Am gestrigen Abend des 1.4.2021 begann in Hannover die Allgemeinverfügung zur Einführung und Durchsetzung von Ausgangssperren zu wirken. An mindestens zwei Stellen in der Stadt gab es dagegen Proteste mehrerer Leute.
So fand sich in der Nordstadt Hannover eine Versammlung mit Kritik an den Ausgangssperren zusammen. Dass eine Versammlung auch zu Zeiten der Ausgangssperren zulässig sein kann, dazu hatten wir eine schriftliche Stellungnahme der Polizei Hannover eingeholt und hier als Sachstand veröffentlicht (und somit für Klarheit gesorgt, die die Allgemeinverfügung nicht herzustellen wagte).
Der in Hannover die Print-Medien dominierende Madsack-Konzern berichtete in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ) zu den Protesten in der Nordstadt, allerdings nicht journalistisch neutral oder sachlich, sondern mit erheblichen Anteilen der Stimmungsmache.
Um diese Behauptung zu belegen, nachfolgend ein paar Auszüge aus dem HAZ-Beitrag vom 2.4.2021 (Hervorhebungen durch uns): LINK1 und LINK2
„Protest in Hannovers Nordstadt trotz Ausgangssperre: Polizei lässt Demonstranten gewähren (…) Verstöße gegen das Ansammlungsverbot und die Ausgangssperre sollen „konsequent geahndet“ werden. Das waren die Vorgaben in Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) und Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe vor Inkrafttreten der Ausgangssperre in der Region Hannover am Donnerstag um 22 Uhr. Absolut nicht ins Bild passt da das zögerliche Vorgehen der Beamten am Donnerstagabend in der Nordstadt. Dort hatten sich spontan 50 Menschen zum Protest an der Lutherkirche versammelt. Angeblich habe sich die Demo zu schnell aufgelöst, um zu handeln. Allerdings zog der Pulk fast eine Stunde durch die Straßen. Hat die Polizei bewusst weggeschaut? (…) Erst eine Dreiviertelstunde später löste sich der Protest von selbst auf. Von der Polizei bis dahin: keine Spur. „Konsequent gegen Verstöße vorgehen“: Noch am Vormittag hatte Polizeipräsident Kluwe appelliert, die neuen Vorgaben einzuhalten. Sie dienten nicht nur dem Infektionsschutz, sondern seien für alle bindend. „Deshalb werden wir auf die Einhaltung der Corona-Regeln, wie zum Beispiel das Ansammlungsverbot rund um die Feiertage, die Ausgangssperre sowie die weiterhin bestehende Tragepflicht der Mund-Nase-Bedeckung achten und Verstöße konsequent ahnden“, sagte Kluwe. Auch Innenminister Pistorius sagte im Vorfeld, die Polizei werde „während der Ostertage präsent sein und konsequent gegen Verstöße vorgehen“. Die Bilder aus der Nordstadt zeigen etwas anderes. „Die etwa 50 jungen Menschen wurden in Rücksprache mit der Versammlungsbehörde als Versammlung eingestuft“, sagt Polizeisprecherin Natalia Shapovalova dazu am Karfreitag. Alle Teilnehmer hätten vorschriftsmäßig Mund-Nasen-Bedeckungen getragen. (…) Fast eine Stunde dauerte die Spontandemo – zu kurz für Polizeipräsenz?„
Qualitativ bewegt sich der Beitrag auf „BILD“-„Niveau“, wenn er offene Fragen stellt, ohne diese zugleich korrekt zu beantworten. Denn ganz offensichtlich war das alles im Sinne der Gesetze, Vorschriften und Verfügungen völlig rechtkonform. Von „bewusstem Wegschauen der Polizei“ kann also keine Rede sein.
Auch wenn die Autoren des Beitrags die Versammlung als „Pulk“ verunglimpfen bewegen sie sich nicht auf journalistischem Qualitätsniveau sondern scheinen sich an den Maßstäben des Klatschblättchens mit den vier großen Buchstaben orientieren zu wollen.
Offensichtlich hätten sich die Autoren ein – dann aber rechtswidriges – „Durchgreifen“ der Polizei gewünscht. Das zu kommentieren erübrigt sich.
Dann noch: Der Begriff „Spontandemo“ hat absolut nichts mit der Frage zu tun, wie lange eine solche Versammlung andauert.
„Protest trotz Ausgangssperre“ als Überschrift zu wählen beweist, dass die Autoren entweder keine Ahnung von der Rechtslage hatten (in dem Fall trotz Aufklärung durch die Polizeisprecherin!) oder aber einen anderen Eindruck erwecken wollen, als es die rechtliche Bewertung zulässt. Im letzteren Fall würde man den HAZ-Beitrag als mediale Aufwiegelung bezeichnen dürfen, ein Beitrag zu Stammtischdiskussionen, die sich in diesen Zeiten und Tagen eher als Online-Hetze darstellen und ein gesellschaftliches Klima erzeugt haben, das man sich vor Jahren nicht vorzustellen gewagt hätte und das in der realen Welt in einzelnen Fällen Auswirkungen hat, die bis hin zu Gewalt und Mord reichen.
Die „HAZ“ hätte die demonstrierenden Menschen auch für ihre Zivilcourage loben können, sich mittels ihres eigenen Verstands des Rechtes auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu bedienen bzw. diese (wieder-)zubeleben. Dass die Zeitung das Gegenteil tut und somit zur antidemokratischen Stimmungsmache beiträgt ist kein gutes Zeichen.
Wer eine andere Sicht der Dinge von den Verläufen am Gründonnerstag-Abend wahrnehmen möchte: Der freie Journalist Michael Trammer hat ebenfalls zur Sache berichtet.
[UPDATES]
Die „BILD“-„Zeitung“ schrieb folgendes zur der Gründonnerstag-Demo in der Nordstadt:
„Nur einmal gibt es eine Ansammlung von etwa 50 Leuten an der Lutherkirche. Sie protestieren gegen die Ausgangssperre, zünden Bengalos. Nach 20 Minuten löst sich der Mob auf.“
Ein Bild dazu ist wie folgt betitelt:
„Größter Zwischenfall: An der Lutherkirche demonstrieren 50 Leute gegen die Ausgangssperre“
Dass das Klatschblättchen eine Versammlung nach Artikel 8 Grundgesetz als „Zwischenfall“ bewertet und die Demonstrierenden als „Mob“ verunglimpft überrascht wenig. Doch immerhin lassen sich deren Schreiber nicht so wie die HAZ-Autoren dazu herab, die Polizei zu Unrecht für ihr Nicht-Einschreiten zu beschuldigen oder zumindest den Eindruck einer fahrlässig untätig agierenden Polizei zu erwecken.
Letzeres übrigens mit den befürchteten Folgen:
Die Polizei behandelte eine weitere Demonstration in der Nordstadt am folgenden Karfreitag abend dann einer Versammlung unwürdig und – soweit beurteilbar – rechtswidrig, indem sie die Demo einkesselte. Michael Trammer hat auch dazu berichtet (Achtung: Links gehen zu Twitter): LINK1 und LINK2.
So haben die HAZ-Autoren das erreicht, was nicht sein sollte: Eine effektive Beschneidung der Demonstrations- und Meinungsfreiheit und De-Couragierung der Bevölkerung. Zersetzung von Grundrechten inmitten der Corona-Pandemie.