Was ist ein Auskunftsersuchen?
Im Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, wie die Grundlagen unseres Zusammenlebens, namentlich die Artikel 1 (Würde des Menschen) und Artikel 2 (Menschenrecht auf eine freie persönliche Entfaltung) in den Zeiten zunehmender Digitalisierung neu zu interpretieren sind.
Daraus entwickelte das Karlsruher Gericht das so genannte
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Ein Zitat aus dem Volkszählungsurteil:
„Individuelle Selbstbestimmung setzt aber – auch unter den Bedingungen moderner Informationsverarbeitungstechnologien – voraus, daß dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung )tatsächlich zu verhalten. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“
Damit haben wir ein verbrieftes Recht zu erfahren und zu verstehen, was andere Leute und Institutionen an Informationen über uns haben und wozu sie dieses Wissen benutzen. Damit dieses Grundrecht mit Leben erfüllt wird, dürfen wir nachfragen, Auskünfte einholen, uns erkundigen. Und diesen Akt informationeller Selbstbestimmung nennt man dann ein Auskunftsersuchen:
„Ein Auskunftsersuchen steht euch nach dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und auf Basis des Bundesdatenschutz- bzw. Landesdatenschutzgesetzes zu. Es ist kostenlos und verpflichtet die Adressat_in, euch Auskunft über sämtliche über eure Person gespeicherten Daten, den Zweck ihrer Verarbeitung und der eventuellen Weitergabe an Dritte zu geben.“
(Quelle: http://datarecollective.net/node/30)
Ein bisschen Gesetzeslektüre
Beim Richten eines Auskunftsersuchens an Unternehmen und Konzerne bezieht man sich am besten auf den § 34 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Manchmal lohnt ein weiterer Blick in das Landesdatenschutzgesetz desjenigen Bundeslandes, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat.
Um bei staatlichen Behörden und Ämtern anzufragen, kann man sich auf den § 19 BDSG berufen. Bei Behörden, die einem Bundesland zugehörig sind, gilt ebenfalls: einen Blick ins Landesdatenschutzgesetz werfen – dort findet sich immer ein entsprechender Passus.
Bei Landespolizeien gibt es zudem meistens noch eigene Regelungen im Landespolizeigesetz (manchmal heißen die Polizeigesetze „Gesetz für Sicherheit und Ordnung“ oder ähnlich). Und für die Geheimdienste (BND, MAD, Bundes- und Landes“verfassungsschutz“behörden) gibt es ebenfalls eigene Gesetze.
Hört sich kompliziert an …
Aber keine Sorge – man muss das nicht alles im Detail kennen, denn es gibt wunderbare Hilfe im Netz, die ein Auskunftsersuchen zum Kinderspiel werden lässt:
Auskunftsersuchen-Praxis: Hilfreiche Links und Dokumente
Auskunftsersuchen an Unternehmen und Datenhändler
Einfach Auskünfte darüber einholen, was Adresshändler, Banken, Versicherungen, Scoring-Unternehmen u.v.m. über einen gespeichert haben und an andere weitergeben:
Auskunftsersuchen an Polizeien und Geheimdienste
Mittels einer Internetseite, mit der man auf einfache Art und Weise Auskunftsersuchen an Polizeien und Geheimdienste stellen kann:
http://www.datenschmutz.de/cgi-bin/auskunft
Inklusive ausführlicher Erläuterungen:
http://www.datenschmutz.de/moin/AuskunftErsuchen
Auskunftsersuchen an facebook
Dazu hat sich Max Schrems auf seinem Internetportal verdient gemacht:
http://europe-v-facebook.org/DE/Daten_verlangen_/daten_verlangen_.html
Auskunftsersuchen an Krankenversicherungen und Widerspruch gegen elektronische Gesundheitskarte
Anschreiben an die Krankenversicherung, das einen Widerspruch gegen die Fotoeinziehung und Datenweitergabe im Rahmen der elektronischen Gesundheitskarte sowie ein Auskunftsersuchen enthält:
http://freiheitsfoo.de/files/2013/10/Musterschreiben-Krankenkasse-eGK.pdf
Untersagung von Datenweitergaben an Meldebehörde
Anschreiben an die für eine*n zuständige Meldebehörde bzw. Bürgerbüro, mit dem man der Datenweitergabe an Kirchen, parteien, Adressbuchhändler, Bundeswehr usw. widersprechen kann:
http://www.devianzen.de/widerspruch-weitergabe-meldeamtsdaten.pdf
Informationsfreiheit nutzen und schärfen
Von Bundesbehörden und von den Behörden/Ämtern einiger Bundesländer kann man mittels der Informationsfreiheitsgesetze öffentliche Dokumente einfordern. Dazu gibt es das hilfreiche Portal
Gleiches gibt es für die Behörden und Institutionen der Europäischen Union: