In diesen Tagen wird viel über den 25. Jahrestags des Beginns des Ruanda-Genozids von 1994 berichtet und diesem gedacht:
„Bundesaußenminister Maas hat den Völkermord vor 25 Jahren in Ruanda als eine „Mahnung für zukünftige Generationen“ bezeichnet. Die Ermordung hunderttausender Tutsi und gemäßigter Hutu sei ein Verbrechen unvorstellbaren Ausmaßes gewesen, erklärte Maas in Berlin. Die Weltgemeinschaft habe damals die Warnzeichen nicht rechtzeitig wahrgenommen.“ (DLF-Kurznachricht vom 6.4.2019)
Nebenbei und gut zu wissen: Derzeit führt Deutschland den Vorsitz des UN-Sicherheitsrats, der 1994 die zahlreichen und fundierten Warnungen u.a. von Romeo Dallaire ausdrücklich ignoriert hat.
Aber solche Äußerungen und Gedenktagsreden wie die von Herrn Maas wirken in Teilen zynisch bis verachtend wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung im Vorfeld von den Genozid-Vorbereitungen eindeutige Kenntnis darüber hatte. Denn in den Jahren zuvor gab es eine 6köpfige Bundeswehrgruppe in Ruanda, die erst kurz vor dem Genozid abgezogen wurde bzw. „bis in den Völkermord hinein präsent war“. Im Zuge dieser „Militärberatermission“ lieferte die Bundesrepublik knapp 40 Militär-Lastkraftwagen und -Pionierfahrzeuge an Ruanda, die bei der Interahamwe beliebt waren und zur Durchführung des unvorstellbaren Massenmords eingesetzt worden sind. Und: Die Hamburger Militärakademie bildete noch bis kurz vor Beginn des Menschenschlachtens hochrangige Ruanda-Militärs an ihrer Hamburger Führungsakademie aus – spätere hochrangige Organisatoren und Logistiker des Völkermords!
Wir tragen (keineswegs neue) Informationen dazu zusammen und geben einen kurzen Überblick:
Aus einem MDR-Fakt-Filmbeitrag vom 8.4.2014:
„Deutschland hatte Hinweise auf die Vorbereitungen der damaligen Regierung Ruandas auf den Völkermord 1994 – und hat nichts unternommen. Diese Vorwürfe erheben ein ehemaliger deutscher Militärberater und ein Entwicklungshilfe-Experte, die damals in dem afrikanischen Land tätig waren. Und mehr noch: Deutschland hat die Vorbereitungen indirekt unterstützt. (…)
Noch kurz vor dem Völkermord wurden sieben hochrangige Offiziere an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg ausgebildet. Darunter auch Tharcisse Renzaho, der später zu einem der Cheforganisatoren des Völkermordes wurde. (…)
Nach Haupts [Oberstleutnant a.D. Wolf-Rüdiger Haupt, Leiter der damlaligen Militärberater-Mission in Ruanda] Angaben haben Hutu-Milizen damals Fahrzeuge der Bundeswehr benutzt, um den Völkermord vorzubereiten und durchzuführen. „Mit den Lkw wurden Munition und Waffen transportiert und in die entsprechenden Depots eingelagert, die im Land verteilt waren.“ Und die Maschinen der Bundeswehr-Pioniere, vor allem Radlader, seien für den Bau von Stellungen und Gräben entlang der damaligen Front zu Uganda hin begehrt gewesen. Interne Hinweise und Warnungen an die Bundesregierung seien ohne Reaktion geblieben. Deshalb habe man sich auch nicht gegen diese Vereinnahmung wehren können.
