Polizei ignoriert Verwaltungsgerichtskritik und will Section Control Pilotanlage ohne ausreichende Kennzeichnung wieder in Betrieb nehmen [Update]

Aktuelle Situation der Beschilderung der außer Betrieb gesetzten Section-Control-Teststrecke

Nach der gewaltigen Änderung des Niedersächsischen Polizeigesetzes (jetzt: „NPOG“) hat sich die SPD-CDU-geführte Landesregierung Niedersachsens selber eine Gesetzesgrundlage für das Section-Control-Pilotprojekt geschaffen und könnte diese damit wieder in Betrieb nehmen, nachdem das zuvor durch das Verwaltungsgericht Hannover zeitweilig untersagt worden war. Doch die Wieder-Inbetriebnahme der Section Control ist noch nicht vorgenommen worden, weil die Anlage „aktuell einer Neueichung unterzogen wird“ – warum auch immer.

Und weiter heißt es am 16.8.2019 seitens der Polizei Hannover unserer Redaktion gegenüber:

„Ein genaues Datum [der Wiederinbetriebnahme] kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht terminiert werden.“

Davon unabhängig stellen sich Polizei Hannover und Innenministerium Niedersachsen quer, was die ausreichende Kennzeichnung der Durchschnitts-Geschwindigkeits-Überwachungsanlage mit daraus resultierender KFZ-Kennzeichen-Erfassung und -Auslesung aller die Straße befahrenden Fahrzeuge betrifft.

In einer Berichterstattung zur mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Hannover am 12.3.2019 heißt es auszugsweise:

„Im Einzelnen urteilte die Kammer, es sei dem Kläger nicht zuzumuten, zur Umgehung der Messanlage andere Strecken über die Hildesheimer Straße oder Ingeln-Oesselse und Müllingen zu nehmen. Dies war Anwalt Ritter von den Behörden nahegelegt worden. Jeder Autofahrer, so das Gericht, müsse den kürzesten Weg zu seinem Ziel nehmen dürfen, was auch unter Umweltgesichtspunkten sinnvoll sei. Zudem gebe es für Ortsunkundige keine Möglichkeit, bei einer Sichtung des Section-Control-Schildes auf der B 6 noch auf eine Alternativroute auszuweichen, erklärte Richter Ufer. Es sei verboten, auf einer Kraftfahrstraße zu wenden, also werde das Kennzeichen des entsprechenden Fahrzeugs auf jeden Fall registriert.

Wir haben bei der Polizei nachgefragt, ob im Zuge der Wieder-Inbetriebnahme der Section-Control-Pilotanlage also eine korrekte Ausführung der Kennzeichnung der Anlage erfolgen soll. Die Polizei Hannover antwortete uns daraufhin nach mehrfachen Hinhalten fast vier Wochen später:

„Nein, es ist nicht beabsichtigt, die bestehende Beschilderung im Vorfeld zu erweitern. Mit der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen besteht Einvernehmen, dass dies rechtlich nicht erforderlich ist. Für die Entscheidung des VG Hannover war die Frage der Beschilderung ohne Belang, so dass das Gericht dazu keine abschließenden Ausführungen im Urteil gemacht hat.“

Auf eine Presseanfrage an die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen (LfD) vom letzten Montag (19.8.2019), ob denn diese Behauptung stimmt und wie sie sich dazu insgesamt stellt haben wir bis dato noch keine Antwort erhalten. (Werden diese hier aber als Update ergänzend nachtragen, sobald sie eingegangen ist.)

Davon unabhängig dürfte die Beschilderung, die bislang aus einem einzigen Schild direkt auf der ersten Überwachungs-/Erfassungsbrücke der Section-Control-Teststrecke besteht, aus unserer Sicht unzureichend sein und könnte sich zum weiteren Knackpunkt für das noch laufende Verfahren gegen diese Form ausgeuferter, alle auf der Strecke fahrenden Autos zumindest zeitweise identifizierenden Verkehrsüberwachung entwickeln. Denn gängige und gerichtlich bestätigte Forderung einer offenen Überwachungsmaßnahme ist, dass die Kennzeichnung der Überwachung so rechtzeitig erfolgen muss, dass es dem/der Betroffenen ermöglicht wird, der Überwachung auszuweichen – wenn es denn von ihr/ihm gewünscht wird. Das fordert auch die EU-JI-Richtlinie (in Artikel 13) genau so. Das ist bei der derzeitig armseligen Beschilderung der Section-Control-Strecke allerdings nicht erfüllt: Ein Umkehren oder Wenden ist beim Lesen des ersten und einzigen Hinweisschildes nicht möglich, ohne den Verkehr schwerstens zu gefährden und die Straßenverkehrsordnung ebenso massiv zu verletzen.

Ob man beim LfD und/oder beim Niedersächsischen Innenministerium respektive der Polizeidirektion Hannover in dieser Frage noch bereit ist einzulenken bleibt abzuwarten und zu beobachten.

 

[Update 28.8.2019]

Antwort von der LfD: Die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen teilt die Ansicht des Verwaltungsgerichts Hannover nicht und hält eine weitergehende Kennzeichnung für – aus rechtlicher Sicht – unnötig. Am 7.8.2019 haben Vertreter der LfD Nds. mit dem Innenministerium ein Gespräch über die Abschnittskontrolle geführt.

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