Wie die Polizei bei der letzten noNPOG-Großdemo unrechtmäßig in die Versammlungsfreiheit eingriff

Die dritte und letzte Großdemo gegen das neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“) fand am 11.5.2019 statt und ist also schon ein wenig her. Inzwischen haben SPD und CDU das Gesetz der umfangreichen Kritik zuwider im Landtag durchgewunken, es wurde dann am 23.5.2019 verkündet und trat am Folgetag in Kraft.

Trotz dem allen hier noch ein dreiteiliger Blick auf das Verhalten der Polizei während dieser Demo, konkret drei Kritikpunkte an der Polizei, die unserer Ansicht demnach in unverhältnismäßiger Weise die Versammlungsfreiheit beschränkt hat – über die üblichen Beschränkungen und sonstigen Randbedingungen, wie z.B. eine massives Polizeiaufgebot, dass geeignet war, von außen bzw. von Dritten betrachtet der Demo einen abschreckenden Eindruck zu erzeugen.

Also:

 

Verweigerung des Demostandorts Steintor

 

Dem Demoanmelder wurde die Durchführung der Demo am Steintor untersagt und diese stattdessen auf den deutlich weniger prominenten und bzgl. der Öffentlichkeitswirksamkeit schlechter gelegenen Platz an der Goseriede verwiesen. Begründung: Die erwarteten 8.000 Demo-Teilnehmer würden nicht auf den Steintor passen. Auf diesen würden maximal 4.000 Menschen passen, auf den Goseriedeplatz dagegen 15.000.

Das ist in diesen Dimensionen nicht nachvollziehbar und ein invalides Argument.

Die Antworten auf die Frage, wie genau diese polizeilichen Schätzwerte entstehen fielen wenig konkret aus, die Nachfragen dazu sind bislang unbeantwortet geblieben.

Klar ist, dass alleine der Flächenvergleich beweist, dass hier eher von einer politischen denn einer sachlichen Entscheidung auszugehen ist, wonach der noNPOG-Demo der attraktivere Steintorplatz verwehrt wurde. Die Ausdehnung des Platzes in Richtung Kröpcke erlaubt an dieser Stelle jedenfalls – selbst unter Berücksichtigung striktester Auflagen zu Flucht- und Rettungswegen – deutlich mehr als nur 4.000 Demoteilnehmer und das wurde in der Vergangenheit mehrfach bewiesen.

 

Entsendung voll bewaffneter und ausgerüsteter Polizisten in die Demo herein

 

Bei der Abschlußkundgebung entsendete die Polizei eine Gruppe voll ausgerüsteter Polizeibeamte in die Mitte der Demo. Diese hielten sich dort längere Zeit auf, nahmen die Demoteilnehmer beobachtende Positionen ein und sorgten so für einiges an Verunsicherung bzw. für eine erhebliche Beeinträchtigung der Demonstrationsfreiheit.

Zur Erinnerung: Es handelte sich dabei um eine polizei- und polizeigesetzkritische Versammlung. In so einem Fall liegen die Latten der Verhältnismäßigkeit für das Eindringen von Polizeibeamten in die inneren räumlichen Strukturen der Demo besonders hoch.

Was sagt die Polizei dazu?

Es seien im vorherigen Verlauf der Demo Bengalfackeln eingesetzt worden. Das sei verboten und man wollte die Verantwortlichen dafür ermitteln.

Diese Begründung scheitert an den vorgenannten hohen Hürden der Verhältnismäßigkeit. Dieser Polizeieinsatz hat die in Artikel 8 fundierte Versammlungsfreiheit übermaßen verletzt und war rechtswidrig.

Schlimmer noch:

Die Polizei erweckt auf Nachfrage hin den Eindruck, dass dieser Einsatz mit dem Versammlungsleiter abgesprochen gewesen sei. Das ist allerdings nicht wahr. Der Versammlungsleiter hat uns gegenüber auf Nachfrage hin erläutert, dass er erst auf eigenes Intervenieren und aktives Nachfragen hin über den Einsatz der Polizei informiert worden sei.

 

Vermummung von Polizisten

 

Nicht nur, dass die Polizisten und Polizistinnen, die in Niedersachsen im Zuge von Demonstrationen immer noch oft nicht voneinander unterscheidbar sind und somit eine effektive Verfolgung von durch Polizeikräfte begangene Straftaten behindert oder gar vereitelt wird: Diesem Wunsch, diesem Zustand scheinen einige einzelne Polizeibeamte auch noch Nachdruck verleihen zu wollen, indem sie sich unter ihrem Helm eine Sturmmaske aufsetzen.

Auch hierzu haben wir bei der Polizei nach dem Grund dafür nachgefragt und bekamen den angesichts der tatsächlichen Situation auf der Abschlußkundgebung fast lächerlich wirkenden Erklärversuch vorgesetzt, dass sich diese Beamte vor Brandverletzungen schützen wollten und deswegen die Sturmmaske aufgesetzt hätten.

Alleine schon merkwürdig, dass offensichtlich (nach dieser Lesart) nur einzelne Beamte vor so etwas Sorge hatten.

Unserer Erfahrung nach wird dieser „multifunktionale Gesichtsschutz“ seitens einiger Polizeibeamten nicht selten dazu missbraucht, um sich aktiv und bewusst zu vermummen. Etwas, was in der öffentlichen Diskussion und in reißerischen Medienberichten allerdings ständig den Demonstranten vorgeworfen wird.

Eine etwaige Sorge von Polizeibeamten vor dem Fotografiertwerden wäre nachvollziehbar. Zugleich muss für diese mindestens das gleiche Vermummungsverbot gelten wie für Menschen, die an kritischen Demonstrationen teilnehmen und damit zum gesellschaftlich wertwollen Korrektiv gerieren.

Für die Polizei gilt, was der ehemalige Bundesverfassungsgericht-Richter Wolfgang Müller-Riem einst im Zusammenhang mit der Demonstrationsfreiheit sagte:

“Wo der Staat auftritt, muss er identifizierbar sein.”

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