Am vergangenen Samstag haben im niedersächsischen Goslar Tausende Menschen gegen einen Aufmarsch von Nationalsozialisten und anderen rechtsorientierten Gruppen protestiert. Zum Umgang der Polizei mit den Demonstranten, den Demoanmeldern und zum Ablauf des Tages gäbe es eine Menge Kritisches zu berichten. Und das haben wir auf diesem Blog auch noch für später vor.
Hier vorab aber ein kurzer Bericht im Zusammenhang mit den unsäglichen polizeilichen „Kontrollstellen“, an denen eine große Zahl von Demonstranten festgehalten und durchsucht sowie in Teilen identifiziert worden sind – eine Praxis, die die niedersächsische Polizei in den vergangenen zwei Jahren eingeführt hat und seitdem immer häufiger anwendet – den schweren Eingriff in die Versammlungsfreiheit, die diese Maßnahmen bedeuten, bislang völlig ignorierend.
In einem Fernsehbericht des NDR teilte ein Sprecher der Polizei Goslar nach Beendigung der Demonstrationen dem breiten Fernsehpublikum mit:
„Wir haben auf allen wichtigen Zufahrtsstraßen nach Goslar Kontrollen durchgeführt, dabei sind insgesamt 400 Sicherstellungen erfolgt und zwar von Gegenständen, die bei diesen Versammlungen hätten als Waffen Verwendung finden können.“
Auf Nachfrage von uns, auf die die Polizei erst nach kurzem „Zögern“ meint, geantwortet zu haben, stellt sich der Sachverhalt der „400 Gegenstände, die als Waffen hätten Verwendung finden können“ allerdings ganz anders dar.
Nach Auskunft der nun scheinbar zuständigen Pressestelle der Polizeidirektion Braunschweig handelt es sich bei diesen 400 „Waffen“ „überwiegend um Gegenstände wie“
- Sturmhauben
- Basecaps
- Schlauchschals
- Dreieckstücher in verschiedenen Farben
- Sonnenbrillen
- Zahnschutz
- Regenschirme
- Funkgeräte
- Fähnchen
- Spritzschutz für Augen
- 2,40 m lange Holzstöcke
- 1 Messer
Mit Verlaub – diese Auflistung von Gegenständen öffentlich als eine Ansammlung von „400 Waffen“ zu bezeichnen überspannt den Bogen des zulässigen Interpretationsspielraums doch sehr!
Ob es sich bei dem „Messer“ um ein Springmesser, ein langes Küchenmesser oder um ein Taschenmesser gehandelt hat, ist uns nicht bekannt. Es mag eher verwunderlich sein, dass bei der Kontrolle vieler Busse nicht mehr als ein (Taschen-)Messer gefunden worden ist. Der verfassende Mensch dieses Beitrags trägt beispielsweise täglich ein kleines Taschenmesser in seinem Rucksack mit sich herum.
Warum Schirmmützen, Sonnenbrillen an einem heißen Sommertag, Funkgeräte und „Fähnchen“ als „Waffen“ deklariert werden und mit diesem polizeilich eingerichteten Bekleidungssammellager populistische Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird, das gibt vermutlich allen normal denkenden Menschen – außer den Polizeibehörden – ein Rätsel auf.
Wenn die uns gegenüber angegebene Liste von Sachgegenständen als Ergebnis der Durchsuchungen von anreisenden Demonstranten richtig sein sollte, dann ist eines klar: Die Kontrollstellen waren in ihrer Gesamtheit unverhältnismäßig und somit unzulässig! Die der Kontrollstellenanordnung zugrunde liegende Gefahrenprognose war grottenschlecht, zumindest hat sie mit der Realität nicht viel zu tun gehabt.
Dieses Fazit sollte sich die Polizei eingestehen und entsprechende Konsequenzen für die Zukunft ziehen und auf derlei begründete Kontrollstellen verzichten!