Streit um Niedersachsens Polizei-Messenger NIMes: Landesdatenschutzbeauftragte ist mit dem „perspektivischen“ Verzicht des Einsatzes auf privaten Smartphones zufrieden, GdP Niedersachsen will lieber gar nicht erst Stellung beziehen bzw. Haltung beweisen

Ankündigungspolitik – Verbales Zurückrudern des Landespolizeipräsidenten

Zur Kritik am internen Kommunikationsdienst „NIMes“ der Niedersächsischen Polizei (siehe hier unsere ausführliche Kritik dazu) hat das Niedersächsische Innenministerium in einem Punkt verbal eingelenkt:

In einer am 24.3.2021 bei der Niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten (LfD) eingegangenen Stellungnahme kündigte der Landespolizeipräsident Brockmann an,

dass der Ansatz des „Bring your own device“ (BYOD) durch die Anschaffung dienstlicher Geräte minimiert und „perspektivisch voraussichtlich sogar komplett entfallen“ soll.

So einer Pressemitteilung der Lfd Nds. zu entnehmen.

 

LfD Niedersachsen beschränkt ihren Blick auf rein datenschutzrechtliche Aspekte

Die Landesdatenschutzbeauftragte gibt sich – davon abgesehen, dass ihr die Umstellung in zeitlicher Hinsicht zu „zögerlich“ erscheint – mit dieser Ankündigung zufrieden und erklärt den Einsatz von NIMes nach Umsetzung der Ankündigung als

„im Einklang mit Datenschutz und IT-Sicherheit“

stehend. Und verliert kein Wort über die darüber hinaus gehende substantielle Kritik am NIMes-Messenger.

Denn ganz davon abgesehen, dass es unhaltbare materielle und PR-technische Unterstützung des Softwareunternehmens gab und dieses zudem auf besondere Weise mit einem den hannoverschen Zeitungsbereich dominierenden Medienkonzern verquickt ist schafft der Einsatz von NIMes Risiken, erlaubt es doch die völlig unkontrollierte Nutzung Ende-zu-Ende verschlüsselter Kanäle und Chaträume durch die Polizisten und Polizistinnen. Die Nutzung von NIMes als digitaler Kommunikations-Schutzraum für private oder zumindest rechtlich unzulässige oder gar rechte Gruppen innerhalb der Polizeibehörde ist zumindest möglich und denkbar.

Dazu schreibt die LfD nichts, wenn das auch zugegebenermaßen nicht zwangsläufig ihre Zuständigkeit ist. Dass Datenschutzbeauftragte ihr Mandat aber ansonsten auch zur weitergehenden Kritik nutzen können und dürfen ist kein Geheimnis. Davon macht die niedersächsische LfD in diesem Fall leider kein Gebrauch.

 

Kritik am NIMes-Konstrukt ist nicht neu

Doch zurück zum NIMes-Konstrukt:

Schon im Mai 2018 hat Stefan Krempl in einem Beitrag mit Blick auf NIMes so weise wie zu recht postuliert:

„Eine Frage bleibt: Kann es im Interesse der Bürger sein, wenn Polizisten eine echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einsetzen? Denn bei Beschwerden wegen Polizeigewalt oder bei internen Ermittlungen könnten die Inhalte dann nur mit Zustimmung der betroffenen Person vom Smartphone ausgelesen werden. Auch um Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz beantworten zu können, setzen in Behörden genutzte Verschlüsselungsverfahren wie S/MIME in der Regel auf eine Escrow-Lösung, bei der im Bedarfsfall verschlüsselte Inhalte auf Anweisung entschlüsselt werden können.“

 

Widersprüchlicher Innenminister Pistorius

Zur Erinnerung in diesem Zusammenhang:

Im Zuge des Staatstrojanerwahns forderte der niedersächsische Innenminister Pistorius im Oktober 2020 öffentlich:

„Wir sind uns gemeinsam einig: Die Polizei muss im Jahr 2020 über rechtssichere Möglichkeiten verfügen, um in herausgehobenen Fällen auch auf die Kommunikation in Messengerdiensten zugreifen zu können.“

Keine Ahnung, wen Herr Pistorius mit „wir“ meinte. Aber bevor der SPD-Innenminister die IT-Sicherheit der Rechner und Smartphones von Bürger*innen und anderen Menschen meint brechen und unterwandern zu dürfen sollte er doch zunächst in seiner Polizeibehörde dafür sorgen, dass deren eigener (und gar nicht billiger!) Kommunikationsdienst überhaupt erst einmal kontrollierbar ausgestaltet wird.

GdP Niedersachsen will keine Stellung beziehen

Wir haben uns mit der wichtigen Fragestellung zu Sinn und Zulässigkeit einer echten Ende-zu-Ende-Messenger Lösung für polizeiinterne, behördliche Kommunikation bzw. mit einer Bitte um Stellungnahme dazu (im Zuge von Presseanfragen) an die niedersächsische Gewerkschaft der Polizei (GdP) gewandt.

Die „Antwort“ der GdP dazu:

„Bitte haben Sie Verständnis, dass wir über die am 25.02. an Sie übermittelten Antworten hinaus aktuell keine weitere Stellungnahme abgeben.“

Und weiter, auf erneutes Nachhaken hin:

„Als Interessenvertretung der Beschäftigten sehen wir keinen Bedarf an einer weiterführenden Bewertung durch die GdP Niedersachsen.“

Ebenfalls keine Antwort möchte die GdP Niedersachsen zu den Fragen geben, wie sie unsere Kritik an NIMes beurteilt, inwiefern sie Einfluß bei der Ausgestaltung der NIMes-App ausüben durfte und ob die von ihr geforderte und dann auch realisierte App-Abschaltfunktion in der Lebenswirklichkeit der Polizist*innen überhaupt greift bzw. genutzt wird oder nicht.

Wie heißt es doch so schön in der Satzung der GdP Niedersachsen:

„Die GdP Niedersachsen bekennt sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.Sie tritt für die Wahrung der Menschenrechte, für ein friedliches Zusammenleben aller gesellschaftlichen Gruppen und für Chancengleichheit ein. (…) Undemokratische Bestrebungen jeder Art lehnt sie ab. (…) Die GdP Niedersachsen ist unabhängig von Regierungen, Verwaltungen, politischen Parteien und Religionsgemeinschaften.“

Damit gehört es aus unserer Sicht zur Aufgabe der GdP, sich an einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu beteiligen, bei der es um die Frage des technischen Potentials der NIMes-App geht, rassistische Bestrebungen in der Polizei zu unterstützen, zu etablieren oder gar erst zu ermöglichen.

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