Zeitzeichen, 21

victor-klemperer-cc-by-sa-bundesarchiv_bild_183-s90733-mod-freiheitsfooIn unserer Kategorie „Zeitzeichen“ rezitieren wir in unregelmäßigen Abständen und in ebenso unregelmäßigem Umfang Nachrichtenschnipsel oder Zitate, die wir als möglicherweise stellvertretende Beispiele für größere Entwicklungen und gesellschaftliche Symptome empfinden: als Zeitzeichen.

Wir behalten uns vor, dieses oder jenes kurz zu kommentieren oder zu bewerten, oder auch nicht. :)

 

Aus einer DLF-Kurznachricht vom 18.7.2020: „Der Vorschlag von Niedersachsens Innenminister Pistorius, SPD, für eine Länder-Studie zu Polizeiarbeit und Rassismus ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Ihm sei nicht klar, was der Sinn einer solchen Untersuchung sein könne, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Reul. Der CDU-Politiker verwies darauf, dass das sogenannte „Racial Profiling“ in seinem Bundesland schlicht verboten sei. Ähnlich äußerten sich die Ressortchefs von Brandenburg, Stübgen, und Schleswig-Holstein, Sütterlin-Waack.“ Darf nicht – gibt’s also nicht. Hatten wir schon, kennen wir schon vom Seehofer. Der nächste bitte.

Header einer DLF-Kurznachricht vom 18.7.2020: „Die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer hat nach der Serie rechtsextremer Drohmails mehr Schutz für ehrenamtliche Politiker gefordert.“ Aaah ja, und wer, bitte schön, sind „ehrenamtliche Politiker“, die hier besser gestellt werden sollen?

Der lebenswirklichkeitsblinde „Wirtschaftsexperte“ Holger Schäfer in einem Interview mit dem DLF vom 2.7.2020 im Zuge der Diskussion um eine 4-Tage-Arbeitswoche: „Also wieviel die Menschen arbeiten, entscheiden sie ja selber. Zusammen mit ihren Betrieben, in denen sie tätig sind. Wer weniger arbeiten will, wer eine 4-Tage-Woche will, der kann das ja tun, der kann zu seinem Arbeitgeber gehen und das mit ihm vereinbaren.“ Und weiter, ebenso lebensfremd und noch weniger empathisch: „Was sie jetzt kritisieren ist ja im Grunde genommen, dass es unterschiedlich hohe Löhne gibt. Also es ist ja völlig klar, dass diejenigen, die mehr verdienen, dass die in der Lage sind, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, ohne gleich in existenzielle Nöte zu kommen während die, die weniger verdienen das nicht können. Die müssen halt so viel arbeiten, dass ihr Lebensunterhalt dabei herauskommt. Das ist eben die logische Folge davon, dass es unterschiedlich hohe Löhne gibt. Aber das kann man ja schlecht kritisieren, das ist ja sogar positiv oder sogar notwendig, dass es unterschiedlich hohe Löhne gibt, sonst gäbe es ja nicht einmal ein Anreiz, sich irgendwo zu qualifizieren. Häh? Schuss gehört? Dass manche Menschen nicht von ihrer Lebenszeit auffressenden Arbeit oder von mehreren Minijobs nicht genug zum Leben verdienen liegt am mangelnden Qualifizierungswillen? Selber schuld also? Und inwiefern sind denn die massiven Lohndifferenzen zu manchen „Verdienern“ durch angeblich höhere Qualifizierungsmaßnahmen im Vorfeld zu rechtfertigen? Solche Aussagen sind für viele Menschen nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht, Herr Schäfer …