Wie der pensionierte Bundeswehr-Offizier FAKT sagte, arbeitete die deutsche Beratergruppe damals eng mit der Hutu-Führung zusammen. Sie habe bereits ein dreiviertel Jahr vor Ausbruch des Völkermordes vor einer zunehmend eskalierenden Lage in Ruanda gewarnt. Bereits im Sommer 1993 wurden demnach Berichte über Struktur, Umfang und Auftrag der Mördermilizen der Interahamwe ins Verteidigungsministerium nach Bonn geschickt. „Die Reaktion in Deutschland war gleich null“, sagte Haupt. Damit trage die Bundesregierung auch eine Mitverantwortung an dem Völkermord. (…)
Asche [Direktor des bundeseigenen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit] forderte eine weitreichende Aufarbeitung der deutschen Ruanda-Politik. Nach seiner Ansicht sollte eine unabhängige Historikerkommission die Rolle der Bundesregierung und der deutschen Instanzen vor Ort untersuchen und aufarbeiten, sagte er FAKT. „Wir sollten die Souveränität haben, diese Wahrheiten aufzuschreiben.“
Das Bundesverteidigungsministerium bestätigte auf Anfrage von FAKT den Einsatz deutscher Militärberater in Ruanda. Die Kooperation habe bis 1976 zurückgereicht und sei „bei Beginn des Genozids eingestellt“ worden. Zur Verwendung von Bundeswehr-Fahrzeugen vor und während des Völkermordes nahm das Ministerium keine Stellung. Im Rahmen der Ausstattungshilfeprogramme der Bundeswehr gingen „Material und Fahrzeuge in die Verfügungsgewalt des jeweiligen Staates über“. Der damals amtierende Verteidigungsminister Volker Rühe wollte sich gegenüber FAKT zu den Vorfällen in Ruanda nicht äußern.“
Es gab 2015 einen erfolglosen Versuch von Grünen und Linken im Bundestag, diese Geschehnisse durch eine unabhängige Expertenkommission aufarbeiten zu lassen. Erfolglos deswegen, weil sich CDU und SPD (fast ein Jahr später) dagegen ausgesprochen haben. Auch aktuell gibt es wieder so einen Vorstoß der Grünen und Linken.
Doch Bundesregierung und Bundeswehr tun alles ihnen Mögliche, um diese wichtige Aufarbeitung effektiv zu verhindern.
Das Auswärtige Amt:
„Bis heute hält das Auswärtige Amt Akten unter Verschluss, die die Rolle Deutschlands und damals gemachte Fehler aufklären könnten. Einem – unter Federführung der grünen Abgeordneten Margarete Bause – entstandenen Antrag, die deutsche Rolle im Genozid wissenschaftlich aufzuklären, schloss sich diese Woche im Bundestag nur die Fraktion der Linken an. Das Auswärtige Amt macht seine Mithilfe, nach eigenen Angaben, davon abhängig, wer genau die Untersuchung vornehmen will. Dabei könnte eine Aufklärung der Geschehnisse von damals helfen, zukünftige Völkermorde zu verhindern, glaubt Rotmann, [der stellvertretende Direktor des Global Public Policy Institute in Berlin].“ (DLF-Feature vom 6.4.2019)
Die Bundeswehr hat derweil alle Ihre Unterlagen über Ihre Beteiligung in Ruanda bis 1994 vernichten lassen:
„Die Soldaten sind nicht in die militärische Hierarchie des Partnerlandes integriert und haben auch keinen militärischen Auftrag, sondern beraten und unterstützen die Streitkräfte der Empfängerländer im sachgerechten Einsatz des im Rahmen des Ausstattungshilfeprogramms gelieferten Materials sowie bei der Aus- und Fortbildung des Personals. Dies war auch der Auftrag in Ruanda. (…) Zu den weiteren Fragen Ihres Informationsersuchens, kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben, da vom Bundesministerium der Verteidigung keine entsprechenden Unterlagen mehr vorliegen.“ (IFG-Anfrage vom 9.4.2014 bzw. dazugehörige Berichterstattung vom 4.5.2014)
Ein weiterer aktueller Antrag der FDP-Bundestagsfraktion „25. Jahrestag des Genozids in Ruanda – Krisenprävention stärken“ wirkt in diesem Lichte halbherzig und weiter die Linie verfolgend, das von Deutschland mit-verantwortete Unrecht des Genozids in 1994 einfach auszublenden und zu ignorieren. Das trägt jedenfalls nicht zu einer besseren Krisenprävention für die Zukunft bei.