Wenn Polizist*innen im Rahmen ihrer Arbeit das ihnen anvertraute Monopol zur Ausübung von Gewalt missbrauchen und Straftaten begehen, dann bleiben diese meistens ungesühnt. Wer als von Polizeigewalt Betroffener Polizisten einer Straftat bezichtigt muss in aller Regel mit einer oder mehrfachen Gegenanzeigen von ihnen rechnen. Das schüchtert stark ein und das umsomehr, als dass in vielen Fällen von Polizeigewalt vor Gericht sogar beim Vorliegen von Videoaufzeichnungen gar nicht ermittelt werden kann, welche*r Polizist*in denn überhaupt die Straftat begangen hat. Denn in Niedersachsen gibt es derzeit keine Kennzeichnungspflicht von Polizisten. Bei Großeinsätzen wie beispielsweise Demonstrationen oder Fußballspielen treten die Polizisten in einer Aufrüstung auf, die mitunter einer militanten Vermummung und Maskierung gleichen und die eine Unterscheidung bzw. Identifizierung gewaltbereiter Polizeibeamter effektiv verhindern. Dazu kommt noch das fatale Faktum, dass vor Gericht im Zweifel eher einem Polizeibeamten als einem klagenden Bürger Glauben geschenkt wird. Entsprechend überbordend und unterträglich hoch sind die Einstellungsquoten bei Anzeigen gegen Polizeigewalt.
Mit Hamburg hat nun eine breite Mehrheit der Bundesländer – darunter alle Bundesländer des Nordens – eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte eingeführt – außer Niedersachsen!
Argumente gegen die Kennzeichnungspflicht, die üblicherweise von den Gewerkschaften der Polizei oder von als Innenpolitiker tätige ehemaligen Polizisten in den Parteien vorgebracht werden erweisen sich bei genauerem Hinsehen als haltlos. Eine Kennzeichnungspflicht mittels Einsatz pseudonymisierter Kennzeichen stellt keine Gefahr für die einzelnen Polizeibeamten und deren Persönlichkeitsrechte und verständlicher Sicherheitsbedenken dar. Und die Kennzeichnung wirkt – das beweisen Untersuchungen (durchaus konservativer) Bundesländer, die eine solche Pflicht bereits eingeführt haben.
Der Europäische Menschengerichtshof hat die Bundesrepublik Deutschland in einem konkreten Fall sogar zur Zahlung einer Strafe verurteilt, weil hierzulande diese Kennzeichnungspflicht noch nicht ganzflächig umgesetzt worden ist.
Polizisten und Polizistinnen sind keine besseren oder schlechteren Menschen als andere. Wenn Polizisten im Rahmen ihrer Arbeit und ausgestattet mit Waffen und Befugnissen, diese zu nutzen ebendiese Befugnisse missbrauchen und Straftaten wie schwere Körperverletzung begehen, müssen diese verfolgbar sein und geahndet werden. Schließlich wird vom Gegenüber der Polizisten – von uns Bürgern und Menschen im Land – im Fall des Begehens von Straftaten ebenfalls die Identifizierung unserer Person durchgesetzt, mitunter sogar mit Gewalt erzwungen. Polizisten dürfen aber strafrechtlich nicht besser gestellt werden als andere Menschen und Berufsgruppen, auch wenn dieses der autoritativ getränkte Trend der Zeit zu sein scheint.
Auch der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts, Wolfgang Müller-Riem fordert im Kontext der Debatten um die Kennzeichnungspflicht:
“Wo der Staat auftritt, muss er identifizierbar sein.”
Dem schließen wir uns an:
Die Menschen des freiheitsfoo fordern die niedersächsische Landesregierung aus SPD und CDU dazu auf, endlich auch für dieses Bundesland eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten und Polizistinnen sowie eine tatsächlich unabhängige und neutrale Ermittlungsstelle für Polizeigewalt-Delikte einzuführen! Die entsprechenden notwendinge Änderung im Landespolizeigesetz oder alternative Verhängung von Erlassen hierzu gehört in einem Zuge mit der aktuellen Diskussion um das neue Polizeigesetz umgesetzt.
Weiter fordern wir die Beendigung der polizeilichen Praxis, zivil gekleidete Polizeibeamte in Demonstrationen zu entsenden und einzusetzen. Die Anwesenheit der vermeintlich als Demoteilnehmer auftretenden Polizeispitzel ist einer Demokratie unwürdig und tut der Meinungs- und Versammlungsfreiheit einen großen Schaden.
[Diese Forderung geht per E-Mail an sämtliche Fraktionen des Niedersächsischen Landtags.]