Eine Meldung auf heise.de vom 31.7.2020: Zwei große Polizeigewerkschaften wollen den Betrieb der auf biometrische Gesichtserkennung spezialisierten polnischen Suchmaschine PimEyes gestoppt wissen. Ein solcher Dienst berge „riesige Gefahren für die Anonymität“ der Bürger und habe „in privaten Händen nichts zu suchen“, erklärte Hagen Husgen aus dem Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gegenüber Netzpolitik.org. „Diese Software ist gefährlich und sie muss verboten werden.“ Selbstverständlich bestünden auch Befürchtungen, dass Daten von Kollegen „abgeglichen, festgestellt und für Jedermann öffentlich gemacht werden„, führte Husgen aus. Er sprach von einem „Horror-Szenario, jedoch nicht nur für die Polizei“.“ Ah ja, da entdecken plötzlich die Polizeilobbyisten den Wert der Anonymität. Sehr schön. Aber es muss wohl erst an den eigenen Kragen gehen, bis diese Erkenntnis gereift ist … Und ach ja: So ein „Dienst“ hat auch in staatlichen Händen gar nichts zu suchen, nur mal so zur Klarstellung.

Rolf Mützenich (SPD) am 11.8.2020 im DLF (im Audio ab 6m40s): „Ich bin der festen Überzeugung, (…) dass die sozialdemokratische Partei [nach der kommenden Bundestagswahl] die stärkste Kraft sein wird.“ Kicher …

Sprachduktus unserer Zeit: Whistleblower im Zusammenhang mit dem gewaltigen (nicht nur) VW-Skandal werden als „Spitzel“ diffamiert (NDR-Meldung vom 13.8.2020), unabhängig davon, ob sie sich selber oder durch andere verbrennen. Andere Menschen, die im Dienste und gegen Bezahlung durch Polizei und Geheimdienste das in sie gelegte Vertrauen missbrauchen werden dagegen nicht als das benannt, was sie sind – nämlich Polizeispitzel – sondern als (euphemistisch verkürzte) „V-Leute“, ausgeschrieben als „Vertrauensmann“ oder „Vertrauensperson“. Selbstkommentierend.

Aus dem Protokoll zu schriftlichen kleinen Anfragen und deren Antworten im Deutschen Bundestag vom 19.8.2020: Frage: „Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Spähsoftware des US-Unternehmens Anomaly Six, die in mehr als 500 Apps verbaut sein soll und heimlich Standortdaten von hunderten Millionen Mobilfunknutzern weltweit erhebt, und inwieweit wird die Spähsoftware oder andere Dienstleistungen des US-Unternehmens Anomaly Six auch in deutschen Sicherheitsbehörden genutzt, ggf. auch indirekt durch die Zusammenarbeit des BND oder anderer deutscher Behörden mit Geheimdiensten der USA (siehe „Anomaly Six: Geheime Tracking-Software für US-Behörden in vielen Apps“ auf www.heise.de/news/Anomaly-Six-Geheime-Tracking-Software-fuer-US-Behoerden-in-vielen-Apps-4866938.html vom 10. August 2020)?“ Antwort des Staatssekretärs: Im vorliegenden Fall ist die Bundesregierung zu der Einschätzung gelangt, dass eine Antwort zu beiden Teilfragen, mithin zur Kenntnis und der Nutzung der oben genannten Software nicht erfolgen kann. Eine Bekanntgabe von Einzelheiten von Kenntnissen zur in Rede stehenden Software des US-Unternehmens Anomaly Six würde weitgehende, unmittelbare Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und damit mittelbar auch auf die technische Ausstattung und das Aufklärungspotential der Nachrichtendienste zulassen. (…) Eine Preisgabe dieser sensiblen Detailinformationen von Sicherheitstechnologien würde sich auf die staatliche Aufgabenwahrnehmung im Gefahrenabwehrbereich wie auch auf die Durchsetzung des Strafverfolgungsanspruchs und die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung außerordentlich nachteilig auswirken. (…) Auch ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens derart sensibler Informationen kann unter keinen Umständen hingenommen werden. Oder wie es Matthias Monroy treffender und vor allem sehr viel kompakter formuliert hat: „Diese Antwort könnte die Bevölkerung verunsichern.“

