Die niedersächsische Landesregierung betreibt seit Anfang 2019 einen bundesweit einmaligen Pilotversuch zur abschnittsweisen Geschwindigkeitskontrolle von Kraftfahrzeugen durch automatisierte Kfz-Kennzeichenerfassung. Durch das Prinzip dieser neuartigen Verkehrsüberwachung unumgänglich ist die zumindest zeitweise fotografische Erfassung bzw. Identifizierung sämtlicher Kraftfahrzeuge, die den betreffenden Straßenabschnitt passieren, selbst wenn sie die Höchstgeschwindigkeit einhalten.
Dieses verletzt wesentliche Grundrechte auf unverhältnismäßige Weise und legt das Fundament für eine zukünftige umfassende Überwachung des Straßenverkehrs, von der alle Fahrzeugführer betroffen sind. Aus diesem Grunde hat der Bürgerrechtler Michael Ebeling vom freiheitsfoo in Zusammenarbeit mit dem Juristen Dr. Patrick Breyer von der Piratenpartei Deutschland nun beim Verwaltungsgericht Hannover Unterlassungsklage gegen die als „Section Control“ bekannt gewordene Überwachungsmaßnahme eingereicht.
Anders als bei einer bereits anhängigen Klage gegen die Section Control geht es bei dieser zweiten Klage weniger um die derzeit faktisch fehlende Rechtsgrundlage für das Pilotprojekt als um die grundsätzliche Frage, ob derlei Überwachungssysteme in Einklang mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und mit dem Recht auf anonyme Fortbewegung als Essenz einer freien Gesellschaft zu bringen sind oder nicht. Insofern bereiten sich Kläger und Klägerberater darauf vor, sämtliche Gerichtsinstanzen zu durchlaufen, um den geplanten Section Control-Paragrafen im neuen niedersächsischen Polizeigesetz zu kippen.
Dr. Patrick Breyer kommentiert:
„Section Control ist weit teurer als die bewährten Geschwindigkeitsmessungen und lässt wegen seiner Fehleranfälligkeit immer wieder Raser ungestraft passieren. Vor allem bereitet diese Technologie – ebenso wie Gesichtserkennung und ‚Video-Lügendetektoren‘ – den Weg für eine immer weiter reichende wahllose Massenkontrolle der gesamten Bevölkerung. Gegen Massenüberwachung kämpfe ich seit Jahren, weil wir unter ständigem Anpassungs- und Überwachungsdruck nicht frei leben können und wollen.“
Michael Ebeling zur Klage:
„Ich halte das Recht, sich grundsätzlich anonym im öffentlichen Raum fortbewegen und reisen zu können für ein besonders hohes Gut einer freiheitlich und an der Würde des Menschen orientierten Gesellschaft. Die Section Control – wie auch einige andere jüngere Entwicklungen und politische Bestrebungen – ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Zersetzung dieses Freiheitsrechts. Darum werden wir deren Unzulässigkeit gerichtlich feststellen lassen.“