchgeführt wurden und werden.

Eine solche „Über-Kennzeichnung“ findet allerdings auch im Zusammenhang mit (noch) existierenden Überwachungskameras der Polizei statt.

Beispielhaft – und alles andere als abschließend – möchte ich diese Behauptungen belegen und Sie als zuständige Behörde darum bitten, sich der Beschwerde anzunehmen, die Sachlage zu prüfen und die Polizeidirektion Hannover dazu aufzufordern, unzulässige und unrichtige Kennzeichnungen endlich entfernen zu lassen, weil diese sonst eine Selbstbeschränkung in der Wahrnehmung von Grund- und Freiheitsrechten bei denjenigen führen kann, die diese Kennzeichnungen lesen und ernst nehmen.

Bisherige – nicht wenige – Versuche, die Polizei auf diese Mißstände hinzuweisen, waren leider erfolglos.

Es kann nicht richtig sein, dass mir und anderen Menschen als Nutzer*innen des öffentlichen Raums in Einzelfällen der Eindruck vermittelt wird, dass man sich möglicherweise im Erfassungsbereich polizeilicher Videoüberwachung befindet, wenn dieses faktisch gar nicht der Fall ist. „Überbeschilderungen“ müssen konsequent beseitigt oder korrigiert werden.

Exemplarische Beispiele für Kennzeichnungen von Orten, an denen tatsächlich keine Videoüberwachung durch die Polizei erfolgt mit Bezug auf die obige Nummerierung von Kennzeichnungsarten:

Ad 1.)
Limmerstraße, Fahrtrichtung Ost, vor der Auffahrt auf den Westschnellweg in Fahrtrichtung Süden.
Hier handelt es sich um den Hinweis auf eine noch existierende Überwachungskameras, die allerdings inzwischen nicht mehr von der Polizei betrieben wird.

Ad 2.)
Schiffgraben, Fahrrichtung Südwest, vor der Kreuzung zur Berliner Allee.
An dieser Stelle lässt sich keine Überwachungskamera (mehr) ausmachen.

Ad 4.)
Seilwindergasse, Gehrichtung Südwest in Richtung Schmiedestraße.
Das Hinweisschild suggeriert, dass die gesamte Seilwindergasse polizeilich videoüberwacht sei, was selbst nach eigenen Angaben der Polizei Hannover nicht der Fall ist. Mutmasslicherweise soll das Schild auf den Erfassungsbereich einer Polizeikamera an der Ecke Karmarschstraße/Marktstraße hinweisen. Dieser kann jedoch – wenn überhaupt – erst am Ende der Seilwindergasse beginnen, an der Schmiedestraße.

Weitere Beispiele insbesondere zu 1.), aber auch zu 4.) ließen sich anfügen. Ich sehe es allerdings nicht als meine Aufgabe an, eine abschließende Katastierung unrichtiger Polizei-Kennzeichnungen zu erarbeiten und durchzuführen.

Über eine Rückmeldung von Ihnen würde ich mich sehr freuen.

Vielen Dank für Ihre Arbeit und viele gute Grüße,

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