Lustig: Die „AfD“ Niedersachsens – in Vertretung ihrer Fraktionsvorsitzenden Dana Guthruft zu einer „Demo gegen das Demoverbot“ am 29.8.2020 in Berlin auf … Also verboten oder nun doch nicht? :) Übrigens ist Frau Guth diejenige, die im „Sommerinterview“ des NDR neulich noch auf die Nachfrage, ob sie denn gerne an der vorhergehenden „Querdenker“-Großdemo in Berlin Anfang August 2020 der Frage auch auf erneute Nachfrage auswich (ca. ab Minute 10 im Interview): Die Frage hätte sich gar nicht gestellt, weil sie einen anderen Termin hatte. Außerdem glaube sie daran, dass man Veränderungen auf parlamentarischem Wege herbeiführen müsse. Na ja, eine klare Ansage, dass Frau Guth diese „Querdenker“-Demos eigentlich toll findet, so wie es sich jetzt nachträglich darstellt, wäre im Interview wohl nicht so gut angekommen, oder warum sonst diese Scheu vor einer ehrlichen Aussage? Frau Guth ist am 29.8.2020 dann auch selber nach Berlin gefahren, um an der zweiten Großdemo teilzunehmen. Zu einer ernstzunehmenden Kritik an der vom NDR praktizierten Form von „Sommerinterviews“ auch mit Extremisten übrigens sehr lesenswert: Ein Beitrag von Andreas Speit.

Hysterische Reaktionen 30.8.2020, am Tag nach einer großen Demonstrationen von Corona-Leugnern und Corona-Maßnahmen-Kritikern (und neben anderen auch Rechten bis Rechtsextremen!): Horst Seehofer: „Dass Chaoten und Extremisten das Reichstagsgebäude für ihre Zwecke missbrauchen, ist unerträglich.“ Konstantin von Notz: „Es ist einfach nur ekelhaft und zum schämen.“ Olaf Scholz: „Nazisymbole, Reichsbürger- und Kaiserreichsflaggen haben vor dem Deutschen Bundestag nichts zu suchen.“ [Quellen: tagesschau.de und DLF.] Man mag anmerken, dass die obrigkeitsstaatlich triefenden Inszenierungen der „öffentlichen Gelöbnisse“ neuer deutscher Soldatinnen und Soldaten vor dem Reichstag nach dem „Nie-wieder-Krieg“-Credo im Anschluß an das historische Nazi-Deutschland ebenso fehl an diesem Platze sind. Aber weiter zur Sache: Ebenso karikierend bis bitter erheiternd die späteren Rechtfertigungsversuche und Ausreden seitens des Berliner Inlandsgeheimdienstes („Verfassungsschutz“), dokumentiert in einem Beitrag der SZ vom 9.9.2020: „Die kurzzeitige Besetzung der Reichstagstreppe bei der Corona-Demonstration war nach Aussage des Berliner Senats und des Verfassungsschutzes spontan und nicht zu erwarten. Innen-Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) sagte am Mittwoch: „Dass es am 29. August tatsächlich dazu kommen würde, war nach Angaben des Berliner Verfassungsschutzes, aber auch der Berliner Polizei selbst für Szeneangehörige nicht vorhersehbar. Letztendlich handelte es sich um eine spontane Aktion.““ Klare Sache: Völlig unvorhersehbar und unerwartet … o_O Aber selbst dieser Beitrag – 10 Tage nach den Ereignissen – spricht ebenso unsachlich wie zuvor von einer „Stürmung des Reichstags“ die Rede war von einer „Besetzung des Reichstags“. Mit all diesen unüberlegten Übertreibungen macht man es den Demonstrierenden leicht, sich in ihrer Helden- und Besserwisser-Rolle zu stärken.

… Und ja, da fehlt nur noch die in der Sache völlig fehlgeleitete Forderung nach mehr Befugnissen für einen so inkompetenten und halb-blinden Inlandsgeheimdienstes: Am Montag nach den Ausschreitungen, am 1.9.2020, folgte das Gewehr bei Fuß: Bitte einmal Vorratsdatenspeicherung und mehr Staatstrojaner. In der FAZ heißt es (und es klingt in Teilen semantisch wie ein Auszug aus „1984“): „Als Reaktion auf die Ausschreitungen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin hat die CDU mehr Befugnisse für die Polizei gefordert. „Die Online-Vernetzung der Feinde unserer Demokratie nimmt weiter zu“, heißt es in einem Beschluss des Parteipräsidiums vom Dienstag. Die Polizei müsse hier „dringend“ mehr Befugnisse zur Aufklärung erhalten: Nötig seien dabei die Vorratsdatenspeicherung, um im Verdachtsfall auf Telekommunikationsdaten zurückgreifen zu können, und die so genannte Quellen-TKÜ – also die Abschöpfung von digitaler Kommunikation schon vor der Verschlüsselung. (…) Hunderte Rechtsextreme stürmten die Treppe des Gebäudes, einige von ihnen schwenkten dabei die Reichsfahne. Die Eskalation löste allgemeines Entsetzen aus. In dem Beschluss des CDU-Präsidiums ist von einem „verstörenden, verabscheuungswürdigen Ereignis“ die Rede.“ „Feinde unserer Demokratie“, „Abschöpfung von Kommunikation“, „verabscheuungswürdiges Ereignis“ …

Update zum Sozialzustand im Land, eine DLF-Kurznachricht vom 1.9.2020: Die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland ist erneut zurückgegangen. Ende 2019 waren es 1,14 Millionen und damit knapp 39.000 weniger als im Jahr davor.“

Matthias Monroy verweist am 2.9.2020 auf eine ernüchternde Evaluation zum seit 15 Jahren durchgeführten Einsatz von Taser-Elektroschock-Pistolen durch die Polizei in Finnland: „Mit Einführung von Elektroschockpistolen soll der #Schusswaffengebrauch der deutschen Polizei minimiert werden. Eine Studie aus Finnland zerstört diese Hoffnung: Dort werden Jahren sowohl Pistolen als auch #Taser immer öfter genutzt.“

DLF-Kurznachricht vom 5.9.2020: Nach den Krawallen in Leipzig hat Sachsens Innenminister Wöller angekündigt, sich für schärfere Strafen bei Gewalt gegen Polizisten einzusetzen. Die jüngsten Vorgänge zeigten, dass es nur noch um rohe Gewalt gegen Menschen und Sachen gehe, erklärte der CDU-Politiker. Insbesondere gezielte Angriffe auf Polizeibeamte hätten ein unerträgliches Ausmaß erreicht und seien nicht hinnehmbar.“ Ach, schon wieder so eine Verschärfung? Da hat die eklatante Ausweitung des StGB in Sachen „Polizisten sind gleicher als andere“ wohl nicht gefruchtet? Dann wird noch ein weiterer Schuß aus gleicher Flinte sicher genau so bahnbrechend erfolgreich sein. Es gibt sicher viele andere Vorgänge und Entwicklungen in diesem Land, die ein „unerträgliches Ausmaß erreicht und nicht hinnehmbar“ sind. Wäre Herr Wöller als Innenminister eines rechts angeruchten Bundeslandes doch in solch anderen Dingen gleichermaßen schnell am Pressehorn am blasen …

Möglicherweise ein zweiter (öffentlich werdender) „Murat Kurnaz“-Fall (Hallo Herr Maaßen, hallo Herr Steinmeier!) – Tagesschau-Bericht vom 5.9.2020 über die Verantwortlichkeit deutscher Geheimdienste für die Verschleppung und Folterung eines Menschen: „Potenzieller Gefährder – Der Folter ausgeliefert. Eine Pilgerreise nach Pakistan machte einen 29-jährigen [Deutsch-]Marokkaner in den Augen deutscher Sicherheitsbehörden zum Gefährder. Er wurde zur Ausreise nach Marokko gedrängt, dort inhaftiert und gefoltert.“ Anmerkung: Schade, dass die Tagesschau in der Headline unterschlägt, dass es sich um einen Deutsch-Marokkaner handelt und nicht um einen Marokkaner. Mag eine Kleinigkeit sein, aber es ist eine entscheidende.

Aus einer DLF-Kurznachricht vom 8.9.2020: „Bundesverkehrsminister Scheuer fordert weitere Hilfen für die deutschen Autobauer. Der CSU-Politiker sagte im Deutschlandfunk, es handle sich bei der Autobranche um eine deutsche Schlüsselindustrie mit sehr vielen Arbeitsplätzen. Man habe die Krise noch nicht überstanden. Bei Zuliefererbetrieben seien inzwischen betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen. Scheuer sprach sich auch für eine Kaufprämie von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren aus. Die Zukunft sei ein Mobilitätsmix, der neben Elektroautos auch saubere Verbrennungsmotoren, synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff umfassen sollte. Ohnehin seien E-Autos zurzeit kaum lieferbar. Deshalb sei es sinnvoll, alte Verbrenner gegen moderne auszutauschen.“ Ja, klar: „Saubere Verbrennungsmotoren und synthetische Kraftstoffe.“ Da bleiben keine Fragen mehr offen. Fragen nach der Zurechnungsfähigkeit des Herrn Ministers. Und dann ist noch die Frage, was sich hinter der Tür verbirgt, zu der der „Schlüssel dieser Industrie“ passt. Warum kein ähnliches Engagement für andere „Schlüsselindustrien“ wie ÖPNV, Krankenhaus-, Bildungs- und Pflegeeinrichtungen und Jugend- wie Sozialarbeit?

DLF-Kurznachricht vom 10.9.2020: „Bundestagspräsident Schäuble hat den im Juli gestorbenen SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel gewürdigt. Zum Auftag der heutigen Bundestagssitzung sagt er, das Land habe mit ihm einen leidenschaftlichen Parlamentarier und Demokraten und überzeugten Sozialdemokraten verloren. Vogel habe sich große Verdienste um Deutschland erworben. Er habe überzeugen, nicht überrumpeln wollen. Auch sein Pflichtbewusstsein gegenüber Volk und Partei sowie sein strenger moralischer Anspruch werde bleiben. Vogel war im Juli im Alter von 94 Jahren in München gestorben.“ Hm. Hartmut Wächtler in seinem Buch „Widerspruch“ auf Seite 39f. über Herrn Vogel und sein Wirken in Bayern in der Zeiten der Vietnam- und Notstandsgesetzgebung: In München herrschte Hans-Joachim Vogel als Oberbürgermeister der SPD autoritär und staatsfromm. Er duldete keinen Widerspruch. Die bald so genannte APO verachtete er (und tut das augenscheinlich noch heute). Die Landes-SPD um den blassen Volkmar Gabert wollte nicht unseriös erscheinen und fürchtete das historische Verdikt der „vaterlandslosen Gesellen“, wie es der SPD im 19. Jahrhundert von Konservativen angehängt wurde. Ich habe eine spontane Diskussion zwischen Vogel und Pohle in Erinnerung, die im BR live übertragen wurde, den Anlass weiß ich nicht mehr. Pohle holte groß aus und zitierte zu seiner Unterstützung einen Kommentar der Süddeutschen Zeitung (SZ), dabei wies er darauf hin, dass die SZ ja nicht gerade linksradikal und doch eine allgemein geachtete Zeitung sei, seine Formulierungen dazu waren allerdings etwas vage, weil er diese durch und durch bürgerliche Zeitung ja nun auch nicht über den grünen Klee loben wollte. Er las sie jeden Tag. Vogel unterbrach ihn grob und hackte auf den vorsichtig distanzierten Äußerungen Pohles zur SZ herum und vermied so, auf das eigentliche Thema einzugehen – ein billiger Politikertrick und ziemlich repräsentativ fur diese Zeit.“ [Anmerkung am Rande: Dass der Wikipedia-Beitrag über Rolf Pohle diesen lediglich als „Terrorist“ bezeichnet darf getrost als Nachwehe einseitiger Schwarz-Weiss-Berichterstattung staatstreuer Medien anerkannt werden, nun fortgeführt durch das Online-Lexikon bzw. den Verfassern dieses Beitrags.]

Menschenverachtendes at its best – Friedrich Merz am 15.9.2020 mit seiner Haltung zur Rettung der vom Moria-Großbrand betroffenen Menschen/Geflüchteten: „Der Bewerber um den CDU-Vorsitz, Merz, glaubt nicht an eine europäische Lösung bei der Verteilung von Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos. Griechenland habe seines Wissens bisher nicht darum gebeten, Flüchtlinge aus Lesbos in der Europäischen Union aufzunehmen und auf einzelne Länder zu verteilen, sagte Merz der Deutschen Presse-Agentur. Außer Luxemburg und Deutschland sei dazu ohnehin zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein anderes Mitgliedsland der EU bereit. Es mache daher weder Sinn, weiter nach einer europäischen Lösung zur Verteilung zu suchen, noch in einen Überbietungswettbewerb einzutreten, wie viele Migranten Deutschland aufnehmen solle.“

DLF-Kurznachricht vom 18.9.2020: Digitalstaatsministerin Bär plant eine Bundeszentrale für digitale Aufklärung. Die CSU-Politikerin schrieb in einem Gastbeitrag für die „Wirtschaftswoche„, weil „Fake News“ inzwischen zu einer massiven Bedrohung der Demokratie geworden seien, brauche man eine solche Einrichtung. Sie solle als Plattform aufgebaut werden, in der vom Teenager bis zur Seniorin alle fündig würden. Die geplante Bundeszentrale sei aber – Zitat – „alles andere als eine Propaganda-Maschine der öffentlichen Hand“. Es gehe darum, den eigenverantwortlichen Umgang der Bürgerinnen und Bürger mit Informationen zu fördern. Sounds like Ministry of Truth.

DLF-Kurznachricht vom 18.9.2020: „Hacker haben interne Daten der argentinischen Einwanderungsbehörde ins Netz gestellt, darunter auch die Passdaten von 12.000 deutschen Staatsbürgern. (…) Das Bundesinnenministerium erklärte, Argentinien habe den Vorfall bestätigt. Man habe aber keine Kenntnis darüber, welche Personen von dem Vorfall betroffen seien.“ Ähem – keine Ahnung? Vielleicht mal „im Netz“ nachschauen?

Und noch eine DLF-Kurznachricht vom 18.9.2020: „Im Kampf gegen Kindesmissbrauch hat der Deutsche Richterbund die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verlangt. Der Rechtsstaat sei gefordert, Kinder bestmöglich vor Gewalt und Missbrauch zu schützen, sagte der Bundesgeschäftsführer Rebehn der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Es brauche eine rechtssichere Neuregelung für die ausgesetzte Verkehrsdatenspeicherung. Ohne sei die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder erheblich erschwert.“ Mit der Berufung auf den Rechtsstaat die geltende Rechtssprechung des EuGH aushebeln bzw. ignorieren? Das muss man (ausgerechnet) als Richter sich erst mal zu fordern wagen – WTF! Haben die das Urteil aus 2014 noch immer nicht gelesen oder was?

Und weil es so „schön“ ist ganz zum Schluß noch eine letzte DLF-Kurznachricht vom 18.9.2020: Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Haldenwang, hat nach Informationen des Magazins „Focus“ einen Leibwächter mit möglicherweise rechtsextremem Hintergrund beschäftigt. Der Mann gehöre der Gruppierung Uniter an, heißt es unter Berufung auf Angaben aus dem Bundesinnenministerium. Dem Mann sei es gelungen, trotz aller Sicherheitsüberprüfungen Personenschützer Haldenwangs und anderer Spitzenbeamter des BfV zu werden, habe ein Regierungsbeamter erklärt. Sensible Informationen über Personen und geheime Aktionen seien eventuell an Uniter abgeflossen. Haldenwang wollte sich auf Anfrage zu dem Fall nicht äußern, führte das Magazin aus. Leibwächter beim Bundesamt schützen die Führungskräfte bei öffentlichen Auftritten und kennen auch deren Privatleben und familiäres Umfeld. Der Bundesverfassungsschutz hatte Uniter zuletzt von einem Prüffall zu einem Verdachtsfall hochgestuft. „Uniter“ soll unter anderem im Kontext von rechtsradikalen Chatgruppen Todeslisten mit politischer Gegnerinnen und Gegnern erstellt haben.“ Hat der Vorgänger von Herrn Haldenwang, der Herr Maaßen diesen Uniter-Freund vielleicht noch persönlich eingestellt oder protegiert? Nur mal so eine blöde Frage …

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